Golf GTE im Test: Die goldene Mitte

Elektrifiziert, aber nicht voll ­elektrisch, sportlich, aber nicht extrem: Auf dem Papier klingt der VW Golf GTE vielversprechend. Doch wie sieht es auf der Strasse aus?

Der Kühlergrill ist den ­GT-Modellen vorbehalten. Auch der Golf GTE trägt die durchgehende LED-Leiste an der Front.

Die 2014 lancierte siebte Generation des VW Golf wurde erstmals in einer GTE-Variante aufgelegt. Der Hybrid sollte den Beweis erbringen, dass das Zweimotorenkonzept auch mit Sportlichkeit zu vereinbaren ist. Oder dass es zumindest den sportlichen Anspruch erfüllen könnte, denn die umweltfreundliche Auslegung des GTI gab sich vorerst mit einem etwas schwächeren Antrieb zufrieden. Während beim Golf 7 GTI 220 PS an der Vorderachse zerrten, waren es beim GTE lediglich 204 PS. Das hat sich in der neuen Generation geändert. Der GTE mausert sich zum gleichwertigen, elektrifizierten Gegenstück des GTI. Will heissen, dass der GTE nun mit denselben 245 PS antritt wie der etablierte Hot Hatch. Während der GTI seine Kräfte aus einem Zweiliter-TSI bezieht, setzt der GTE auf eine Kombination von Verbrennungs- und Elektromotor. Beim Benziner handelt es sich um den 1.4-Liter-Vierzylinder-TSI mit 150 PS und 250 Nm sowie ein Stromaggregat mit 116 PS und 330 Nm. Wie beim Vorgänger-GTE arbeiten die beiden Maschinen in der Parallelhybrid-Bauweise. Unter der Motorhaube findet man also den Verbrennungsmotor, den Stromer und das Doppelkupplungsgetriebe in ebendieser Reihenfolge in Querposition aufgereiht. Erwähnenswert ist, dass der GTE neben dem DSG noch über eine dritte Kupplung verfügt. Sie sitzt zwischen Benziner und Elektromotor und erlaubt die Trennung der beiden Einheiten. Dank dieser Vorrichtung kann der GTE auch rein elektrisch fahren. Die Architektur der Baueinheiten bedeutet zudem, dass auch der Elektromotor über die sechs Gänge des DSG verfügt, womit seine Kraft- und Drehmomentabgabe vielfältig abrufbar ist.

Ansehnliche Reichweite

Auch die Kapazität der Lithium-Ionen-Batterie wurde gegenüber dem Vorgänger um 50 Prozent vergrössert und beträgt neu 12.8 kWh. Theoretisch steigt die rein elektrische Reichweite damit auf 62 Kilometer. In der Praxis erreichten wir rund 50 Kilometer, was einen durchaus guten Wert darstellt. Der GTE verfügt über den gleichen Antriebsstrang wie der Golf E Hybrid, der aber auf 204 PS ausgelegt ist. Als optische Unterscheidungsmerkmale dienen dem GTE 17-­Zoll-­ Felgen, ein den GT-Modellen vorbehaltener Kühlergrill im Bienenwabendesign, ein Diffusor am Heck (der mit einer Blende das Auspuff­endrohr kaschiert), ein Dachspoiler und die traditionell blaue Zierleiste (das Blau im GTE-Signet entspricht dem Rot beim GTI) sowie rot lackierte Bremssättel.

Der Ladestecker verbirgt sich nun nicht mehr wie bisher hinter dem VW-Markenzeichen an der Front, sondern unter einer Klappe an der linken Flanke. Diese Lösung macht auch deshalb Sinn, weil sie dem Besitzer im Falle eines statistisch häufigeren Auffahrunfalls geringere Reparaturkosten verursacht.

Gute Fahrleistungen

GTE und GTI schenken sich bei der Spitzenleistung nichts, doch der Hybrid-Golf liegt beim Drehmoment mit 400 Nm gegenüber 370 Nm deutlich vorn. Leider ist der GTE aber auch deutlich schwerer: Unsere Messungen wiesen beim Testwagen 1580 Kilogramm aus, während der zu Jahresanfang geteste GTI 1430 Kilogramm auf die Waage brachte (zum Bericht AR 3/2021). Die 150 Kilogramm Mehrgewicht kommen von der Batterie und dem aufwändigeren Antriebsstrang des Zweimotorenautos. Die Pfunde schlagen sich gemäss dem Datenblatt in etwas schwächeren Beschleunigungswerten nieder. Der Grand Touring Injection soll laut Werk den Sprint von 0 bis 100 km/h in 6.2 Sekunden schaffen, der GTE in 6.7 Sekunden. In der Realität, also auf unserer Teststrecke in Vauffelin BE, reduziert sich der Vorteil des GTI auf irrelevante 0.1 Sekunden. Die Stoppuhren blieben bei 6.9 und bei 7.0 Sekunden stehen. In beiden Fällen mussten sich die Testkandidaten allerdings auf einer nassen Fahrbahn und mit Winterreifen abmühen. Gemäss den echten Fahrleistungen scheint der GTE also mit seinem legendären Zwilling auf Augenhöhe zu stehen.

Ganz so einfach ist der Vergleich aber nicht, da sich die sportlichen Kompaktlimousinen ganz anders anfühlen. Pluspunkte sammeln beide mit der tadellosen Traktion und mit einer vorbildlichen Fahrwerksabstimmung. Das erklärt sich durch die MQ-Baugruppe des VW-Konzerns mit McPherson-Federbeinen vorn und Mehrlenkerachse mit separaten Stossdämpfern hinten. Gegen Aufpreis kann der Kunde auf das aktive Fahrwerk aufrüsten. Die Lenkung gefällt mit guter Gewichtung, raschem Ansprechen um die Mittellage und genügend Rückmeldung. Dennoch vermissten wir eine gewisse Schärfe und Kurvenfreudigkeit, der GTE stachelt den Fahrer keineswegs zu einer sportlicheren Fahrweise an, wie man das von den besten Hot Hatches kennt.

Unterschiedliche Verbrauchswerte

Während die Beschleunigung angemessen ist, ist das Zusammenspiel von Verbrennungs- und Elektromotor noch nicht ausgereift. Wir störten uns am häufigen Ruckeln im Antriebsstrang und an der Tendenz des Motors zum Überdrehen. Diese Untugend fällt noch mehr auf, wenn die Batterie leer ist. Läuft der GTE ohne elektrische Hilfe, stehen ihm lediglich 150 PS zur Verfügung, was bei einem Fahrzeuggewicht von eineinhalb Tonnen alles andere als sportlich ist. Vor allem arbeitet der kleine Vierzylinder dann häufig unter voller Last, was nicht gerade vorteilhaft für den Verbrauch ist. Der Fahrer ist also gut beraten, den Ladezustand der Batterie im grünen Bereich zu halten, dann funktioniert der GTE in seiner goldenen Mitte. Bei etwas zurückhaltenden Umgang mit dem Gaspedal und rechtzeitigem Nachladen der Akkus sinkt der Verbrauch auf 4.2 l/100 km (+10.4 kWh/100 km). Der gute Wert ist das Resultat der modernen Technologien, die dem GTE zugrundeliegen. Ein Beispiel ist die Integration des Navigationssystems für die Streckenwahl einschliesslich der Topografie. Das GPS ist also in der Lage, etwa Bergstrecken zu vermeiden. Es meldet dem Fahrer auch vorausschauend, wenn er etwa beim Annähern an eine Kurve vom Gas gehen und per Rekuperation Energie zurückgewinnen kann. Bei aktiviertem Tempomaten macht der Golf all das eigenständig.

Touchbedienung, wohin das Auge reicht

Ein schönes Detail im Innenraum ist die Edelstahlpedalerie. Das erwähnte Blau ist auch im Interieur überall vertreten, zum Beispiel in den Sitznähten und am Lenkrad. Die aktuelle Generation des Golf musste sich von unserer Redaktion viel Kritik gefallen lassen, was die nicht hinterleuchteten Touchbars für viele Funktionen betrifft, aber auch für die wenig intuitiven Menüs des Infotainmentsystems. Und leider sind natürlich all diese Schwächen auch im GTE präsent. Sie rücken gar noch etwas mehr in den Vordergrund, weil sich der GTE als Topmodell in die oberen Sphären der internen Rangordnung einreiht und damit entsprechend noch mehr haptische Optionen am Lenkrad bietet. Die physischen Schalter von einst (und in den unteren Ausstattungsvarianten) werden schmerzlich vermisst, weil es immer wieder zu ungewollten Fehleingaben kommt. Schade, denn im Grunde sind die Materialien von guter Qualität, und die Verarbeitung liegt auf hohem Niveau.

Das Platzangebot entspricht in allen Belangen dem des Golf mit Verbrennungsmotor, einzig die zusätzlichen Akkus unter dem Gepäckraumboden sind für den Verlust einiger Liter Ladevolumen verantwortlich. Aber das ist bei allen Hybridfahrzeugen zu einem gewissen Grad der Fall. Mit einem Grundpreis von 48 100 Franken ist der GTE 2650 Franken teurer als der grosse Bruder GTI. Der GTE versucht sich mit einer doppelten Argumentation und will die Sportfahrer genauso ansprechen wie Umweltfreunde. Der Besitzer muss aber darauf achten, die Batterie so oft wie möglich nachzuladen, nur so kann er von den guten Fahrleistungen und vom vorteilhaften Verbrauch profitieren.

Testergebnis

Gesamtnote 74/100

Antrieb

Das Zusammenspiel von Verbrenner und Elektromaschine ist nicht perfekt. Ist die Batterie jedoch leer, versprüht der GTE kaum mehr Sportlichkeit.

Fahrwerk

Basierend auf der MQB-Plattform ist auch der Golf GTE überzeugend abgestimmt und findet den richtigen Kompromiss zwischen Komfort und Sportlichkeit. Auf Wunsch kann elektronisch nachgeholfen werden.

Innenraum

Der Innenraum ist gut verarbeitet, kämpft aber mit den Untugenden der neuen Golf-Generation. Das Platzangebot bleibt angemessen, einzig im Kofferraum schränkt die Hybrid-Batterie etwas ein.

Sicherheit

Die Fahrhilfen arbeiten mit dem Bremsrekuperationssystem zusammen. Alles, was man sich wünscht, ist mit an Bord.

Budget

Mit einem Preis ab 48 100 Franken ist der GTE teurer als der GTI. Wer oft lädt, kann den Unterschied an der Zapfsäule wieder wettmachen.

Fazit 

Indem er quasi das Optimum aus beiden Welten bieten will, wird der GTE Sportwagenenthusiasten ansprechen, die sich für die Umwelt engagieren. Diese werden allerdings nur dann glücklich, wenn die Batterie regelmässig aufgeladen wird. Das ist die Voraussetzung, um in den Genuss der dynamischen Fähigkeiten des GTE und des niedrigen Treibstoffverbrauchs zu kommen. Damit hat der Volkswagen Golf GTE das Potenzial, der bessere GTI zu sein.

Die technischen Daten und unsere Testdaten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.