Eine Frage der Prioritäten

Mazda entschied sich beim MX-30 aus Gewichtsgründen für eine leichtere Batterie und ­eine geringere Reichweite. Geht die Rechnung auf?

Der Stil des MX-30 lässt sich als eine gute Mischung aus scharfen Linien und klaren Flächen zusammenfassen. Die Ähnlichkeit mit dem CX-30 ist offensichtlich und nicht überraschend: Die beiden Crossover teilen sich dieselbe Plattform.

Wir haben uns wohl alle schon einmal gefragt, wie sinnvoll es ist, ­einen doppelten Cheeseburger mit der grossen Tüte Pommes frites, dazu aber eine Cola Light zu bestellen. Oder den Abfall zu trennen, auf Fleischkonsum zu verzichten, mit dem Velo zur Arbeit zu fahren, dann aber jeden Monat nach Barcelona, London oder Berlin zu fliegen. Die Mazda-Verantwortlichen wollten jedenfalls bei der Vorstellung ihres ersten Elektroautos, des MX-30, die ökologische Weitsicht nicht aus den Augen verlieren. Was soll schliesslich ein abgasfreies Fahrzeug, wenn es über seine gesamte Einsatzdauer mehr CO2 produziert als ein Wagen mit Verbrennungsmotor?

Nachhaltiges Holz und veganes Leder

Mazda geht ungeniert seinen eigenen Weg. Das fällt besonders bei Wahl der Batteriegrösse auf, mehr dazu aber später. Der Hersteller aus Hiroshima (J) schenkte auch den Materialien im Innenraum besondere Aufmerksamkeit. Auffällig ist der Kork im Mitteltunnel. Mazda spricht hier von Nachhaltigkeit, weil es sich um die nachwachsende Rinde lebender Bäume handelt. Der Kunststoff in den Türverkleidungen besteht aus wiederverwerteten PET-Flaschen, und das Kunstleder kann natürlich als vegan deklariert werden. Diese Initiativen betreffen bei Weitem nicht das gesamte Interieur, sie stellen aber schon gute erste Schritte dar.

Unkompliziert

Das Innenraumkonzept stand im Zeichen der Praktikabilität. Firlefanz sucht man vergebens, alles ist einfach und logisch aufgebaut. Das beginnt beim Armaturenbrett. Mazda verleiht ihm eine modernes Aussehen mit dem Sieben-­Zoll-Bildschirm, der weder unendliche viele Varia­tionsmöglichkeiten noch mehrstufige Untermenüs enthält. Mittig findet man den digitalen Tacho umgeben von den wichtigsten, individuell programmierbaren Anzeigen. Ein hervorragendes Head-up-Display projiziert die wesentlichen Informationen ins Sichtfeld des Fahrers.

Die Ergonomie profitiert von einer beruhigenden Logik. Man wird schnell mit der Bedienung vertraut. Das ist nicht weiter überraschend, denn der MX-30 folgt in dieser Hinsicht seinen Plattformgefährten Mazda 3 und CX-30. Entsprechend vertraut ist das Infotainment mit dem grossen, schön integrierten 8.8-Zoll-Bildschirm im Blickfeld des Fahrers. Nur in Reichweite ist die Anzeige nicht, denn es handelt sich nicht um einen Touchscreen. Wie im Mazda 3 und CX-30 erfolgt das Ansteuern der Funktionen über den Dreh-Drück-Schalter am Mitteltunnel. Einfache Aufgaben, wie das Wechseln des Radiosenders oder das Anzeigen der Karte, sind ein Kinderspiel. Die Eingabe einer Adresse für die Navigation verlangt hingegen Geduld: Man muss jeden Buchstaben einzeln ansteuern und bestätigen. Zum Glück wird nach den ersten Buchstaben ­eine Auswahl relevanter Adressen angezeigt.

Dennoch gibt es im MX-30 mit dem Aufrüsten um einen Touchscreen einen Fortschritt gegenüber Mazda 3 und CX-30. Nur schade, dass dieser keinen echten Nutzen bringt. Mazda folgt dem Beispiel von Audi und integriert eine sieben Zoll grosse Berührungsleiste für die Steuerung der Klimaanlage. Dieser schmale Bildschirm stellt unserer Meinung nach eine unnötige Umständlichkeit dar. Die bewährten Druckknöpfe erfüllen ihre Aufgabe besser, ohne dass der Fahrer den Blick vom Verkehrsgeschehen abzuwenden bräuchte. Nicht zuletzt verbaut der Schalthebel den Zugang zur Klimaregelung. Gut, dass die Entwickler immer noch Festknöpfe am Bildschirmrand vorgesehen haben. Und es ist nicht zu bestreiten, dass der Touchscreen dem bereits vorbildlichen Interieur einen modernen Anstrich verpasst. Die Oberflächen sind haptisch äusserst angenehm, die Passgenauigkeit ist millimetergenau. Pluspunkte sammelt der CX-30 zudem mit der nüchternen Präsentation, bester Verarbeitungsqualität und eleganten Elementen wie der freistehenden Mittelkonsole. Die Sitzposition ist für Fahrer aller Grössen ausgezeichnet.

Hinten ist es hingegen nicht zum Besten bestellt, wenn vorne gross Gewachsene Platz nehmen. Die Kniefreiheit schrumpft dann schnell, und auch der Zugang reduziert sich auf ein Minimum. Damit kommen wir zum vielleicht wichtigsten Erkennungsmerkmal des MX-30, den sich entgegen der Fahrtrichtung öffnenden Hintertüren. Wobei Türen nicht ganz der richtige Ausdruck sind, es handelt sich eher um Panele wie beim RX-8. Die schmalen Öffnungen sind genauso blockiert wie beim Sportwagen, wenn die vorderen Türen geschlossen werden. Der auffällige Zugang macht ­eine breitere Öffnung frei als bei einem Zweitürer, so praktisch wie echte hintere Türen sind die Panele aber nicht. Das nicht besonders grosszügige Gepäckraumvolumen bestätigt den Verdacht, dass der MX-30 dem Stil mehr Bedeutung zumisst als dem Praxisnutzen. Der Kofferraum des Japaners fasst trotz der Fahrzeuglänge von 4.40 Metern nur gerade 366 Liter. Beim Peugeot E-2008 sind es 405 Liter, beim Kia E-Niro gar 451 Liter.

Das Gepäckraumvolumen ist nicht der einzige Wert auf dem Datenblatt, bei dem der MX-30 ein Handicap gegenüber seinen Konkurrenten auszuweisen scheint. Wir denken vor allem an die Batteriekapazität. Der Mazda begnügt sich mit 35.5 kWh, während der E-2008 mit 50 kWh und der E-Niro (als Option) mit 64 kWh aufwarten kann. Sogar der Fiat 500E bietet mit 42 kWh mehr. Haben bei Mazda also die Geizkragen das Sagen? Nein, die Rechtfertigung aus Hiroshima basiert auf Technik- und Umweltgründen. Grössere Akkus verursachen über ihren Lebenszyklus von der Rohstoffgewinnung bis zum Recycling mehr Emissionen.

Das ist nicht der einzige Grund: Die Techniker rechnen auch vor, dass die grösseren und schwereren Batterien ein Paradox bilden, weil sie gleichzeitig die angestrebte Reichweite auch wieder einschränken. Ab einem gewissen Punkt fallen die Akkus dermassen schwer aus, dass sie ihren Vorteil quasi verspielen. Mazda will mit der Kapazität von 35.5 kWh den goldenen Schnitt gefunden haben. Damit gibt der Hersteller eine WLTP-Reichweite von 200 Kilometern an.

Weniger Gewicht bedeutet auch mehr Handlichkeit. Die Modellbezeichnung MX bringt man automatisch mit dem MX-5 Roadster in Verbindung. Ein aktives Fahrverhalten hat bei der Marke aus Hiroshima seit jeher einen hohen Stellenwert, und es sollte auch ein Kennzeichen ihres ersten Elektroautos werden. Aber die Stromer tun sich beim Gewichtsparen besonders schwer. Erinnern wir uns bloss an den Mercedes EQA, einen einfachen Crossover des C-Segments: Er wiegt mehr als zwei Tonnen. Mazda setzte andere Prioritäten mit dem Resultat, dass der MX-30 mit seiner kleinen Batterie auf ein Leergewicht von 1680 Kilogramm kommt. Um die Elektronen nicht zu eifrig abzubauen, beschränkten sich die Ingenieure auf ein bescheidene Leistung von 107 kW (145 PS).

Angenehmes Fahren

Sprechen wir vom Positiven. Der MX-30 fährt sich im Vergleich zu seinen Konkurrenten deutlich angenehmer. Der Eindruck beruht auf einer leichtgängigen und präzisen Lenkung und einem genügend kräftigen und drehmomentstarken Motor (271 Nm), dem es nie an Schub mangelt. Klar, sportliche Fahrleistungen bietet der MX-30 nicht, er muss mit einer auf 140 km/h limitierten Höchstgeschwindigkeit und einer Beschleunigungszeit für 0 bis 100 km/h von fast zehn Sekunden auskommen. Aber die Geschmeidigkeit und der spontane Antritt des Stromers sorgen für ein zügiges und entspanntes Fahren in wohliger Ruhe. Fünf Rekuperationsstufen, wählbar über die Lenkradpaddles, ermöglichen die Feinabstimmung der regenerativen Bremsung.

Der MX-30 kaschiert sein Gewicht geschickt und gehört zu den fahraktivsten SUV in seiner Klasse. Aber es steht natürlich nicht alles zum Besten: Ist der Fahrer zügig auf kurviger Strecke unterwegs, machen sich die Pfunde bemerkbar. Auch der Komfort schlägt auf schlechten Strassen ins Negative um, die Stossdämpfer lassen gelegentlich deutliche Stösse zu den Insassen durchdringen.

Die grosse Frage der Reichweite

Und wie steht es um die Reichweite? Die Argumentation von Mazda ist durchaus nachvollziehbar, aber unter dem Strich geht es um die Resultate in der Praxis. Wir haben auf unserer AR-Normrunde einen Verbrauch von 19.9 kWh/100 km und damit eine Reichweite von etwa 170 Kilometern ermittelt. Während in der Stadt problemlos 240 Kilometer drinliegen, ist auf der Autobahn eher mit einem Einsatzradius von 140 Kilometern zu rechnen. Damit wird ein unspektakulärer Ausflug von Bern nach Zürich (125 km) zum Nervenspiel.

Man muss so bald wie möglich ans Nachladen denken, und auch diesbezüglich macht es der MX-30 seinem Besitzer nicht einfach. Die Navigation enthält zwar alle Ladestationen, aber das System schlägt einem auch bei niedrigen Batteriewerten nie selbständig den Weg zur nächsten Station vor. Der Fahrer muss die Liste in einem Untermenü abrufen. Und aufgepasst: Die Aufzählung enthält auch die Stationen vom Typ Chademo (Nissan), mit denen der MX-30 nicht kompatibel ist. Diese Untugend hat uns einiges an Kopfschmerzen verursacht, die Batterieladung des Testwagens war nach der Autobahnfahrt ganz schön aufgebraucht.

Angesichts der beschränkten Reichweite würden wir erwarten, dass die Navigation die Fahrstrecke berechnen und die nötige Ladezeit unterwegs mit einschliessen würde, um eine realistische Ankunftszeit vorgeben zu können.

Schwächelnde Ladedauer

Auch an einer Schnellladestation kann der MX-30 nur 40 kW aufnehmen. Mit einer 6.6-kW-Wallbox in der Garage dauert es sogar 5:45 Stunden, bis die Batterie auf 100 Prozent kommt. Mit der beschränkten Reichweite und den langen Ladezeiten drängt sich der MX-30 für den städtischen Einsatz auf, was allerdings seinen eher grosszügigen Aussenmassen widerspricht.

Aber das japanische Elektro-SUV macht mit seinem verführerischen Preis viele Punkte gut. Sein Grundpreis beträgt 37 900 Franken, voll ausgerüstet kommt er auf 45 800 Franken. Damit bietet der MX-30 einen guten Gegenwert, denn die kleineren Fiat 500E und Honda E bieten bei ähnlichen Preisen deutlich weniger Innenraum. Peugeot E-2008 und Kia E-Niro kommen der 50 000-Franken-­Grenze sehr nahe. Das ist ein grosser Schritt, aber die beiden sind auch geräumiger, praktischer und haben vor allem eine grössere Reichweite. Interessenten, die im städtischen Umfeld unterwegs sind, dürften sich vom hübschen, angenehm zu fahrenden MX-30 überzeugen lassen. Alle anderen sind bei der Konkurrenz besser bedient.

Testergebnis

Gesamtnote 72/100

Antrieb

Der Motor mit 107 kW bietet ein gutes Fahrgefühl in allen Situationen, ob in der Stadt oder auf der Autobahn. Die Ruhe an Bord ist vorbildlich.

Fahrwerk

Obwohl er sein Gewicht (1680 kg) nicht verstecken kann, ist der MX-30 eines der dynamischsten E-SUV seiner Klasse. Allerdings wird die Federung bei Bodenwellen überlastet.

Innenraum

Die Materialien und die Verarbeitung sind für das Segment erstklassig. Der einzige Nachteil ist das Platzangebot und die Zugänglichkeit der Rücksitze trotz der spektakulär zu öffnenden Türen.

Sicherheit

Der Spurhalteassistent reagiert recht abrupt, wenn eine Linie berührt wird. Das Bremsen liegt im Rahmen der Norm.

Budget

Mit 37 900 Franken ist der MX-30 das bessere Angebot als der Fiat 500E und der Honda-E. Er ist auch preiswerter als seine direkten Konkurrenten, Peugeot E-2008 und Kia E-Niro, bietet aber deutlich weniger Reichweite.

Fazit 

Die begrenzte Reichweite und Ladeleistung des MX-30 beschränken ihn auf den Einsatz in Städten und auf Kurzstrecken. Dort erweist er sich als sehr gute Alternative zu den kleinen elektrischen Stadtautos. Wer mehr Vielseitigkeit sucht, sollte sich besser bei Peugeot und Kia umsehen.

Die technischen Daten und unsere Testdaten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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