Dies ist der Fall eines jungen Solothurner Automobilisten, der, noch im Besitz eines Führerausweises auf Probe, von der Polizei erwischt wurde, als er während der Fahrt – nebst anderen kleineren Vergehen – das Mobiltelefon bediente (BGE 1C_470/ 2020, 8. 2. 2021). Dafür wurde er mit 360 Franken gebüsst. Das Verhalten wurde zwar als leichte Widerhandlung geahndet, da er aber den Führerausweis auf Probe bereits ein Jahr zuvor für einen Monat hatte abgeben müssen, wurde ihm dieser nun ganz entzogen. Dagegen beschwerte sich der Solothurner beim Verwaltungsgericht und blitzte ab. Der Beschwerdeführer war bereit, alles zu tun, um seinen Ausweis zu behalten und zog den Fall weiter ans Bundesgericht. Dort versuchte er die Bundesrichter davon zu überzeugen, dass sein Fehler besonders leicht war und deshalb straflos bleiben sollte. Die Stossrichtung der Argumentation seines Verteidigers lag darin, klar zu machen, dass er nicht unaufmerksamer war, während er drei Sekunden einen Blick auf sein Mobiltelefon warf, als wenn er auf seinen Tacho geschaut hätte.
Wie sehen die Regeln aus?
Nachdem das Bundesgericht detailliert aufgelistet hatte, was am Steuer erlaubt ist und was nicht, wies es die Beschwerde ab und bestätigt den Entzug des Führerausweises.
Aber was ist denn nun alles erlaubt während des Fahrens? Abgesehen vom Telefonieren ohne Freisprechanlage bleibt das Gesetz vage. «Der Führer muss das Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann», heisst es im Strassenverkehrsgesetz. Und in der Verkehrsregelnverordnung steht: «Der Fahrzeugführer muss seine Aufmerksamkeit der Strasse und dem Verkehr zuwenden. Er darf beim Fahren keine Verrichtung vornehmen, welche die Bedienung des Fahrzeugs erschwert. Er hat ferner dafür zu sorgen, dass seine Aufmerksamkeit insbesondere durch Tonwiedergabegeräte sowie Kommunikations- und Informationssysteme nicht beeinträchtigt wird.»
Die umfangreiche Rechtsprechung des Bundesgerichts widerspiegelt die Schwammigkeit der Vorschriften, und die Richter müssen regelmässig Grenzsituationen beurteilen. Die reiche Rechtsprechung hat immerhin nach und nach zur Klärung beigetragen, was am Steuer erlaubt ist. So ist das Fahren mit einer Hand erlaubt, sofern die andere jederzeit in der Lage ist, sämtliche fahrbezogenen Aktivitäten wie die Bedienung des Blinkers oder das Einlegen des passenden Gangs auszuführen. Das Mobiltelefon für ein paar Sekunden in der Hand zu halten, ohne darauf zu schauen (!), ist demnach kein Problem (6B_1183/ 2014). Aber einen Becher mit heissem Kaffee in der Hand zu halten, den man notfalls fallen lassen müsste, könnte als gefährlich eingestuft werden.
Solche Nebentätigkeiten dürfen ausserdem den Autofahrer nicht daran hindern, seine Aufmerksamkeit in genügendem Masse der Strasse zuzuwenden. Dies hängt auch von den Verkehrsverhältnissen ab. So benötigt es in einer stehenden Kolonne weniger Aufmerksamkeit als auf einer stark befahrenen Innerortsstrasse. Es sind also die Art der Tätigkeit, aber auch die Dauer und die Verkehrsbedingungen, die zusammengenommen bestimmen, was erlaubt ist und was nicht.
Das ist erlaubt
Folgende Aktivitäten sind während der Fahrt erlaubt. Dies sind Beispiele, es kann angenommen werden, dass vergleichbare Aktivitäten analog behandelt werden.
Im Stau eine Zeitung lesen (6P.68/2006) |
Zum Ablesen der Geschwindigkeit kurz auf das Armaturenbrett blicken (1C_183/2016) |
Das Mobiltelefon während kurzer Zeit in der Hand halten, ohne einen Blick darauf zu werfen (6B_1183/2014) |
Mit einer Freisprechanlage telefonieren (6B_1183/2014) |
Einen Apfel essen (6B_1183/2014) |
Rauchen (6P_1183/2014) |
Während der Fahrt verboten
Folgendes ist am Steuer verboten. Für viele Aktivitäten gilt jedoch eine Ausnahme, sofern das Auto, zum Beispiel im Stau oder am Rotlicht, steht.
Schreiben auf einem Blatt Papier während der Autofahrt, wobei der Blick zeitweise von der Strasse abgewandt ist (1C_566/2018) |
Ein Blatt Papier in der Hand halten und es mehrere Sekunden lang betrachten (1C_422/2016) |
Am Autoradio oder Infotainment hantieren |
Telefon zwischen Ohr und Schulter einklemmen (6P.68/2006) |
Die Musik auf seinem Mobiltelefon wechseln und einen kurzen Blick auf dieses werfen (1C_470/2020) |
Eine SMS schreiben oder lesen (6B_666/2009) |
Sein Navi in die Hand nehmen und es einen kurzen Moment anschauen (1C_183/2016) |
Eine Adresse im Navi eingeben (analog 6B_666/2009) |
Ein Heissgetränk trinken oder eine warme Mahlzeit essen |
Sich frisieren oder schminken (1C_564/2019) |
Telefonieren ohne Freisprechanlage (Ordnungsbusse 100 Fr.) |
Wie stehts mit:
– Senderwechsel per touch screen?
– Sitz- oder Lenkradheizung einschalten (2 x drücken)
– Rückspiegel richten, etc.
Da es verboten ist, auf der Autobahn anzuhalte, um die vielen „Gadgets“ zu bedienen und diese alle bei der Typenprüfung abgenommen wurden, sollte sich die Justizbehörde gut überlegen, was sie einer Strafe unterstellen möchten. Einige Handlungen sind absolut zu verbieten und andere je nach Umständen, z. B. kein Verkehr vor dem Fahrzeug.