Supersport goes Plug-in

Mit dem Artura startet McLaren in seine zweite Dekade. Von Plattform über Interieur bis zum Antriebs­strang ist alles von Grund auf neu. Der Supersportwagen hat die Fähigkeit, 30 Kilometer weit elektrisch zu fahren.

Auch wenn beim neuen McLaren Artura so ziemlich alles neu ist, bleibt er doch ­unverkennbar ein Sportler aus Woking.

Zehn Jahre ist es her, dass McLaren Automotive mit der Produktion von Strassenfahrzeugen begonnen hat. Dabei bewiesen die Briten ein gutes Händchen beim Fahrzeugbau und einen ausgezeichneten Geschäftssinn, denn bereits 2014 wurden erstmals schwarze Zahlen geschrieben. Beim Start ins zweite Jahrzehnt der Marke hält McLaren am Verzicht auf ein SUV fest, springt jedoch mit dem Plug-in-­Hybrid Artura auf einen anderen automobilen Trend auf, bleibt damit in der Supersportliga aber noch eine Ausnahmeerscheinung. Die schnittige Aussenhaut ist klar McLaren, darunter ist alles neu: Plattform, Verkabelung, Interieur, Antriebsstrang. In der Schweiz trägt er ein Preisschild von 212 000 Euro.

Im heissen V

Der V6-Verbrennungsmotor ist das neue Herz des Antriebs, baut deutlich kürzer und wiegt mit 160 Kilogramm etwa 25 Prozent weniger als der bisher eingesetzte V8, was für den nötigen Spielraum zur Integration der elektrischen Antriebskomponenten sorgt. Mit 120 Grad ist der Bankwinkel doppelt so gross wie bei den meisten V6, wodurch die beiden Turbolader Platz finden im heissen V. Zudem verursacht dieses Layout geringere Druckverluste im Abgastrakt, sodass die Drehzahllimite erst bei 8500 U/min angesetzt werden muss.

Ohne eine kompliziert gestufte Aufladung soll der Wagen gleichwohl ein rasierklingenscharfes Ansprechverhalten bieten, dafür sorgt der Elektromotor des Hybridsystems. Gemeinsam decken der direkteingespritzte V6 mit 430 kW (585 PS) und der Elektromotor mit 70 kW (95 PS) ein sehr breites Spektrum ab. Mit 680 PS Systemleistung meistert der Hybrid den Spurt von 0 auf 100 km/h in 3.0 Sekunden (0–200 km/h sollen in 8.3 s möglich sein) und bietet bis zu 30 Kilometer rein elektrische Reichweite – ein neues Kapitel in der Geschichte der Supersportwagen.

Rückwärts elektrisch

Der Elektromotor ist eine Neuheit für automobile Einsätze. Er ist ein Axial-Flux-Motor, während Elektromotoren in Autos sonst üblicherweise Radial-Flux-Motoren sind. Der Unterschied liegt in der Bauweise: Während beim zylinderförmigen Radial-Flux-Motor der Stator den Rotor umschliesst, ist er beim scheibenförmigen Axial-Flux-­Motor vor und hinter dem Rotor platziert. Der Vorteil zeigt sich im Vergleich zum ersten hybriden McLaren-Hypercar P1 von 2013. Der neue Elektromotor des Artura wiegt mit 15.4 Kilogramm weit weniger als die Hälfte, weist aber eine um 33 Prozent höhere Energiedichte auf als die E-Maschine im P1. Integriert ist der Elektromotor ins Glockengehäuse des neuen, jetzt acht Gänge aufweisenden Doppelkupplungsgetriebes. Auf einen mechanischen Rückwärtsgang wird im Artura verzichtet, rückwärts gefahren wird rein elektrisch.

Das aus fünf Modulen bestehende Lithium-Ionen-Batteriepaket (7.4 kWh) ist im neuen Monocoque integriert und speist auch die elektrische Klimatisierung der Kabine sowie das Zwölf-Volt-Netz. Alle Hybridkomponenten wiegen inklusive Batterie (88 kg), E-Motor und Leistungselektronik gerade einmal 130 Kilogramm. Je nach Fahrmodus dient der Elektromotor zur Leistungs- und Drehmomentssteigerung oder verhilft zu einer möglichst energieeffizienten Fahrweise. Zum Laden der Batterie während der Fahrt stehen verschiedene Ladeprotokolle zur Verfügung. Am Kabel ist eine leere Batterie an einer regulären Haushaltsteckdose innert zweieinhalb Stunden auf 80 Prozent geladen.

Vernetzt, innen und aussen

Mit seinen Karbonfaser-Monocoques ist McLaren ein Meister in Leichtbau und Gewichtsreduktion. Für den Artura wird erstmals die komplett neue Carbon Lightweight Architecture (MCLA) verwendet, die unter anderem auch für die Aufnahme von Zusatzkomponenten wie der Batterie entwickelt worden ist. Gleichzeitig bringt McLaren ­eine neue Verkabelung der Steuergeräte zum Einsatz. Die jetzt ethernetbasierte Elektronikarchitektur ermöglicht einen deutlich höheren Datenaustausch zwischen den Komponenten, reduziert das Gewicht der Verkabelung um 25 Prozent und erleichtert auch die Integration intelligenter Fahrerassistenzsysteme wie eines adaptiven Tempomaten, einer Fernlichtautomatik oder eines Spurassistenten. Zudem wird damit ermöglicht, Software-Updates over-the-air in den Wagen zu laden.

Fahrdynamisch sollen beim Artura keine Abstriche in der für McLaren typischen Leichtfüssigkeit gemacht werden müssen. Das garantieren unter anderem die elektronische Differenzialsperre (Premiere bei McLaren), die direkte und feinfühlige elektrohydraulische Lenkung, die Fahrwerksabstimmung und die effiziente Bremsanlage. Die Instrumentierung ist noch stärker gegen den Fahrer orientiert, und mit neuen Sitzen wie auch einer vereinfachten Bedienung sticht der jüngste Spross aus Woking (GB) weiter hervor.

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