Das ging aber schnell! Eben erst enthüllt, steht der Mercedes EQA schon für eine erste Fahrpräsentation zur Verfügung. Mercedes hat es eilig, an die Elektroparty zu kommen, um nicht erst aufzuschlagen, wenn das Fest bereits gelaufen ist. Das kann man den Deutschen auch nicht verübeln, denn Elektrofahrzeuge erweisen sich als erstaunlich immun gegen Corona: Während der Schweizer Automarkt um 24 Prozent schrumpfte, legten die Stromer um 48 Prozent zu. Noch spektakulärer sieht es in Deutschland aus, wo sich der Absatz dank Subventionen von 63 000 auf 194 000 Einheiten mehr als verdreifachte.
Um nichts zu verpassen, griff Mercedes auf vorhandene Komponenten in den Konzernegalen zurück. Die Ingenieure bedienten sich bei der Plattform des GLA, um den EQA auf die Räder zu stellen. Die Ähnlichkeit der beiden Brüder betrifft nicht nur die Technik, sondern auch die Optik: Die beiden können ihre Verwandtschaft nicht leugnen.
Optimierter Luftwiderstand
Trotz dieser offensichtlichen Ähnlichkeit ist es nicht schwer, den EQA von seinem Bruder mit Verbrennungsmotor zu unterscheiden. Dazu genügt ein Blick auf das Heck, wo die Designer ein LED-Band zwischen den Rückleuchten eingefügt haben. An der Front, wo der GLA den Kühlergrill trägt, kommt der EQA geschlossen daher. Eine Massnahme, die ebenso der Aerodynamik zugutekommt wie der strömungsoptimierte Unterboden, die speziellen Felgen und Air-Curtains um die Räder. Der EQA versucht, möglichst wenig Luftwiderstand zu erzeugen, damit ihm nicht zu schnell die Puste ausgeht. In Stuttgart weiss man um die Reichweitenangst, die viele Kunden von einem Wechsel zum Elektroantrieb abhält.
Da jeder Kilometer zählt, wird an jedem Detail gefeilt. Auch an der Grösse der Batterie wird nicht gespart, Mercedes hat im Boden des EQA eine 66.5-kWh-Batterie verbaut. Das SUV soll nach dem WLTP-Zyklus mit einer Ladung 426 Kilometer zurücklegen können. Im Idealfall dauert es dann 30 Minuten, um die Batterien mit 100 kW Ladestrom wieder zu 80 Prozent aufzuladen.
Die grosse Batterie hat allerdings einen beträchtlichen, oder besser, gewichtigen Nachteil: Der EQA bringt 2040 Kilogramm auf die Waage, 500 Kilogramm mehr als sein Bruder mit Verbrennungsmotor. Mit seinen 140 kW (190 PS) und 375 Nm ist der frontgetriebene EQA 250 nicht gerade übermässig motorisiert, um eine solche imposante Masse in Schwung zu bringen. Mercedes hat aber bereits angekündigt, dass die Kavallerie Verstärkung durch eine 200 kW (272 PS) starke Variante mit Allradantrieb erhalten wird.
In der Praxis zeigt sich schnell, dass der Elektroantrieb der Einstiegsversion mit dem Übergewicht des SUV mühelos zurechtkommt. Wie üblich bei einem Elektroauto steht das Drehmoment umgehend zur Verfügung und beschleunigt die Masse des EQA, ohne mit der Wimper zu zucken. Im Stadtverkehr glänzt der Stern mit rasanter Beschleunigung auf 50 km/h und lässt andere Autos an der Ampel stehen. Um den Schwung wieder abzubremsen, bietet der EQA verschiedene Rekuperationsgrade, die über Schaltwippen hinter dem Lenkrad wählbar sind. Sie reichen vom Freilauf (nützlich zum Beispiel auf der Autobahn) bis zu einer sehr ausgeprägten Bremswirkung, die sich in der Stadt als recht nützlich erweist. Fans des One-Pedal-Drivings werden begeistert sein.
Fünf Sterne für die Akustik
Während der EQA wie eine Sternschnuppe durch die Stadt flitzt, zeigt er mit zunehmender Geschwindigkeit Anzeichen von Schwäche. Mercedes gibt die Zeit für die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h mit 8.9 Sekunden an, was deutlich weniger brillant ist als die 6.9 Sekunden des GLA 250.
Auch wer kurvenreiche Strassen bevorzugt, wird mit dem EQA gut klarkommen. Willig zieht das SUV seine Bahnen, auch wenn sich die zwei Tonnen Leergewicht unmissverständlich bemerkbar machen, wenn man die Masse um die Ecken wirft und ihr Trägheitsmoment zum Tragen kommt. Mercedes wollte offenbar die Karosseriebewegungen auch nicht über Gebühr durch eine zu harte Dämpfung mindern, weil sonst der Komfort gelitten hätte. Das ist auch gut so, denn: der Komfort ist gut. Die Ruhe an Bord ist vor allem auf der Autobahn verblüffend. Da leidet der EQA weniger als seine Wettbewerber unter dem typischen Elektroauto-Paradox: Da das Motorgeräusch praktisch entfällt, konzentriert man sich als Insasse auf andere Geräuschquellen wie das Abrollen der Reifen oder die Windgeräusche, die plötzlich als zu laut und störend empfunden werden. Der EQA schafft es, diesem Effekt entgegenzuwirken und seine Insassen in einer schallgeschützten Filterblase zu isolieren.
Dies erzeugt einen zusätzlichen Hauch von Eleganz im sowieso schon eleganten Innenraum. Die Auswahl der Materialien ist hochwertig, ebenso die Verarbeitungsqualität. GLA-Stammkunden werden eine gewohnte Umgebung vorfinden, denn das Armaturenbrett ist bei den beiden Brüdern nahezu identisch. Der EQA zeichnet sich durch einen perforierten Kunststoffeinsatz mit Hintergrundbeleuchtung in Violett – Mercedes nennt es Rosé – oder durch einzelne, runde Einfassungen in Roségold aus. Der Innenraum leidet hingegen unter der Elektrifizierung, denn die Batterien im Unterboden führen dazu, dass die Füsse der hinteren Insassen um einige Zentimeter angehoben werden. Die stärker angewinkelte Sitzposition fühlt sich weniger natürlich an als bei der Verbrennerversion, unbequem jedoch ist sie nicht. Der Verlust von 100 Litern Kofferraumvolumen ist dagegen bedauerlich, denn das Ladevolumen ist mit 340 Litern klein für dieses Segment.
Bestellbar ist der Mercedes-Benz EQA ab Februar, ab Frühling soll das Auto dann bei den Händlern stehen.