Das S steht für sanft

Die ­vierte Generation des Audi S3 ist ­braver als ihre Vorgängerinnen. Doch ist das wirklich ein Nachteil?

Braver als die Vorgängerinnen: die vierte Generation des Audi S3.

Bei seiner Markteinführung 1998 stand der S3 allein auf weiter Flur. BMW hatte damals den 1er noch nicht einmal im Programm, die erste Auflage der A-Klasse von Mercedes-Benz sollte erst später mit einem AMG-Modell aufgerüstet werden (und dieser A38 mit Zwei-Motoren-Antrieb ging nie in Serienproduktion). S3-Rivalen von den Grossherstellern mangelte es am Allradantrieb und an vergleichbarer Leistung. Volkswagen Golf VR6, Peugeot 306 S16 und Citroën Xsara VTS konnten mit ihren 174 beziehungsweise je 167 PS nicht mit den 210 (später 225 PS) des 1.8-Liter-Vierzylinders aus Ingolstadt mithalten. Wie sich die Zeiten ändern. Jetzt bringt Audi also die 310 PS starke, vierte Auflage des S3 auf den Markt, doch auch die Konkurrenz hat inzwischen mächtig aufgerüstet. BMW tritt mit dem allradgetriebenen M135i xDrive (306 PS) an, aus Stuttgart kommt ein kleiner Bruder des AMG A45. Der A35 von Mercedes-AMG meldet sich ebenfalls mit 306 PS und bringt diese über alle vier Räder auf die Strasse. Die Erzrivalen kopieren das Konzept, welches Audi mit dem S3 vorgestellt hatte. Ob man sie nun mag oder nicht, die kleinen Premiumflitzer haben eine eigene Nische etabliert. Die Vier-Ringe-Marke übernimmt auch diesmal wieder das bewährte Rezept, was die Frage aufwirft, ob sich die Ingolstädter vielleicht auf ihren Lorbeeren ausruhen.

Alles wie gehabt

Klar, im Vergleich zum Original hat der neue S3 mächtig an Leistung zugelegt. Beim Studium des Datenblattes des direkten Vorgängers allerdings finden sich keine grossen Unterschiede. Tatsächlich übernimmt der Neuling nicht nur die MQB-Plattform der dritten Generation, auch der Motor (EA888) ist derselbe. Neu bringt es die Maschine auf 310 PS und 400 Nm, also die identische Leistung wie beim S3 von 2016 (dem letzten Facelifting der dritten Generation). Gleich nach der Lancierung dieser Auffrischung vor fünf Jahren sahen sich die Audi-Motorentechniker gezwungen, die Leistung wegen strengerer Euro-Normen auf 300 PS zu senken. Die wiedergefundenen Pferdestärken sind natürlich willkommen, dafür entfällt die Wahl des Schaltgetriebes für die jüngste Generation. Die einzig angebotene Kraftübertragung ist das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe. Ebenfalls gekippt wurde die Dreitürenvariante. Den S3 gibtes künftig nur noch als Sportback mit fünf oder als Limousine mit vier Türen.

Das Design des neuen Audi S3 hingegen ist sportlicher denn je. Mit dem weit hinuntergezogenen Haifischmaul, den markanten, seitlichen Lufteinlassöffnungen mit dem gleichen Gittermuster am Bug und dem vom legendären Sport Quattro der 1980er-Jahre inspirierten, dreigeteilten eckigen Schlitz zwischen Grill und Motorhaube könnte die Rakete im Taschenformat das Blut jedes Rennsportfans zum Siedepunkt bringen. Der Heckdiffusor mit den traditionellen, S-Modell-typischen vier Auspuffendrohren schlägt in die gleiche Kerbe. Die Frage ist nur, ob der S3 auch halten kann, was der rassige Auftritt verspricht.

Grosse Spreizung

Die bisherigen S3 waren schon immer voll alltagstauglich. Sie boten Leistung satt, gaben sich aber in jeder Situation äusserst gesittet. Auch in der jüngsten Auflage bleibt der noble kleine Flitzer dieser Linie treu. Nehmen wir das Urteil gleich vorweg: Der Neue weicht nicht von seiner Erfolgsformel ab. Das Fahrerlebnis im S3 ist von der gleichen Leichtigkeit geprägt, die bereits seine Vorgänger auszeichnete. Die Kennlinien für Lenkung, Motor- und Getriebesteuerung und variable Stossdämpfer, aber auch der Sound der Auspuffanlage können individuell den Fahrerwünschen angepasst werden. Es lässt sich zwischen den Modi Komfort, Normal, Sport und Individuell wählen. Besonders beeindruckt hat der S3 mit der Tatsache, dass er seinen Charakter für lange Reiseetappen, gleichzeitig aber auch für das Räubern auf Passstrassen, anzupassen versteht.

Der Audi kann mit irren Geschwindigkeiten bewegt werden, am Lenkrad kommt dabei nie Hektik auf. Ein Hauptgrund dafür liegt bei der hervorragenden Traktion des Quattro-Allradantriebs mit Haldex-Viscokupplung. Selbst beim Fahren mit dem Messer zwischen den Zähnen arbeiten Motor und Getriebe harmonisch zusammen, an seine Grenzen kommt der Antrieb erst, wenn man im tiefen Schnee unterwegs ist. Der Vierzylinder-Turbo bietet bulligen Durchzug und dreht willig hoch, seine Leistungsabgabe ist sehr gleichmässig. Das erleichtert dem Getriebe seine Aufgabe, die Räder drehen nie durch. Akustisch fällt der Motor am stärksten durch seinen leisen Lauf auf, was bei einem so sportlichen Wagen als leichte Enttäuschung zu verbuchen ist.

Fahrwerk ohne Fehl und Tadel

Zum Glück ist da ein vorbildliches Fahrgestell, das die Ehre des S3 zu retten weiss. Das sportliche Modell ist gegenüber dem A3 straffer abgestimmt und um 15 Millimeter tiefergelegt. Das Fahrverhalten ist die wahre Freude: Das Auto liegt satt in der Kurve, die Karosserie weist beinahe keine Seitenneigung auf, schnelle S-Kurven werden genauso souverän gemeistert wie enge Spitzkehren. Die Lenkung ist direkt und präzise, nur Rückmeldung bietet sie nicht viel. Auch in diesem Bereich haben die Audi-Ingenieure für unseren Geschmack etwas zu viele Filter eingebaut. Diese Sanftheit steht diametral zu den vielen sportlichen Attributen des Ingolstädters.

Der S3 appelliert an die linke Gehirnhälfte, die Emotionen bleiben im kühlen Bereich. Das bedeutet auch, dass dieses Modell vielseitig, alltagstauglich und sparsam ist. Der Wagen will am liebsten zurückhaltend und vorausschauend gefahren werden. Eine weitere Stärke des S3 ist der Komfort. Für einen Sportler ist das Schluckvermögen der Stossdämpfer sehr ansehnlich. Zieht man die Hot-Hatch-Modelle des C-Segments (Renault Megane R. S. oder Honda Civic Type R) zum Komfortvergleich bei, fühlt sich der S3 geradezu fürstlich an. Wie angedeutet, finden selbst Sparfüchse Gefallen am kompakten Audi: Auf der AR-Normrunde ermittelten wir ­einen Verbrauch von 7.2 l/100 km. Und wir sprechen von einem 310 PS starken Eiltransporter, der gemäss unseren Messungen den Sprint von 0 auf 100 km/h in 5.3 Sekunden bewerkstelligt – mit Winterreifen, notabene.

Kunststoffe und Leder

Eine gute Meldung zum Interieur: Anders als bei Konkurrent Volkswagen legen die Verantwortlichen bei Audi noch immer hohen Wert auf althergebrachte Bedienmöglichkeiten. Für wichtige Funktionen wie etwa die Heizung und Klimaanlage findet man im Audi S3 nach wie vor physische Schalter. Nur schade, dass einige der Knöpfe nachts nicht hinterleuchtet sind. Das ist ein ungewohnter ergonomischer Ausrutscher bei der Vier-Ringe-Marke. Die beiden Bildschirme für die Instrumentierung und das Infotainmentsystem überzeugen mit ihrer Logik und mit einer hohen Auflösung. Der gut zu erreichende, unterhalb der sechseckigen Lüftungsdüsen platzierte Mittelbildschirm wird nicht mehr über den Metall-Joystick angesteuert, sondern reagiert auf Berührung. Für die Bedienung während der Fahrt ist das nicht unbedingt von Vorteil.

Ein anderer Kritikpunkt betrifft die harten Kunststoffe. Audi verwendet sie häufiger als im Vorgänger, etwa in den Türverkleidungen und im unteren Bereich des Armaturenbretts. Das billige Plastik lenkt von der ausgezeichneten Verarbeitung und von den hochklassigen Akzenten wie etwa den Kreuznähten der lederbezogenen Schalensitze ab. Apropos Sitze: Für unseren Geschmack sind diese eine Spur zu hoch positioniert (mindestens 41 cm über der Fahrbahn). Im übrigen entspricht der Innenraum mit genügend Kniefreiheit hinten (9–42 cm) und einem Gepäckraumvolumen von 325 bis 1145 Liter dem Klassendurchschnitt.

Testergebnis

Gesamtnote 75.5/100

Antrieb

Der unermüdliche 2.0 TFSI in Verbindung mit dem leistungsstarken DKG ist eine Kombination, die sich nicht mehr beweisen muss. Schade allerdings, dass Audi das manuelle Getriebe nicht mehr anbietet.

Fahrwerk

Der Audi S3 erwies sich als überraschend komfortabel – für einen Sportwagen, versteht sich.

Innenraum

Im Inneren hätte man bei der Auswahl der Materialien mehr Sorgfalt walten lassen können. Aber die Wohnlichkeit ist guter Durchschnitt.

Sicherheit

Mit einem Ergebnis von über 80 Prozent bei den Erwachsenen- und Kinderschutztests schneidet der Audi S3 gut ab und erhält dafür eine Fünf-Sterne-Bewertung von EuroNCAP.

Budget

Hier liegt die Krux: Der S3 kostet mehr als 60 000 Franken, im Falle des Testwagens waren es sogar 76 187 Franken.

Fazit 

Gefiltert und entschlackt sind Begriffe, die sich zur Beschreibung des neuen Audi S3 aufdrängen. Das mag für die hartgesottenen Sportfans ein vernichtendes Urteil sein, reiferen Käufern sind solche Tugenden bei diesem schnellen und sparsamen Kompaktwagen hingegen höchst willkommen. Immer vorausgesetzt, dass die Interessenten über die nötigen Mittel verfügen – die Preise starten bei 60 100 Franken.

Die technischen Daten und unsere Testdaten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der AUTOMOBIL REVUE.

1 Kommentar

  1. “ Akustisch fällt der Motor am stärksten durch seinen leisen Lauf auf, was bei einem so sportlichen Wagen als leichte Enttäuschung zu verbuchen ist.“ ist ein Beispiel von immer wieder anzutreffenden AR-Testberichten, wo ich wirklich einfach den Kopf schütteln kann. Ihr seid ja wohl voll hinter dem Mond? Normale Strassen sind da, um sich gesittet, komfortabel und energieeffizient von A nach B zu bewegen. Sport macht man am besten mit einem Velo, als Läufer, Kletterer, Skitourerfahrer, Wanderer – aber bitte – in der heutigen Zeit – nicht mit einem Auto auf unseren normalen Strassen.

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