Der Strom ist in der Stadt überall. Auch als Energie für die verschiedenen Verkehrsträger. Die Elektroautozunft hat ihre Effizienz bei tiefen Geschwindigkeiten und im Stop-and-go-Verkehr in den Zentren und Vorstädten unter Beweis gestellt. Strengere Umweltauflagen motivierten die Hersteller in den vergangenen Jahren, die Elektrifizierung voranzutreiben. Renault ist bereits seit 2013 mit dem Zoe vertreten, zu dem sich jetzt der neue Hybridkleinwagen Clio E-Tech gesellt.
Der französische Stadtflitzer läuft in seiner fünften Generation vom Band. Der Hybrid ist neu und muss sich unter anderem mit dem Pionier der Gattung, dem Toyota Yaris, messen. Aber auch der Honda Jazz hat bereits zehn Jahre Erfahrung mit der Elektrifizierung gesammelt. Honda geht in der Schweiz gar soweit, für die vierte Generation des Kleinwagens nur noch den Hybrid zu importieren. Hat der Franzose also überhaupt eine Chance gegen den ausgereiften Japaner?
Kaum Kinderkrankheiten
Trotz – oder gerade wegen – der späten Markteinführung lässt sich der Clio bei den Technologien nicht lumpen, die Marketingabteilung erwähnt stolz den Technologietransfer aus den Hybridrennwagen der Formel 1. Etwas Skepsis bezüglich einer direkten Verbindung zwischen Clio E-Tech und R.S. 20 ist allerdings angebracht.
Heisse Luft der Marketingstrategen hin oder her, der Clio E-Tech bietet ein Hybridsystem, welches dem des Honda Jazz sehr ähnlich ist. Beide setzen je auf eine grosse und einen kleine Elektromaschine zur Unterstützung des Verbrennungsmotors. Und beide verwenden eine Lithium-Ionen-Batterie zur Speicherung der Energie aus der Benzinnutzung und aus der Rekuperation.
Die Systeme von Renault und Honda mögen dem gleichen Prinzip folgen, die Kräfteverteilung ist aber ganz eine andere. Da ist etwa die grössere der beiden Elektromaschinen, die im Honda Jazz 109 PS leistet; beim Franzosen beschränkt sich diese auf 49 PS. Das ist besonders bemerkenswert, weil die E-Maschine beim Honda gar stärker ausfällt als der 1.5-Liter-Benziner mit seinen 97 PS! Ganz klar also: Der kleine Japaner sieht den Verbrennungsmotor zur Unterstützung des Elektroantriebs vor und nicht umgekehrt. Das fällt beim Anfahren auf, wenn der Vierzylinder lärmig und mit konstanter Drehzahl auf sich aufmerksam macht, weil er nicht die Vorderräder antreibt, sondern zum Laden der Batterie eingesetzt wird. Im Stadtverkehr arbeitet der Japaner rein elektrisch.
Der Clio fährt bei niedrigen Geschwindigkeiten (bis 70 km/h) ebenfalls bevorzugt mit Strom, der Benziner schaltet sich aber zu, wenn der Fahrer mit schwererem Gasfuss mehr Leistung abruft.
Beim Vergleich der Datenblätter scheint das i-MMD des Honda dem E-Tech von Renault überlegen zu sein. Aber was hat man von den raffiniertesten Systemen, wenn sie im Fahrbetrieb nichts bringen? Auf der AR-Normrunde schnitten die Konkurrenten mit 4.8 l/100 km für den Clio und 4.7 l/100 km für den Jazz quasi gleich gut ab. Dabei verfügt der Franzose über 140 PS. Das sind 31 PS mehr als der Japaner, was auf der Autobahn und bei schneller Fahrweise einen deutlichen Unterschied ausmacht.
Nutzwert gegen Eleganz
Aber der Renault ist nicht nur wegen seines überlegenen Antriebs ein angenehmer Reisebegleiter. Die Fahrwerksabstimmung des Clio ist sportlicher, während der Jazz dem Komfort Priorität einräumt. Der durchdachte Innenraum ist eine weitere Visitenkarte des Japaners. Das fängt schon mit der hervorragenden Übersichtlichkeit an, betrifft aber vor allem die unschlagbare Flexibilität des Gepäckraums. Keiner der Konkurrenten in dieser Klasse kann dermassen vielseitig eingesetzt werden. Das ist der Verdienst der Magic Seats, bei denen die Sitzfläche der Rückbank angehoben werden kann, um einen riesigen Stauraum zu schaffen. Da kann der Renault zwar nicht mithalten, er spielt aber die Trumpfkarte eines gepflegten Interieurs mit hochwertigen Materialien aus, in dem LEDs für ein schönes Ambiente sorgen.
Der Honda spricht vor allem Leute an, die den Nutzwert hoch einstufen. Der etwas weniger praktische, aber modernere Renault überzeugte unsere Redaktoren hingegen mit seinen dynamischen Fahreigenschaften und seiner hochklassigen Ausstattung.
Innenraum: Von praktisch bis elegant
Trendiges Pariser Café oder einfache Mönchszelle? Die unterschiedlichen Philosophien der beiden Kleinwagen fallen auf den ersten Blick auf. Das Interieur des Renault Clio gibt sich für ein Modell eines Grossherstellers ungewohnt schick, deutlich schicker, als dies bei früheren Generationen der Fall war. Die Entwickler des Honda Jazz liessen sich von der Design-Philosophie «Yoo no bi» leiten, der japanischen Sichtweise, dass die Schönheit eines Alltagsgegenstandes in dessen Einfachheit und Nützlichkeit liegt. Der Kontrast zur LED-Ausleuchtung und der Chromzier des Clio könnte grösser nicht sein.
Das Interieur des Jazz wird von klaren Formen und neutralen Farben geprägt, hier und da aufgelockert von weissen Blenden. Die Maxime war offensichtlich: Alles soll so praktisch wie möglich gestaltet werden. Der Fahrer muss sich nie verrenken, um Anzeigen abzulesen oder Schalter zu finden. Genügend Ablagen und Fächer sorgen dafür, dass kein Stress aufkommt. Alles ist in Sicht und in Griffnähe, die Ergonomie ist ausgezeichnet.
Um das Sichtfeld steht es nicht nur im Innenraum zum Besten, sondern auch beim Blick durch die riesige Windschutzscheibe und auf die Seiten. Der Honda hat zwei-geteilte A-Säulen, die somit viel schmaler gehalten werden können. Das lichtdurchflutete Interieur vermittelt den Eindruck von viel Platz – und das ist nicht nur subjektiv: Gerade auf den Rücksitzen fällt das Platzangebot mit mindestens 23 Zentimetern Kniefreiheit besonders üppig aus. Vor allem sind da aber die hinteren Magic Seats, mit denen sich der Honda Jazz in der Variabilität von allen Gegnern absetzt. Die Bestnote verpasst er nur, weil sich der Gepäckraum (304 l) nach dem Umklappen der Rücksitzlehnen nicht ganz flach präsentiert.
Honda wählte bewusst ein nüchternes Innenraumdesign, aber wir fanden es doch zu spartanisch. Moniert haben unsere Tester auch die teils billig wirkenden Kunststoffe und das Fehlen auflockernder Farbakzente.
Viel mehr Stimmung kommt beim Einsteigen in den Clio auf. Der Franzose ist nicht unbedingt extravagant, aber die Insassen fühlen sich einfach wohl. Wir hatten Freude an den sanften Kurven des Armaturenbretts, den Kunstledereinlagen und den programmierbaren LEDs. Alle Oberflächen machen einen soliden Eindruck. Renault hat zudem hart an der Ergonomie gearbeitet, einem der Hauptkritikpunkte beim Vorgänger. Der Tempomat ist jetzt nicht nur für Ausserirdische, sondern auch für Erdenbewohner verständlich, alle seine Funktionen sind tatsächlich schön beieinander in der gleichen Lenkradspeiche angeordnet. Nur bei der Radio-bedienung für Lautstärke und Senderwahl liessen sich die Franzosen nicht belehren: Diese Schalter sind noch immer hinter dem Lenkradkranz versteckt.
Das Ansteuern des Easy-Link-Infotainmentsystems (mit senkrecht verbautem 9.3-Zoll-Bildschirm) ist nicht besonders intuitiv, aber das macht der Jazz (9 Zoll) auch nicht besser. Der japanische Hersteller hat die Grafiken von Honda Connect verbessert, die Bedienung bleibt aber umständlich bis unverständlich, das System im Renault wirkt moderner. Beide Autos haben Smartphone-Schnittstellen für Android Auto und Apple Car Play, eine Induktionsladung findet man nur im Clio.
Der Franzose punktet mit einem wohnlichen Ambiente, hochwertigen Materialien und genügend Platz für Fahrer und Beifahrer. Hinten sitzt man wegen der mangelnden Kniefreiheit beengt. Der Rückraum im Honda ist geräumiger. Beim Kofferraumvolumen von rund 300 Litern schenken sich die Konkurrenten nichts, allerdings ist der Jazz viel praktischer und schluckt bei umgeklappten Rücksitzen deutlich mehr als der Clio (1200 l gegenüber 1060 l)
Auf der Strasse zählt der Komfort
Hybrid und Sportlichkeit gehen in den wenigsten Fällen Hand in Hand, das gilt auch für diese beiden Drei-Motoren-Autos. Mit den 140 PS des Clio oder den 109 PS des Jazz zündet man kein Feuerwerk. Der Sprint von 0 bis 100 km/h dauert in beiden Fällen etwa zehn Sekunden. Allerdings fühlen sich die Hybridmodelle deutlich kräftiger an, als sie es eigentlich sind, wenn die Ampel auf Grün wechselt. Im Nu steht man an der nächsten Kreuzung. Wie ist das möglich? Der Zauber kommt von den Elektromotoren mit ihrem stets abrufbaren Drehmoment. Der spontane, kräftige Durchzug ist im Alltag immer spürbar. Das erklärt auch, weshalb der Jazz trotz seiner geringeren Höchstleistung im Stadtverkehr besser motorisiert scheint: Er verfügt über ein höheres Drehmoment von 253 Nm (Clio 205 Nm).
Im Stadt- und Agglomerationsverkehr agieren der Japaner und der Franzose vorwiegend als Elektroautos. Im Clio schaltet sich der Verbrennungsmotor nur zu, wenn der Fahrer energisch aufs Gaspedal tritt. Auf Landstrassen verhalten sich die beiden Rivalen dann aber unterschiedlich. Im Clio arbeiten die Motoren harmonisch zusammen, die beiden Elektromotoren verpassen dem 1.6-Liter-Vierzylinder mehr Schub. Der Jazz folgt einer anderen Logik. Der Benziner schaltet sich bei etwa 50 km/h zu, lädt dabei aber nur die Batterie nach. Der Wagen fährt weiterhin ausschliesslich mit Strom. Einzig auf der Autobahn wird der 1.5-Liter für den Vortrieb eingesetzt, und er tut das dann allein. Honda findet, der Elektroantrieb sei im oberen Tempobereich nicht genügend effizient. Das bedeutet, dass der Japaner für Autobahnetappen mit den 98 PS des Vierzylinder-Benziners auskommen muss. Diese Leistung ist etwas knapp, und Beschleunigen und Überholen werden zur Geduldsprobe. Der Clio fühlt sich auf der linken Spur viel wohler. Mitschwimmen im Verkehr ist kein Problem.
Allerdings würden wir keinen der beiden als Reisewagen für lange Autobahnfahrten empfehlen, denn sie machen viel Lärm. Und wenn dennoch einmal Langstrecken anfallen, dann erweist sich der aktive Spurhalteassistent als nützliche Ausstattung. Beim Jazz war diese Fahrhilfe besser abgestimmt als das rudimentäre System im Clio. Honda und Renault filtern Strassenunebenheiten ganz ordentlich weg, aber der Franzose vermag darüber hinaus auch noch etwas Fahrspass zu bieten. Dazu passt bestens, dass die Lenkung des Clio mehr Rückmeldung zum Verhalten der Vorderräder über das Lenkrad kommuniziert. Alle Mitglieder des Testteams waren sich einig, dass der Franzosen die Kategorie Fahrwerksabstimmung für sich entscheidet.
Budget
Die beiden Konkurrenten treten in einer Klasse an, in der selbst ein geringer Preisunterschied kaufentscheidend sein kann. Die Ausgangslage spricht für den Honda, dessen Grundmodell mit 23 900 Franken etwas weniger kostet als der Renault mit 24 200 Franken. Der Preisvorteil des Jazz bleibt beim Aufrüsten auf die nobleren Ausstattungen mit einem Höchstbetrag von 31 350 Franken gegenüber 31 650 Franken für den Franzosen ähnlich. Will der Honda-Kunde aber, wie bei unserem Testwagen, die Version Crosstar in Pseudo-SUV-Aufmachung, dann klettert der Mehrpreis für den Jazz auf mehr als 2000 Franken.
Wir finden übrigens die simple Aufpreisliste bei Honda viel sympathischer. Der Käufer kreuzt das Ausstattungspaket, Metalliclackierung und bei Bedarf noch einen Satz Gepäcknetze an, das wars dann auch schon. Das Konfigurieren des Clio macht viel mehr Arbeit, der Preis klettert mit jeder Option unweigerlich nach oben. Dennoch ist man bei Renault noch meilenweit von der teilweise dreisten Aufpreispolitik gewisser deutscher Premiummarken entfernt.
Der Kaufpreis ist aber nur ein Posten in der Kostenrechnung. Die Betriebskosten dürfen nicht übersehen werden, und zu denen steuert der Verbrauch einen guten Teil bei. Unsere Messungen der beiden Gegner ergaben einen Quasi-Gleichstand bei 4.7 bis 4.8 l/100 km. Interessant ist hingegen, dass der Toyota Yaris Hybrid (AR 1-2/2021) auf unserer Normrunde mit 4.3 l/100 km deutlich besser abschnitt. Im Vergleich zwischen dem Clio und dem Jazz kann der Renault kostenmässig nicht zum Honda aufholen. Der Japaner dürfte das Rennen machen, wenn die Interessenten auf jeden Rappen schauen, den praktischen Nutzen schätzen, sich aber von modernster Technik nicht beeindrucken lassen. Die findet man dafür beim Franzosen, etwa mit der Induktionsladungsmöglichkeit für das Smartphone, die 360-Grad-Kamera mit Vogelperspektive oder den Bose-Lautsprechern. Aus diesem Sichtwinkel spielt der Preisunterschied kaum noch eine Rolle. Zumal die Technikfans ihre Gadgets einzeln bestellen und auf anderes verzichten können.
Testergebnis Renault Clio E-Tech | Honda Jazz e:HEV
Gesamtnote 78.5/100 | 75.5/100
Antrieb
Renaults erster Versuch eines Hybrids ist gelungen, die drei Motoren (zwei davon sind elektrisch) laufen ruhig und harmonisch. Der Verbrauch steht im Einklang damit.
Der Honda Jazz glänzt mit einem ausgeklügelten Hybridsystem, das die elektrische Fahrzeit maximieren soll. Während der Japaner in der Stadt glänzt, hinkt er auf der Landstrasse hinterher.
Fahrwerk
Der Clio lässt sich mit Biss und Präzision in die Kurven werfen, ohne dass der Komfort darunter leidet. Er macht mehr Spass beim Fahren als sein Konkurrent.
Komfort und vor allem Bequemlichkeit. Der Japaner isoliert die Insassen zwar ordentlich von der Strasse, schafft es aber nicht, so viel Fahrspass zu bieten wie der Clio.
Innenraum
Die Materialqualität und die Ergonomie des Clios wurden im Vergleich zum Vorgänger stark verbessert. An der Ausstattung gibt es nichts auszusetzen.
Wer viel Platz braucht, für den Jazz ist das richtige Auto. Das Platzangebot ist hervorragend, ebenso wie die Modularität und die Übersichtlichkeit. Schade, dass die Aufmachung ziemlich langweilig wirkt.
Sicherheit
Ein aktiver Spurhalteassistent ist an Bord, aber er funktioniert ziemlich rudimentär. Eine 360-Grad-Kamera erleichtert das Manövrieren.
Die Assistenz- und Sicherheitssysteme sind umfassend und funktionieren für dieses Segment bemerkenswert gut.
Budget
Der Renault Clio E-Tech startet bei 24 200 Franken, unser Testwagen kam auf 31 650 Franken zu stehen. Das ist mehr als für den Jazz, aber mit dem Franzosen erhält man auch mehr für sein Geld.
Preislich liegt der Honda Jazz etwa im Durchschnitt des Kleinwagensegments. Die Skala reicht von 23 900 Franken für die Basisversion bis zu 31 350 Franken für die Vollausstattung.
Fazit
Bei dieser Hybridversion des Clio stehen alle Ampeln auf Grün. Das französische Auto verführt in Sachen Dynamik, Alltagstauglichkeit, Sicherheit und Konnektivität. Der Innenraum ist nicht so grosszügig wie der des Klassenprimus Honda Jazz, aber immer noch geräumig genug. Der Clio E-Tech bietet ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis.
Der Honda Jazz ist ein kleines Juwel der Technik, auch wenn sich dieser Vorteil in Zahlen nur bedingt niederschlägt. Der Japaner zeigt sich in der Stadt von seiner besten Seite, wo er fast wie ein Elektroauto unterwegs ist. Ausserorts stösst der Antrieb an seine Grenzen. Das Platzangebot und der Komfort gehören zu den besten im Segment.
Die technischen Daten und unsere Testdaten zu diesen Modellen finden Sie in der gedruckten Ausgabe der AUTOMOBIL REVUE.