Stellantis – die Herausforderungen des Neubeginns

Mit der Fusion von PSA und FCA zu Stellantis können die Chefs der weltweit viertgrössten Automobilgruppe endlich Ordnung in die riesige Menge an Motoren, Plattformen und Marken bringen.

Bereits vor über einem Jahr wurde die Vereinbarung unterzeichnet, nun haben auch die Aktionäre zugestimmt: FCA und PSA vereinen sich.

Mehr als ein Jahr nach Unterzeichnung der Vereinbarung am 18. Dezember 2019 werden die Unternehmen FCA und PSA nun nach der Zustimmung der Aktionäre beider Gesellschaften per 16. Januar 2021 in einem Unternehmen vereint. Damit entsteht der weltweit viertgrösste Autobauer, die beiden Unternehmen haben 2019 zusammen 8.1 Millionen Fahrzeuge verkauft. Carlos Tavares und seine Teams können sich fortan den zahlreichen Herausforderungen stellen, die den neuen Stellantis-Konzern erwarten. Der Portugiese, bis anhin CEO von PSA, wird in der neuen Gruppe die Rolle des Geschäftsführers einnehmen. Sein Pendant bei FCA, Mike Manley, wird für die Geschäfte von Stellantis in Amerika zuständig sein.

Die Herausforderungen, die den 62-jährigen Manager an der Spitze von Stellantis erwarten, sind gross. Die Gruppe leidet unter den vielen Niederlassungen mit Überkapazitäten in der Produktion. Autonews Europe zitiert Zahlen des Beratungsunternehmens LMC, wonach sich die Überkapazität von Stellantis auf vier Millionen Fahrzeuge beläuft. Das FCA-Werk in Cassino (I) kann theoretisch 1000 Autos pro Tag herstellen. Im Jahr 2020, das von Corona geprägt war, wurden allerdings nur rund 53 000 Fahrzeuge produziert. Derzeit versichern die Geschäftsführer der neuen Gruppe, dass die beabsichtigten Kosteneinsparungen von fünf Milliarden Euro dank Synergien und ohne Werkschliessungen erreicht werden könnten. 

Dazu gesellt sich der chinesische Markt, der für beide Gruppen eine Problemzone ist. In den letzten Jahren brachen die Verkäufe von FCA und PSA in China ein. In den ersten neun Monaten des Jahres 2020 verzeichnete das Gemeinschaftsunternehmen PSA-Dongfeng einen Verkaufsrückgang von 60 Prozent (kaum 40 000 verkaufte Fahrzeuge), während FCA-GAC im selben Zeitraum 27 000 Jeep verkaufte. In Anbetracht dessen, dass der chinesische Markt in normalen Zeiten rund 21 Millionen Fahrzeuge absetzt, sind diese Zahlen lächerlich. Dennoch wird es eine der ersten Aufgaben von Tavares sein – so wie 2014, als er die Spitze der PSA übernahm –, wieder Ordnung in Marken, Modelle und Motoren zu bringen.

Ein Portfolio von 14 Marken verwalten

Abarth, Alfa Romeo, Citroën, Fiat, Maserati, Opel, Peugeot und viele mehr: Nicht weniger als 14 Automarken sind unter dem Dach von Stellantis vereint, 15 sogar, wenn man Fiat Professional (Nutzfahrzeuge) dazu zählt. Und Ferrari ist nicht einmal Teil dieser Aufstellung, denn Sergio Marchionne spaltete das Kronjuwel bereits 2015 von der FCA-Gruppe ab. Aber auch ohne das steigende Pferd verfügt das Automobilkonsortium insgesamt über mehr Automarken als die VW-Gruppe, die zwölf Marken vereint. Dieser Prestigeerfolg bringt jedoch auch Probleme mit sich. Es ist schwierig, so viele Marken bei den Kunden zu differenzieren. Einige Marken wie Jeep verfügen über eine gut etablierte Identität, andere hingegen könnten in einen Konflikt geraten. Stellantis vereint tatsächlich ein ganzes Bündel an Massenautomobilen wie Citroën, Fiat, Opel-Vauxhall, Lancia und Peugeot. Sicherlich wird Tavares die Möglichkeit haben, die Produktionskosten auf Millionen zusätzliche Fahrzeuge zu verteilen, doch müssen auch eine Identität und eine Preispositionierung gefunden werden, die es rechtfertigen, so ähnliche Marken wie Fiat und Citroën beizubehalten. Dies wird den Geschäftsführern von Stellantis noch einiges an Kopfzerbrechen bereiten. Zudem löst die Tatsache, dass einige Marken klar auf dem Markt positioniert sind, nicht alle Probleme. Stellantis verfügt über Marken wie Alfa Romeo, DS (Premium) und Maserati (Luxus), die chronisch in Schwierigkeiten stecken

Plattformen müssen rationalisiert werden

Die (Neu-)Positionierung der Marken geht mit der Rationalisierung der Plattformen und der Antriebssysteme einher. Das war übrigens eine der einschneidenden Massnahmen des Sanierungsplans Back in the Race, den Carlos Tavares 2014 bei PSA präsentierte. Die Idee war es, die Anzahl Plattformen bis 2022 für alle Regionen der Welt von sieben auf zwei zu reduzieren: auf CMP (Common Modular Platform) und EMP2 (Efficient Modular Platform 2). Aktuell werden für die Fahrzeuge der PSA-Gruppe neun Plattformen verwendet, aber es ist so gut wie sicher, dass die GM-Architekturen mit dem Ruhestand der entsprechenden Opel-Modelle verschwinden werden.

Die Fusion mit FCA hat Tavares allerdings 14 neue Plattformen beschert. Auch wenn es ein Leichtes für ihn sein wird, End-of-life-Plattformen wie Compact (Alfa Giulietta), Small (Fiat Qubo und Doblo), LX (Dodge Charger/Challenger) und RT (Dodge Grand Caravan) zu streichen, gestaltet sich die Aufgabe bei den anderen schwieriger. Alles spricht dafür, dass die Plattform CMP weltweit für alle Fahrzeuge des B-Segmentes der neuen Gruppe genutzt wird, da sie die neuste (2018) aller Plattformen ist. Auf dieser Basis könnte also ein neuer Fiat Punto entstehen. Ein weiterer Vorteil der CMP-Architektur ist die Möglichkeit, Elektrifizierung zu integrieren. In den höheren Segmenten dürfte sich die EMP2, die bereits weitläufig eingesetzt wird, auf die Modelle der FCA-Gruppe ausbreiten. Es wird gemunkelt, dass Alfa Romeo die Architektur des Jeep Compass (Small Wide), die ursprünglich für den Tonale vorgesehen war, aufgeben und auf die EMP2 umschwenken könnte, die bereits dem Peugeot 3008, dem Citroën C5 Aircross und dem Opel Grandland X dient. Ein Aspekt bremst die Verbreitung der Plattform EMP2 jedoch: Sie ist nicht für einen mechanischen Allradantrieb (mit Hinzufügen eines Elektromotors auf der Hinterachse) geeignet. Tavares muss daher eine langfristige Lösung für Jeep finden. Die amerikanische Marke – Aushängeschild der FCA-Gruppe – ist eng mit dem mechanischen Allradantrieb verbunden. In den höheren Segmenten (Grossraumlimousinen und Limousinen) kann man davon ausgehen, dass die neueste Plattform Giorgio (aktuell für die Alfa Romeo verwendet) mit den notwendigen Anpassungen weiterbesteht. Übrigens findet man diese Plattform unter dem brandneuen Jeep Grand Cherokee (s. Seite 8).

29 Motoren sind zu viele

Die Gruppe zählt nicht weniger als 29 verschiedene Motoren. Die Mehrheit stammt von FCA. Tavares hat tatsächlich die Zahl der weltweit von PSA genutzten Motoren auf acht reduziert. Das Schlaue daran: Ein und derselbe Motor ist in der Lage, ganz unterschiedliche Leistungen zu erzeugen und damit eine möglichst breite Nutzung abzudecken. Der 1.6-Liter-THP-Motor entwickelt je nach Modell 98 bis 272 PS!

Die FCA-Gruppe verfügt über viele Redundanzen, etwa bei den 1.6- bis 2-Liter-Motoren: den Global Medium Engine des Alfa Romeo, den E.torq des brasilianischen Jeep Renegade und den World Gasoline Engine des chinesischen Jeep Renegade/Cherokee. Dazu kommen grosse amerikanische Triebwerke, die die Gruppe für den US-Markt behalten sollte. Bei den 1.6-Liter-Motoren und den kleineren Motoren haben die französischen Antriebssysteme gute Karten, um zu expandieren. Sie treten mit den neusten Firefly-Motoren von FCA (2017) in Konkurrenz. Das ist nur ein Dilemma unter vielen, die Tavares lösen muss. Der Portugiese weiss auch, dass er nicht zu viele Antriebe wegrationalisieren darf, da bestimmte Motoren von Natur aus mit der Identität einer Marke verbunden sind (der V8 Hemi mit Dodge/Chrysler oder der V6 mit Maserati). Der Hobbyrennfahrer weiss, dass das Auto Leidenschaft bleibt.

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