Durchbruch bei der Batterieforschung?

Auf dem Weg zur vollelektrischen Mobilität gibt es noch einige Hürden zu nehmen. Festkörperbatterien sollen viele ­Probleme lösen und in völlig neue Dimensionen vordringen.

Elektromobilität gewinnt immer mehr an Einfluss, und an Wert.

Es sind Dinge, die wir gewohnt sind und auf die wir kaum verzichten mögen: schnelles Auftanken, auch im tiefen Winter bei deutlich zweistelligen Minustemperaturen, und zwar egal, ob das Auto fünf, zehn, oder zwanzig Jahre alt ist. Im Sommer das gleiche Spiel, es soll funktionieren, auch wenn das Thermometer in den 30er-Bereich steigt. Besonders wichtig ist neben der Funktion dann aber vor allem auch der Preis.

All diese Dinge nehmen wir noch nicht einmal bewusst als Anforderungen an ein Auto wahr, denn sie waren bislang schlicht und einfach selbstverständlich. Mit dem Wechsel auf lokal abgasfreie Mobilität, die aus der Kraft der Batterie gespeist wird, steht das bisher Bekannte plötzlich kopf, Selbstverständliches wird zu etwas Besonderem. Natürlich darf man sich die Frage stellen, ob man Reichweiten jenseits der tausend Kilometer braucht. Ob man eine Höchstgeschwindigkeit, vor allem aber eine konstante Reisegeschwindigkeit jenseits der 120 km/h braucht. Ob ein Allradantrieb wirklich immer nötig ist. Überhaupt: Ob man so viel Eventualbedarfsmobilität braucht. Es sind Fragen, die schnell hoch politisch und noch viel schneller hoch emotional beantwortet werden. Darum soll es hier nicht gehen, viel mehr um das, was die batterieelektrische Mobilität sprichwörtlich an Potenzial birgt.

Überirdischer Börsenwert

Ein spannender Indikator für das, was möglich ist, sind seit jeher nicht nur die Versuchswerkstatt und das Entwicklungslabor, sondern auch das Börsenparkett. Und die Träume der Analysten sind derzeit grenzenlos. Tesla wird aktuell mit 728 Milliarden US-Dollar bewertet. Um das ins Verhältnis zu setzen: Das ist mehr als Toyota (215 Mrd.), VW (105 Mrd.), GM (62 Mrd.), Daimler (60 Mrd.), Stellantis (54 Mrd.), BMW (46 Mrd.), Ford (35 Mrd.), Hyundai-Kia (35 Mrd.) und Renault-Nissan (27 Mrd.) zusammen. Der kleine Hersteller, der die meisten seiner nicht einmal 499 550 in diesem Jahr gebauten Fahrzeuge in einem Zelt zusammengeschraubt hat, ist mehr wert als praktisch die gesamte restliche Branche.

Doch es wird noch spannender. Das amerikanische Start-Up Quantum Scape, aktuell mehr noch Forschungseinrichtung denn Batteriehersteller, wurde noch vor zwei Wochen mit 50 Milliarden bewertet. Was ist an einem Unternehmen, das noch nicht eine Batterie in Serie produziert hat, so besonders, dass es wertvoller wäre als BMW oder etwa Ford? Es ist der Technologieschatz. Vor allem aber die Möglichkeit, dass man mit selbigem einen gigantischen Vorsprung vor der Konkurrenz herausfahren kann.

Umso interessanter ist, dass vor allem einer der alten Bekannten Grund für die Kursrallye von Quantum Scape ist: Volkswagen. Die Deutschen haben vor einiger Zeit 100 Millionen investiert und im vergangenen Jahr noch einmal fast 400 Millionen nachgelegt. Dabei ist VW nicht etwa ein Kursgewinn wichtig, sondern vor allem die exklusive Teilhabe an den Forschungsergebnissen. Denn der Konzern hat sich mit seinem gigantischen Investment das Vorkaufsrecht auf die Quantum-­Scape-Festkörperbatterie gesichert.

Und das junge Team aus dem Silicon Valley verspricht viel. Reichweiten in praktisch beliebiger Höhe, dem Verbrenner locker ebenbürtig. Dazu nachladbar in einer Viertelstunde. Zudem auch bei Minustemperaturen kaum eingeschränkt leistungsfähig, vor allem aber sicher gegen thermisches Durchgehen. Haltbar und zu konkurrenzfähigen Preisen produzierbar soll sie obendrein sein.

Kann das stimmen? Prinzipiell schon, doch wir begeben uns hier tatsächlich in den Forschungssektor, das sollte man bei aller Euphorie immer beachten. Prinzipiell ist das grösste Problem bisheriger Batterien der Austausch von Lithium-Ionen zwischen den Elektroden. Damit Strom durch den Motor fliessen kann, müssen innerhalb der Batterien die positiven Lithium-Atome von der einer zur anderen Elektrode wandern. Für den Wanderpfad nutzt man heute einen flüssigen Elektrolyten, bietet er doch den geringsten Widerstand für das Lithium. Denn geringer Widerstand ist das edelste Ziel der Batterie, erhöht er doch die Leistungsfähigkeit des Systems. Aus diesem Grund sind auch die Separatoren aus mikroporösen Polymeren gefertigt. So können sie trotz ihrer Kernaufgabe, der räumlichen und elektrischen Trennung von Plus- und Minuspol, den Durchgang der Ionen gewährleisten.

Das Ladeproblem lösen

Solange das Wechselspiel der Ionen in geordneten Bahnen abläuft, ist ein moderner Lithium-Ionen-­Akku problemlos beherrschbar. Jedes Lithium-Ion findet seinen Weg durch den Elektrolyten und setzt sich an der gegenüberliegenden Elektrode in ein freies Plätzchen. Schwieriger wird es, wenn man in den Grenzbereich vorstösst. Und damit sind zum Beispiel extreme Ladeleistungen gemeint. Wenn viele Lithium-Ionen auf einmal durch den Elektrolyten wandern, finden sie mitunter an der gegenseitigen Elektrode nicht den richtigen Platz. Stattdessen lagern sie sich an einem schon festsitzenden Lithium-Atom an. Das Ergebnis sind nadelartige Anhäufungen, Dendrite, an der Elektrode. An sich wäre das kein grosses Problem, im begrenzten Bauraum eines Akkus ist das Ergebnis allerdings katastrophal. Die Dendriten durchstossen den Separator, wachsen bis zur anderen Elektrode – und verursachen dort einen Kurzschluss. Es beginnt das thermische Durchgehen. Durch den hohen Kurzschlussstrom entsteht grosse Hitze, diese wiederum lässt den brennbaren Elektrolyten in Flammen aufgehen.

Die Festkörperbatterie unterbindet genau das. Ihr Elektrolyt ist dem Namen entsprechend fest, bildet also eine Art Panzer zwischen den Elektroden. Das verhindert aber nicht nur der Kurzschluss und das thermische Durchgehen, es bieten sich dadurch ganz andere Möglichkeiten der Elektrodenchemie. Bauen bisherige Lithium-Ionen-Akkus meist auf poröse Grafitanoden, in die sich das Lithium bequem einlagern kann, öffnen die Festkörperbatterien die Tür für reine Lithium-Elektroden. Was bisher wegen der Dendritbildung undenkbar war, ist nun in greifbarer Nähe. Mit der Erhöhung des Lithiumanteils steigt auch die Speicherkapazität der Batterie im Allgemeinen – darin liegt also ihr wesentlicher Vorteil begründet. Etwa die doppelte Kapazität soll bei sogar verringertem Platzbedarf möglich sein.

Der Hauptvorteil der neuen Technologie ist, dass die Batterien deutlich mehr Energie auf kleinerem Raum speichern können.

Toyota als neuer Player

Davon spricht auch Toyota. Und die Japaner sind vielleicht die grösste Überraschung auf dem Spielfeld der batterieelektrischen Mobilität, haben sie sich ihrer Hybridtechnik doch gerade deshalb so stark verschrieben, weil sie die derzeitigen Leistungsdaten der Lithium-Ionen-Batterien für untauglich im automobilen Einsatz halten. Doch die Festkörperbatterien schreiben auch in Japan die Gesetze neu.

Dabei hat Toyota höchstselbst vielleicht sogar den grössten Anteil daran. Denn während Quantum Scape etwa 200 Patente auf dem Gebiet der Festkörperbatterien besitzt und mit seinem überschaubaren Team zurzeit eher noch in der Grundlagenforschung und in Labormassstäben unterwegs ist, haben die Japaner kurz vor Jahreswechsel die ganze Welt düpiert. Über 1000 Patente sind im Besitz von Toyota, der erste Prototyp mit der neuen Wunderbatterie soll noch in diesem Jahr auf die Strasse kommen.

Mehr noch, die Japaner haben schon ihre landeseigene Zuliefererindustrie orchestriert, und mit Mitsui Kinzoku, Idemitsu Kosan und Sumitomo Chemical haben drei Industriegiganten ihre Werke zur Produktion der Festkörperelektrolyten im Bau. Dazu kommt, dass Toyota in einem exklusiven Joint Venture mit Panasonic bereits die Massenproduktion der neuen Batterien sichergestellt hat. Ansporn für diese Anstrengungen ist auch ein staatliches Investitionsprogramm. Knapp 20 Milliarden US-Dollar schüttet die japanische Politik für das Programm zur Dekarbonisierung aus, ein Grossteil davon wird auf die Vorherrschaft bei der neuen Batterietechnologie ausfallen. Ein weiterer Schachzug, der für die Ernsthaftigkeit des Projektes Festkörperbatterie spricht, ist die staatliche Unterstützung der Unternehmen bei der Beschaffung von Lithium. Das kritische und seltene Element dürfte also in Zukunft Verhandlungsmasse bei bilateralen Verträgen mit den Japanern sein, damit man die eigene Industrie mit ausreichenden Mengen des Rohstoffs versorgen kann. Denn die Massenproduktion soll 2023 starten, entgegen früheren Plänen, die einen Marktstart erst für 2025 vorausgesehen hatten. Mit dem Verkünden dieser Pläne, vor allem aber den nachgelagerten Fertigungsmöglichkeiten hat Toyota die gesamte Branche überrascht.

Es sind keine hochtrabenden Träume junger Weltverbesserer. Es sind keine gefeierten Keynotes von ikonisierten Managern. Es ist die reale Aussicht auf ein Elektroauto von Toyota. Und das allein ist ein starker Hinweis darauf, dass der Durchbruch in der Batterieentwicklung so gut wie geschafft ist und dass Selbstverständliches auch in Zukunft selbstverständlich bleiben wird. Der Aktienkurs von Quantum Scape gab im Nachhall der Toyota-Ankündigung übrigens um mehr als die Hälfte nach.

Bald der nächste grosse Spieler auf dem Elektromarkt? Das Line-Up von Toyota für den Elektromarkt scheint bereit.

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