Der Entflohene

R.S. Bei Renault heisst R. S. Renault Sport und bezeichnet die sportlichste aller Varianten. Mit dem Trophy setzen die Franzosen zusätzlich noch einen obendrauf. Wir haben diesen stärksten aller Renault mit 300 PS getestet.

Man spürt geradezu, wie sich die orange Farbe in die Netzhaut einbrennt, wenn man sich frühmorgens, noch im Halbschlaf, dem Renault Megane R. S. nähert. Vielleicht steigt dazu sogar ein kleines Rauchwölkchen auf, wie wenn ein Laser am Arbeiten ist. Halbschlaf hin oder her – sitzt man erst einmal auf den Recaro-Sportsitzen, ist jeder Morgendusel de_ nitiv ver_ ogen. Die Arbeit ruft. Nein, nicht im Büro, die kommt später. Die Arbeit am Lenkrad. Denn der Megane mach deutlich, dass er nicht im geringsten Lust verspürt, seinen Fahrer mit möglichst wenig Effort von A nach B zu transportieren. Darum meldet sich der Motor beim Start lautstark, da ändert auch nervöses Herumdrücken am Fahrmodus wenig. Gut, das DKG erlaubt zumindest ein p_ egliches Herausmanövrieren aus der Parklücke, ein Piepser irritiert beim Rückw.rtsfahren, aber man wartet vergeblich auf ein Kamerabild auf dem Monitor im Armaturenbrett – es gibt keine Rückfahrkamera. Schon setzt die Transformation vom Autofahrer zum Piloten ein. Die Sinne werden geschärft, auch für den Blick in den Rückspiegel.

Bekanntes neu erfahren
Wer mit dem Megane R. S. Trophy seine Stammstrecke abfährt – um nicht, weit prosaischer, vom Arbeitsweg zu sprechen –, der wird dieses Stück Strasse auf neue Weise kennenlernen. Zunächst einmal, und da gibt sich der Renault echte Mühe, macht man lückenlos mit der Strassenbeschaffenheit Bekanntschaft. Hier eine kleine Fuge und da ein nicht bündig abschliessender Schachtdeckel, der Megane meldet das willfährig und ohne Zwischen_ lter weiter, selbst wenn man zuvor mit einem anderen Begleiter achtlos darüber hinweggefahren ist. Wer sich nun zu nerven beginnt, hat zwei Möglichkeiten: sofort aussteigen und auf den Bus warten, oder versuchen, um die Bodenunebenheiten herumzufahren. Da wir vermuten, dass sich kaum jemand irrtümlich hinter das R. S.-Lenkrad verirrt, gehen wir davon aus, dass die Fahrt fortgesetzt wird, womit einem weitere Eigenschaften des Megane R. S. Trophy offenbart werden. Die Lenkradkorrekturen scheinen Teil eines grösseren Plans zu sein. Denn das nur gerade in zwei Umgängen untersetzte Lenkrad zeigt schon bei Innerortstempo, welche Präzision und Rückmeldung man von ihm erwarten darf, wenn der Ritt an Geschwindigkeit gewinnt oder, das sollte man sich mit dem R. S. mindestens einmal gönnen, das Ende der Strasse bei einer Einfahrt zur Rennstrecke erreicht wird. Ja, die Piste, sie ist im täglichen Umgang mit den Megane R. S. Trophy irgendwie kaum aus dem Gedächtnis zu tilgen. Und das hat natürlich seine Gründe.

Grenzgänger
R. S., GTI, GSi und wie sie alle heissen – den Sportzusatz verbindet man gemeinhin mit aufgepowerten Alltagsautos. Den Megane könnte man ohne weiteres dazuzählen. Könnte! Doch anders als seine Konkurrenten ist der R. S. nicht am selben Fliessband entstanden wie seine minderen Verwandten, sondern in den heiligen Hallen der Alpine-Fabrik in Dieppe (F) – zwischen Exemplaren der Mittelmotor_ under A110, mit der er den Antrieb teilt. Wen wunderts: Der Renault Megane R. S. Trophy fühlt sich viel kompromissloser auf Sport getrimmt an als mancher seiner Mitbewerber. Es gab kein Weichspülprogramm bei der Entwicklung. Das zeigt sich in der Art, mit ihm umzugehen. Die Bremsen von Brembo haben vorne satte 355 Millimeter und hinten 290 Millimeter Durchmesser. Zur Verringerung der ungefederten Masse, sprich zur Gewichtsreduzierung, trägt deren Kompositkonstruktion aus Aluminium für den Träger und Stahl für die Reib_ äche bei. Die Bremsen verlangen nach einem kräftigen Tritt, beissen dann aber mit Vehemenz zu und sorgen für überdurchschnittliche Verzögerungswerte. Die Stossdämpfer haben einen hydraulischen Anschlag. Dazu gibt es die Allradlenkung 4Control, welche die Agilität in engen Kurven erhöht, bei höheren Tempi aber die Fahrstabilität verbessert, weil sie dann nicht mehr gegen-, sondern mitlenkt. Entkoppelte Achsschenkel an der Federbein-Vorderachse bringen ein agileres Reagieren auf Lenkeinschläge, geschmiedete Alulenker sorgen ebenfalls für weniger ungefederte Masse. Man weiss stets, was abgeht an der Vorderachse und in welcher Richtung man sich mit den Vorderrädern gerade der Haftgrenze nähert. Einmal darüberhinaus geraten, untersteuert der R. S., ganz wie man das von einem Fronttriebler erwarten darf. Wie ernst es Renault mit dem R. S. Trophy in Sachen Sport ist, zeigt auch die Tatsache, dass keine elektronischen Helferlein die an der Vorderachse zerrenden Antriebsmomente zu bändigen versuchen, sondern eine schöne, mechanische Differenzialbremse, die nach dem Torsen- Prinzip arbeitet, lecker! O. k., wir geben es zu, die Sperre ist eine Notwendigkeit. Ganz ungestraft lässt niemand 300 PS respektive 420 Nm Drehmoment einzig der Vorderachse zukommen. Das Sperrdifferenzial hat beim Serpentinenfahren richtig Arbeit und macht sich dann auch mit Zerren am Lenkrad bemerkbar.

Die pure Freude in Leichtmetall: Der R. S.-Motor mit 20 Mehr-PS in der Trophy-Version. Zwei Umgänge von Anschlag zu Anschlag für das Lenkrad mit Alcantara und kaum Schnickschnack im Tableau. Sitze mit Seitenhalt helfen dem Popometer. Kompaktes Display und Primärfunktionen für Klima und Menu über Tasten. Alltagstauglicher Laderaum.

Mit viel Scharf
Der 1.8-Liter-Turbomotor hängt gut am Gas, tönt selbst im Komfortmodus ordentlich und liefert mit den erwähnten 420 Nm – in der DKGVersion – Drehmoment in erschlagender Grösse ab. Entsprechend vehement reisst sich der Renault aus dem Stand nach vorne. Wenn nötig, und dafür wird es nie rationale Gründe, aber ein eminentes, emotionales Bedürfnis geben, hilft einem hierfür die serienmässige Launch- Control. Wem die orange Farbe nicht per Zufall zugeteilt wurde, so wie uns, sondern wer Tonic Orange bewusst gewählt hat – ausser als Dienstwagen des Strasseninspektorats _ nden wir für so viel Auffälligkeit eigentlich kaum Gründe –, der muss, falls nicht sehr charakterstark, vom Umfeld einige Erwartungen befürchten. Ein schlechter Eindruck bei den Mitautomobilisten gelingt zum Beispiel völlig problemlos. Von hinten ansaugen, Blinker stellen und ein Überholmanöver speditiv zu Ende führen: Mit dem Megane R. S. gelingt das locker aus dem Ärmel geschüttelt. Man könnte dadurch als Raser verschrien werden. Oder auf der Rennstrecke einige P-Wagen und andere Blaublüter nerven? Voilà, der Megane R. S. ist ein ideales Werkzeug für Trackdays. Dabei hat es der orange Knallteufel, auf Wunsch gibt es ihn auch in Sirius Gelb, auf der Strasse kaum nötig, mit ungebührlich hohen Tempi die ganze Zunft der Kompaktsportler in Verruf zu bringen. Im Gegenteil. Der Sport- Franzose lässt einen bestens die Geschwindigkeit spüren, auch im legalen Tempobereich. Wie bereits festgestellt, macht er Arbeit, selbst wenn das DSK einem viel davon abnimmt. Ja, das Schaltgetriebe – vielleicht gibt es dereinst einen Anschlusstest mit manueller Schaltbox. Auf der Renault-Preisliste ist sie mit einem Preisvorteil von 1700 Franken verzeichnet. Aber sie vermittelt hohe Dosen an Fahrspass. Und das nicht nur bei Nürburgring-Rekordfahrten – der Renault Megane R. S. Trophy-R ist der aktuelle Rekordhalter für Autos mit Frontantrieb auf dem Ring mit 7:40.1 Minuten –, sondern auch im ganz realen Leben als verantwortungsvoller Verkehrsteilnehmer. Das mag manchen Junglenker schützen und den R. S.-Bestand vor der vorzeitigen Kaltverformung. Dies allerdings auch aus anderen Gründen. Aber genug der blumigen Worte. Der Megane R. S. ist nicht einfach eine etwas sportlichere Version, er ist die Sportversion, durchtrainiert und _ tgemacht. Das Cup-Fahrwerk hat um 30 Prozent steifere Federn, um 25 Prozent straffere Stossdämpfer und um 10 Prozent steifere Querstabilisatoren. Die 300 PS aus nur 1.8 Liter Hubraum fühlen sich genau so an: hochgezüchtet, etwas delikat und mechanisch anspruchsvoll. Keine Zweifel über die Haltbarkeit, wir gehen davon aus, die Renault- Ingenieure wissen, was sie tun. Dafür haben sie dem Twin-Scroll-Turbolader Keramiklager verpasst. So oder so, selbst wenn es nicht gar so nötig wäre, dem R. S.-Trophy-Motor gönnt man gerne eine Warmlaufphase und nutzt die Zeit, um sich selber auf das Feuerwerk vorzubereiten, das der Wagen abzufeuern imstande ist. Ein wenig Ritual vor Abfahrt hat sich der Renault Megane R. S. verdient. Huldigen wir einem Auto, das sich so deutlich zu einer Facette des Autofahrens bekennt, die in der Umweltdebatte so leicht verloren gehen könnte. Sie heisst Fahr spass. Und für Spass sorgt auch der Preis des R. S.: 51 800 Franken kostet unser Testwagen. Los geht es aber bereits mit 38 900 Franken für den R. S. ohne Trophy respektive 42 400 Franken mit Trophy, aber ohne Extras.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.