Fahren wie ein König

IM COCKPIT ZU HAUSE Der Lexus LC 500 empfängt den Fahrer wie einen König. Man fühlt sich aufgehoben wie in einem noblen Salon. Und der Edel-Japaner fährt sich auch royal.  

Am Automobilsalon 2017 in Genf wurde er als schönstes neues Serienauto ausgezeichnet – der Lexus LC 500. Von diesem Glanz hat er nichts eingebüsst. Das Auto kennt das Problem von uns Menschen nicht, dass wir an Schönheit reich geboren werden und danach nach und nach verarmen. «Das Auto verkörpert den Weg in die Zukunft der Marke: schön, mutig und faszinierde Formen», sagt Chefingenieur Koji Sato. Mehr als 4000 Menschen waren in die Erschaffung des 4.77 Meter langen Sportcoupés mit frei saugendem V8-Motor mit 477 PS, fünf Litern Hubraum und einem Drehmoment von 540 Newtonmetern involviert. Produziert wird das Luxus- Coupé (darum LC) in Motomachi (Japan), zwei Stunden von Tokio entfernt. Das Werk gilt als eines der weltweit modernsten. Indes sind es die Takumi-Handwerksmeister, die dem Auto seinen Look und Charakter geben, indem sie selbst minime Oberflächenfehler zu lokalisieren und optimieren versuchen. Lange Haube, tief sitzender Grill und schma les Greenhouse verpackt in softe, fliessende Linien – so sehen echte Hingucker aus. Eigentlich zu hübsch für die staubige Strasse.

Rein ins Vergnügen
Setzt man sich in das Auto, spürt man augenblicklich dessen grosse Stärke. Die Ergonomie im Cockpit ist famos. Man fühlt sich wie in einem massgeschneiderten Rennwagen. Pedale, Sitzposition, Seitenhalt, die hochpräzise Response der Lenkung, die Paddles, um die Gänge statt der im Alltag prima reagierenden Zehngang-Automatik selber abzugrenzen und das Drehmoment hoch zu halten – alles passt wie angegossen. Man fühlt sich wie in der GT3-Rennversion des Supersportwagens, die es ja auch gibt und die unter anderem von Frey Racing in Safenwil AG erfolgreich auf den Rennstrecken zum Einsatz gebracht wird. Während der Edelflitzer, den es ab 122 000 Franken zu haben gibt, im Eco- oder Komfort-Modus den beherrschten Gran Turismo markiert, lässt er es im Sport- oder gar Sport-plus-Modus aber fliegen: Hat der V8 eine gewisse Drehzahl erreicht, gibt es kein Halten mehr, in 4.6 Sekunden ist Tempo 100 geknackt. Der Motor bleibt auch bei hohen Drehzahlen agil, der Sound ist tierisch brachial. Dafür sorgt unter anderem ein akustischer Soundgenerator im vorderen Lufteinlass. Hart auf dem Gas verstärkt sich der Soundeffekt durch sich zusätzlich öffnende Ventile im Hauptschalldämpfer. Die lernfähige Elektronik passt sich fix dem Fahrstil an. Da gibt es dann auch mal einen Zwischengasstoss, der die LC-500-Sonate von Lexus mit einer finalen Apotheose, einer klangvollen Überraschungen also, bereichert. Das Heck wird, sportlich bewegt, lebendig, bleibt aber gutmütig. Der Motor ist so hinter der Vorderachse eingebaut, dass das Gewicht ausgewogen verteilt ist. Eindrucksvoll zeigt sich die Renn-DNS, wenn die Schaltbox bei starker Lastreduktion mehrer Stufen zurückrastet, um ausgangs der Kurve maximale Durchzugskraft bereitzustellen.

Für den Beifahrer gibt es sinnigerweise zwei Haltegriffe, ähnlich wie in einer Achterbahn. Das ist gut und macht gegebenenfalls viel Sinn. Da haben die Japaner weiter gedacht als viele andere Sportwagenhersteller, denen der Beifahrer ziemlich egal ist und dem oft nicht einmal eine Halteschlaufe offeriert wird. Lexus setzt im Innenraum auf Omotenashi, inspiriert von der traditionellen Teezeremonie, die dem Gast die Möglichkeit zur inneren Einkehr bieten soll. Im Nobel-Toyota wird der Gast herzlich, ja fast demütig behandelt. Alles soll ihm den Besuch so angenehm wie möglich machen. Mehr noch, Omotenashi ist sogar darauf aus, zu erkennen, was der Gast will und was ihm gut tut, bevor dieser das selbst weiss. Jeder Beifahrer wird also die Haltegriffe schätzen. Im Bonsai- Fond freilich bekommt selbst ein Paar Turnschuhe Platzangst, und mit 192 Litern kennt auch der Kofferraum seine Grenzen. Aber wegen des Raums im Fond und im Kofferraum entscheide ich mich ohne akute Hirnblähungen ja nun wirklich nicht für dieses Auto.

Das Cockpit ist top: Da fühlt man sich gleich wie in einem auf die Körpermasse zugeschnittenen Rennwagen. Was zum Fahren nötig ist, liegt prima in der Hand. Entsprechend hat der Beifahrer wie auf einer Achterbahn die Möglichkeit, sich feszuhalten. Braucht er auch. Optisch fällt der supersportliche Japaner überall auf. Das Rundinstrument kann zugunsten der Digitalanzeige verschoben werden (l.).

Schwer aber fix
Trotz Alu und Karbon schleppt der LC gut zwei Tonnen Masse mit sich herum. Das tut der Agilität und der Spurtreue des Ninja-Boliden indes keine Abbruch. Da ist nichts von elefantöser Massenträgheit fühlbar. Der Hinterradantrieb wird durch eine optionale Hinterradlenkung erstklassig unterstützt, sodass Strassen jeglicher Art fast zu Schienen werden. Zudem sorgen Lufteinlässe an allen Radhäusern für Stabilität bei hohen Geschwindigkeiten. Was den Verbrauch angeht, so variiert dieser je nach Fahrstil natürlich ziemlich heftig. Als frommer Staubsauger kultiviert gefahren, was natürlich spielend auch geht, kommt man problemlos auf rund elf Liter oder sogar noch einen Tick darunter. Der DNS des Autos entsprechend hardrockbandartig bewegt, bleibt die Benzinnadel eher bei 14 bis 15 Litern stehen.

 

Suchen, versuchen, suchen …
Nicht wirklich dazu angetan, die Stimmung zu heben, ist dagegen das Infotainmentsystem. Vielleicht fehlt es dem Chronisten hier auch nur an Fingerfertigkeit und Intelligenz. Als Hobby-Klavierspieler glaubt er jedoch, nicht ein feinmotorischer Zonk mit Wurstfingern zu sein, und als Denkzwerg mit Brotgehirn fühlt er sich hier und jetzt auch nicht wirklich. Allein, will er über das eckige Touchpad auf der Mittelkonsole den Radiosender, das Navi oder die Klimatisierung einstellen, klappt das irgendwie gar nicht. Das heisst, es klappt sicher – auf irgendeine Art und Weise. Die Frage ist nur wann. Sprich, wie lange man dazu braucht, den Radiosender zu finden oder das Handy mit dem System zu verbinden. Letzteres haben wir entnervt aufgegeben. Das System ist fahrig und sehr feinfühlig und darum fast so kompliziert im Gleichgewicht zu halten wie der menschliche Magen-Darm-Trakt. Die ähnlich verschlungene Menüführung hilft da wenig. Was würde Konfuzius dazu sagen? «Fordere viel von dir selbst und erwarte wenig von den anderen. So wird dir viel Ärger erspart bleiben.» Das gilt auch in Bezug auf die Spracherkennung. Hier könnte Konfuzius’ Rat lauten: «Wenn über das Grundsätzliche keine Einigkeit besteht, ist es sinnlos, miteinander Pläne zu machen.» Aber bei einem so grandios zu fahrenden Auto muss es ja noch ein bisschen Luft nach oben geben, und die wichtigen Assistenz- und Sicherheitssysteme sind ja alle an Bord und funktionieren prima.

Ein hübsches Gimmick: Der Drehzahlmesser fährt auf Befehl zur Seite und gibt dahinterliegende Informationen digital preis. Abgesehen davon ist der Raum für Fahrer und Beifahrer in schwungvollen Linien und edel gearbeitet. Und das Lenkrad ist gar ein kleines Kunstwerk. «Ein Takumi-Meister fuhr den LC 500 immer und immer wieder und achtete dabei penibel auf jedes Detail. Ein ums andere Mal überarbeitete er das Profil des Lenkrads, bis er zu der elliptischen Form kam, die dem Fahrer bei schneller Kurvenfahrt bestes Griffgefühl vermittelt», sagt Chefingenieur Koji Sato. Der gleiche Prozess kam bei den Schaltwippen zum Einsatz, um die perfekte Passform und Platzierung zu erreichen. Auch das ist, wie eingangs erwähnt, prima gelungen. Unbesehen des Gefummels mit dem Infotainmentsystem (das mit viel Training allerdings auch zur Routine wird): Der Spass an der Freude ist es auf jeden Fall wert, sich für dieses Auto zu entscheiden. Umso mehr, als man sich auch im Zeitalter des sich wandelnden Antriebs solche Autos noch guten Gewissens kaufen darf.

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