Mercedes-Benz geniesst einen ausgezeichneten Ruf als Trendsetter für innovative Technik, gehört bei den alternativen Antrieben aber nicht zu den Spitzenreitern. Jetzt versuchen die Stuttgarter den Rückstand wettzumachen. Vor kurzem gab der Hersteller seine Investitionspläne von mehr als zehn Milliarden Euro für die Entwicklung neuer Antriebe bekannt (s. AR 44/2018). Mercedes ist sich bewusst, dass die Autoindustrie nur eine Zukunft hat, wenn sie auf den Strom umstellt, meint Jochen Hermann, der für Connected, Autonomous, Shared & Service und Electric sowie bei Daimler für E-Drive zuständige Vizepräsident: «Die Strategie sieht die emissionsfreien Technologien als integralen Teil der Zukunftsmobilität.»So werden bereits 2022 alle Modelle der Sternmarke durchgehend elektrifiziert: Es handelt sich um Systeme, die von der leichten Hybridisierung mit Verbrennungsmotor über Plug-in-Hybride bis hin zu den vollelektrischen Antrieben reichen. Mercedes entwickelt vielspurig alle alternativen Antriebe. Das zeigt sich auch etwa in der Serienvorbereitung der Wasserstofftechnologie, welche vor kurzem in einem GLC mit Brennstoffzellen-Antrieb präsentiert wurde.
Heute mit Hybridtechnik
Die aktuellen Plug-in-Hybride von Mercedes laufen unter dem Zeichen von EQ Power. In diesem Bereich ist Mercedes besonders stark präsent. Der Hersteller hat gerade neue Hybridsysteme für die C-, E- und S-Klasse vorgestellt. Die Elektromotoren sind vorwiegend mit Benzinern gekoppelt, die Technik lässt sich aber auch mit Selbstzündern kombinieren. Vergessen wir nicht, dass bereits mehrere Mercedes-Modelle mit dem EQ-Boost versehen sind, was Jochen Hermann so umschreibt: «Mit diesem Programm haben wir unsere Verbrennungsmotoren mit einem kleinen Elektromotor gekoppelt, der sich auf 48-Volt-Spannung abstützt. Diese Technik bringt dem Fahrzeug einen Leistungsschub. Darüber hinaus kann die Verbrennungsmaschine in diesem Fall den Antrieb von Peripheriesystemen an die Elektroseite abtreten, womit sie weniger Treibstoff verbraucht.»
Morgen vollelektrisch
Daimler hatte bereits vollelektrische Fahrzeuge im Angebot, bei welchen es sich aber nur um Versuchsprogramme handelte. Jetzt schickt sich der deutsche Konzern nach eigenen Aussagen an, bis 2022 zehn Modelle zu lancieren (acht Mercedes und zwei Smart). Der erste Mercedes dieser Offensive (aber nicht der erste Vertreter von Daimler, denn es gibt bereits den Smart EQ) ist der EQC. Er gab sein Debüt als Serienmodell am Pariser Salon, wird aber erst Mitte nächsten Jahres in den Verkauf gelangen. Und weshalb entschied sich der Hersteller mit dem Stern für ein SUV als erstes Produkt der neuen Elektrogeneration? Jochen Hermann hat eine Antwort: «Wir haben das SUV gewählt, einfach weil sich diese Art Auto sehr gut verkauft. Ausserdem handelt es sich um eine Form, die den Kunden bestens bekannt ist.»
Übermorgen die Brennstoffzelle
«Vieles spricht für die Brennstoffzelle: grosse Reichweite, schnelles Tanken und vor allem ist die einzige Emission reines Wasser», erklärt Jochen Hermann. «Nicht zuletzt eignet sich die Technologie auch für Nutzfahrzeuge wie etwa Busse. Bei den Antrieben aus erneuerbaren Energien wird der Wasserstoff besonders stark vertreten sein und in Zukunft nur noch zulegen». Allerdings ist das Tankstellennetz derzeit noch extrem dünn verteilt. Das ist auch der Grund, weshalb der GLC F-Cell (Fuel cell, englisch für Brennstoffzelle) seinen Strom nicht nur aus der Brennstoffzelle (unter der vorderen Haube anstelle des Verbrennungsmotors eingebaut) bezieht, sondern auch aus Batterien (unter dem Kofferraumboden platziert). Die ersten GLC F-Cell sind bereits in Kundenhänden, die Verteilung beschränkt sich aber auf einige deutsche Städte (Berlin, Hamburg und Stuttgart), in denen die Tankstellen-Infrastruktur problemlos funktioniert.Das Modell kann nur geleast werden (inklusive Service und Reparaturgarantie) und geht nicht durch das Händlernetz. Der Grund dafür ist, dass Mercedes die strikte Kontrolle über die Autos behalten will, an denen parallel intensiv weiterentwickelt wird und die erst in einigen Jahren volle Serientauglichkeit erreichen müssen.