Sauber dank Alfa wieder im Rennen.

Alfa Romeo zählt zu den Ikonen der Gründerzeit des Motorsports, noch immer versprüht die Marke Emotionen. Und mit Sauber feiert sie auch wieder Erfolge in der Formel 1.

Charles Leclerc (MON) Alfa Romeo Sauber C37 pit stop at Formula One World Championship, Rd5, Spanish Grand Prix, Race, Barcelona, Spain, Sunday 13 May 2018.

Mit Alfa Romeo, sprich Ferrari und dem Fiat-Chrysler-Konzern, hat das Sauber-F1-Team eine neue DNA impliziert erhalten. «Es ist total anders als noch im letzten Jahr», sagt Marcus Ericsson. Der Schwede, in dessen Sog Hauptsponsor Tetra Pak und die milliardenschwere Familie Rausing Geld einschiesst, ist ein Grund dafür. Ericsson: «Letztes Jahr mussten wir Leute entlassen und wussten nie, ob noch Geld da ist. Jetzt stellen wir Leute ein und wissen, dass alles bezahlt wird.» Das mache schon viel mehr Freude. Auf ihn und Kollege Charles Leclerc bezogen bedeutet das unter anderem, dass «wir viel mehr Sponsorentermine und auch sonstige Verpflichtungen ausserhalb des primären Geschäfts als Pilot haben». Der Aufwand habe sich vervielfacht, so der 27-Jährige aus Kumla (Schweden). Abgesehen davon sieht man jetzt, wenn man in der Box dabei sein darf, eine ganze Heerschar Ferrari-Ingenieure unter den rund 75 Mitarbeitern, die sich während eines Rennens um jedes noch so unbedeutend erscheinende Detail kümmern. Grund am massiv gesteigerten Interesse an Sauber und dessen Piloten ist auch die Marke Alfa Romeo. Sponsor Relationship Manager Mauro Tonini präzisiert: «Ich habe gewusst, dass Alfa Romeo eine Marke ist, die bewegt und die Geschichte hat. Dass aber gleich so viel los ein wird, hat mich auch erstaunt.» Bei jedem Formel-1-Rennen sind während dreier Tage Gäste von Alfa Romeo bei Sauber eingeladen. War es in Spa (B) noch eine gute Handvoll, waren es am Heimrennen in Monza (I) weit mehr als 100. Natürlich werden auch in Singapur Gäste von Alfa erwartet. «Alle, die schon länger im Team dabei sind, haben mir bestätigt, dass sie so etwas noch nie erlebt hätten», so Tonini. Oder zumindest schon sehr lange nicht mehr. Zuletzt wohl zu BMW-Zeiten.

Aufsehen da und dort
Sauber ist wieder jemand auf der Formel-1-Landkarte. Und das vor allem dank Alfa Romeo, einer Marke, die trotz grosser Vergangenheit im Rennsport auf dem Markt kurz vor dem Ende stand. Bis der jüngst im Alter von 66 Jahren verstorbene Sergio Marchionne kam und die Giulia und den Stelvio herausbrachte. Eine supersportliche Limousine und ein Super-SUV, die beide Leidenschaft pur versprühen. Zwei Autos, die auf der ganzen Welt auf eine riesige Fan-Gemeinde zählen dürfen. Wer mit dem Alfa nach Spa und zurück fährt, erfährt unweigerlich, wie viel Leidenschaft und Emotionen dieses Auto – in unserem Fall die Giulia mit 510 PS – zu wecken vermag. An der Zahlstelle lässt der Nachbar in der Schlange links die Scheibe herunter und brüllt: «Super Macchina! Was kosten das in Schweiz?» Bei gut 90 000 Franken geht es los. «Schweizer sind reich», entgegnet der Mann. Man sieht ihm den tief verwurzelten Wunsch, so ein Auto sein eigen zu nennen, förmlich an. «Fantastico!», meint er noch, ehe er seine Familie weiter Richtung Ferienziel kutschiert. In der Stadt sind es vier junge Männer, die, in einem kleinen Peugeot zusammengepresst, den Daumen heben, lachen, juchzen und in Alfa Kraft, Ästhetik und Überlegenheit sehen, die sie selbst im Alltag anstreben. Alfa is back. Und Sauber ist der Werbeträger, der diese Botschaft via Formel 1 in die Welt hinausträgt.

Antonio Giovinazzi (ITA) Alfa Romeo Sauber C37 at Formula One Testing, Day One, Barcelona, Spain, Tuesday 15 May 2018.

Win-Win-Situation
Eine Win-Win-Situation. Vor allem auch darum, weil der FCA-Konzern, sprich Ferrari null Interesse daran hat, dass Sauber mit dem dominanten weissen Alfa-Schriftzug auf rotem Untergrund dem Feld wie zuletzt hinterhergurkt. Alfa spielt zwar wie auf der Strasse eine Liga tiefer als der grosse Bruder Ferrari, aber immerhin ist es nur eine und nicht drei oder vier. Obwohl Ericsson in Spa als Zehnter einen weiteren Punkt holte, war der darauf folgende GP in Monza ausnahmsweise zum Vergessen. Nach dem krassen Unfall von Ericsson im zweiten Training und der Flop-Quali kollidierte Ericsson in Italien im Rennen früh mit Hartley. Auch Leclerc hatte kein Glück. Letztlich resultierten die Plätze 11 (Leclerc) und 15 (Ericsson). Bis jetzt hat das Hinwiler Team heuer 19 Punkte geholt – im Namen von Alfa Romeo. Einer Marke, die im Zirkus ihresgleichen sucht. Einer Marke mit einer Ausstrahlung so mächtig wie Barilla in der Welt der Pasta. «In Silverstone waren gar die Söhne von Juan Manuel Fangio zu Gast bei uns», erzählt Mauro Tonini. Die Söhne des grössten Piloten aller Zeiten! Der Argentinier wurde 1957 auf einem Alfa 159 Weltmeister. Aber auch Enzo Ferrari war ein pfundiger Alfista (s. Kasten links). Allein aus der Alfa-Vergangenheit des Commendatore – den Beinamen erhielt er nach der gleichnamigen Klasse des Ordens der Krone von Italien, der ihm 1927 verliehen wurde – resultiert eine historisch gewachsene Verpflichtung, dass ein Alfa mit Ferrari-Motor gar nicht schlecht sein kann.

Leclerc dank Alfa
Alfa ist Emotionen pur. Auf der Landstrasse und jetzt eben auch wieder auf der Rennstrecke. Ob in der Giulia oder im Stelvio im Alltagsverkehr oder im Sauber in der Formel 1 – einfach fantastico! Charles Leclerc, der nun bei Ferrari gelandet ist, wäre ohne das Alfa-Engagement wohl nie mit Sauber zusammengekommen. Zu seinem Privatauto, einer Giulia, meint er: «Ein grandioses Auto. Sehr komfortabel, sehr sportlich. Mit ihm bin ich in jedem Moment Herr der Lage.» So wie mit seinem Arbeitsgerät, dem Alfa-Sauber? «Na ja», erwidert Leclerc, «bis dahin fehlt schon noch ein bisschen.» Rund 1600 PS, um genau zu sein. Nur schon, um gleich viel Vorwärtsschub pro Kilogramm auf die Strasse zu bringen wie der Formel-1-Alfa, bräuchte die Giulia rund 2100 PS. Aber die 510 PS, die da sind, reichen vollauf – glauben sie dem Autor dieses Textes, der viele Kilometer mit diesem prächtigen Auto fahren durfte! Es ist einfach ein tolles Gefühl, ein Alfista zu sein. Ob man nun Leclerc, Ericsson, Ferrari, Müller oder Schenk heisst.

Charles Leclerc, Alfa Romeo Sauber F1 Team Alfo Romeo Quadrifoglio at Formula One World Championship, Rd14, Italian Grand Prix, F1 Milan Festival, Milan, Italy, 29 August 2018.
Marcus Ericsson, Alfa Romeo Sauber F1 Team in vintage car at Formula One World Championship, Rd14, Italian Grand Prix, F1 Milan Festival, Milan, Italy, 29 August 2018.

 

 

 

 

 

 

Leclerc fährt nächstes Jahr im Ferrari – Räikkönen kommt zu Sauber
Charles Leclerc (l.) und Kimi Räikkönen (r.) tauschen nach der Formel-1-Saison die Plätze. Der Finne geht zu Sauber, Leclerc zu Ferrari. Offenbar gab es einen Vorvertrag zwischen Ferrari und Leclerc, den der damalige Ferrari-Präsident Sergio Marchionne wenige Wochen vor seinem Tod noch unterschrieben hatte. Der Aufstieg von Leclerc zu Ferrari nach nur einer Lernsaison bei Sauber ist mit einigen Fragen verbunden. Man kann sich vorstellen, dass Leclerc als Musterschüler zu Ferrari geht und alles von Meister Vettel lernen soll – doch für wie lange? Wenn Leclerc der designierte Nachfolger des Deutschen sein sollte, führt nächste Saison nichts an einer Konfrontation vorbei. Frage zwei: Ist der Monegasse trotz seines aussergewöhnlichen Talents mit 20 Jahren und nur einer F1- Saison reif für den Ferrari-Rennanzug? «Für Ferrari zu fahren, ist mein Kindestraum» gibt Leclerc offen zu. «Wenn sie mich rufen, dann bin ich bereit. Druck auszuhalten, lernt man in diesem Metier von Anfang an, da wird man mit den Jahren nicht besser.» Und je besser sein Teamkollege sei, desto besser für ihn: «Seb (Vettel – Red.) ist einer der besten Fahrer im Feld, ich werde viel von ihm lernen.» Maranello hat in der Vergangenheit selten einem jungen Fahrer vertraut. Die letzte Ausnahme war Felipe Massa, den Ferrari einst zuerst ebenfalls bei Sauer untergebracht hatte, das jedoch während drei Saisons und über vier Jahre von 2002 bis 2005. 2008 kämpfte der Brasilianer dann mit Lewis Hamilton bis zur letzten Kurve um den Titel. Ironie der Geschichte: Der Brite war auch der einzige erfolgreiche Nachwuchsfahrer im Verlauf der letzten Jahre bei McLaren. Heikki Kovalainen, Sergio Perez und jetzt Stoffel Vandoorne bissen sich beim achtfachen Konstrukteurs- Weltmeister mehr oder weniger die Zähne aus.


Ohne Alfa kein Ferrari
1920 wurde Enzo Ferrari Chefwerksfahrer der Alfa-Renn-Crew, nachdem er bei der Targa Florio Zweiter geworden war. In den 47 Rennen, an denen Enzo Ferrari als Fahrer für Alfa Romeo startete, holte er über ein Dutzend Siege und war damit erfolgreichster Fahrer Italiens. 1929 gründete Ferrari dann seinen eigenen Rennstall, die Scuderia Ferrari in Modena. Freilich fuhr Ferrari vorerst weiter Alfa. Nachdem Ferrari seine aktive Laufbahn beendet hatte, wurde er stellvertretender Leiter des Alfa-Romeo-Teams. Diese Zusammenarbeit endete 1939 mit der Auflage, dass Enzo Ferrari vier Jahre lang keinen Rennsport mehr betreiben durfte. Nachdem seine Werkstatt 1943 von alliierten Bombern fast vollständig zerstört worden war, zog der Rennstall von Modena nach Maranello um. 1946 konstruierte die jetzt unabhängige Scuderia Ferrari erstmals einen eigenen Rennwagen, mit dem sie im folgenden Jahr den ersten Sieg herausfuhr.


 

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