Suzuki Jimny: Vom Aussterben bedroht 

«KEI CAR» Der vor 20 Jahren lancierte Jimny der dritten Generation wird durch eine neue Auflage ersetzt. Der Suzuki scheint einer der letzten Vertreter einer aussterbenden Art zu sein, die in unentdeckte Gebiete vorzudringen vermag. 

Der 1970 präsentierte LJ10 (der älteste Vorfahre des Jimny) war eine Allradvariante eines Kei Car (von japanisch Keijidosha, leichter Personenwagen). Er wurde von Suzuki mit dem Ziel entwickelt, «unbefestigte Strassen zu meistern und dorthin vorzudringen, wo vorher keine Autos hingelangt waren», wie es in einem zeitgenössischen Prospekt heisst. Das Erfreuliche dabei: Auch 50 Jahre später folgt die vierte Generation des Jimny der gleichen Philosophie.

Nur Benziner
Als eigentlicher Diesel-Verächter verpasst Suzuki dem neuen Jimny einen 1.5-Liter-4-Zylinder-Benziner, der bei 6000/min 102 PS leistet. Im Vergleich zum 1.3-Liter-Vorgänger bietet der neue Motor mehr Drehmoment über das gesamte Drehzahlband (Höchstdrehmoment 130 Nm bei 4000/min). Das ist natürlich ein Plus im Geländeeinsatz, wo mehr Durchzug bei niedrigen Drehzahlen immer willkommen ist. Trotz seines grösseren Hubraums ist der 1500er kompakter gebaut, bringt aber 15 Prozent mehr Gewicht auf die Waage. Der Gemischtverbrauch des Allradlers verbessert sich beim Fünfgänger auf 6.8 l/100 km. Suzuki bietet auch eine Vierstufen-Automatik mit Drehmomentwandler an und versichert uns, dass beide Getriebe auf ihre Ef­fizienz hin optimiert worden sind. Das bedeutet konkret, dass die inneren Reibwerte reduziert werden konnten.

Westentaschen-Entdecker. Wie der Vorgänger klettert auch der aktuelle Suzuki Jimny mit seinem Leiterrahmen-Chassis praktisch auf Bäume. Trotz des Reduktionsgetriebes verfügt der Japaner nicht über eine echte Differenzialsperre, was die Wirksamkeit des Allradantriebs aber nicht beeinträchtigt.

Aufwändiger Antriebsstrang mit drei Verteilergetrieben
Kraft und Drehmoment werden am Getriebeaus- gang über ein Transfergetriebe weitergeleitet. Dieses verfügt über die gängigen Modi 2H (lange Übersetzung 1:1, nur die Hinterräder werden angetrieben), 4H (lange Übersetzung 1:1, Allradantrieb) und 4L (kurze Untersetzung 2:1, Allradantrieb). Das Ganze wird vom Fahrer über einen manuellen Hebel gesteuert und nicht, wie beim Vorgänger, über Druckknöpfe im Armaturenbrett. «Wir verzichten auf die Drucktasten, weil diese bei der Betätigung mit einer leichten Verzögerung arbeiteten. Der manuelle Schalthebel wirkt direkt, der Fahrer hat ein besseres Feedback und spürt, was vor sich geht», erläutern uns die für den Jimny zuständigen Entwicklungsingenieure. Hinter dem Transfergetriebe geht es mit zwei Auslässen weiter, einem vorderen für die Vorderachse und einem hinteren für die Hinterräder. Der Jimny rückt also mit drei Verteilergetrieben an. Leider sind keine direkten Sperrdifferenziale für die Achsen vorgesehen, sondern nur ein Differenzial mit beschränktem Schlupf, das indirekt über den Bremseingriff arbeitet und welches selbständig ein durchdrehendes Rad abbremst. Das dient der Drehmomentzuteilung an die anderen drei Räder, womit die Traktion des Fahrzeugs verbessert wird. Im Testbetrieb gab es an der Ef­fizienz des System nichts auszusetzen.

Im Detail. Obwohl 45 Millimeter breiter und 30 Millimeter kürzer als sein Vorgänger, verfügt der neue Jimny über einen um 200 cm3 vergrösserten Hubraum von 1.5 Litern. ©Suzuki

Beste Offroad-Eigenschaften
Das Fahrgestell des kleinen 4×4 setzt sich aus zwei Im Detail Obwohl 45 Millimeter breiter und 30 Millimeter kürzer als sein Vorgänger, verfügt der neue Jimny über einen um 200 cm3 vergrösserten Hubraum von 1.5 Litern. Starrachsen zusammen. Auch das ist ein Zeichen für beste Offroad-Eigenschaften, wie die Werksvertreter erklären: «Federt ein Rad im kupierten Gelände auf einem Hindernis ein, streckt sich sein Pendant nach aussen und sorgt so für Bodenkontakt.» Die Aufhängungen verwenden Dreieckslenker und Schraubenfedern. Das Chassis ist gegenüber dem Vorgänger kaum verändert. Der Leiterrahmen der abtreten- den Generation wurde mit zwei geraden und einer X-Traverse verstärkt. Die ersteren liegen unter dem Motor und dem Kofferraum, das X verläuft unter den Vordersitzen. Gemäss Toshinabu Nuimura, Vize-Che­fingenieur für den Jimny, verbessert diese Auslegung die Stei­gkeit um den Faktor 1.5.

©Suzuki

Enorm handlich
Im Fahrbetrieb fällt die im oberen Tempobereich sehr leichtgängige Lenkung auf, und zwar nicht nur auf der Autobahn, sondern auch auf Landstrassen. Die Suzuki-Techniker betonen, dass dem Lenkgetriebe viel Aufmerksamkeit zuteil wurde und dieses etwa einen Dämpfer eingebaut bekam. Die Verbesserungen wirken sich leider nur auf die Vibrationen und Schläge am Lenkrad aus, verleihen dem Auto aber dennoch keinen stabilen Geradeauslauf. Schliesslich wurde der kleine 4×4 vor allem für den Geländeeinsatz entwickelt, wo er auch tatsächlich voll zu überzeugen vermag.

©Suzuki

Putziger Jimny
Das Design des neuen Jimny setzt auf Neo-Retro mit Abenteuergeist und scheint nicht zuletzt von der Mercedes-Benz G-Klasse beeinflusst zu sein. Oder sehen wir da einen Schuss Hummer H2? Suzuki sieht das natürlich anders: «Der neue Jimmy verdankt sein Design seinen legendären Vorgängern.» Die runden Scheinwerfer mit den separaten Blinkern sind denn auch eine Verbeugung in Richtung des Originals LJ10, während die kleinen Querstreben an der Basis der A-Säulen an die zweite Generation, den SJ410, erinnern. Die dritte Generation erkennt man in den vertikalen Lüftungsschlitzen des Kühlers wieder. Im Vergleich zum Jimny von 1998 (dritte Generation) kann der neue Suzuki mit besseren Böschungswinkeln glänzen (37 Grad vorne, 28 Grad hinten). Der Rampenwinkel beträgt 28 Grad. Alle drei für die Schweiz bestimmten Ausstattungsvarianten des Jimny (Unico, Compact+ und Compact Top) sind mit den optionalen Kotflügelverbreiterungen versehen. Diese Plastikanbau- teile verleihen dem Wagen nicht nur einen Schuss Abenteuergeist, sie dienen auch (bis zu einem gewissen Grad) dem Schutz der unteren Metall-Karosserieteile. Würden die Anbauteile einmal beschädigt, sollten sie einfach zu ersetzen sein. Die Aussendimensionen bleiben im gleichen kompakten Rahmen wie bei den Vorgängermodellen. Bei 45 Millimetern mehr Breite und 20 Millimetern mehr Höhe gibt es bei der Länge sogar ein Minus von 30 Millimetern gegenüber der Generation III zu verzeichnen.


 

Ein Innenraum fürs Gelände
Das Design des Armaturenbretts wirkt ansprechend, wenn auch auf nüchterne und eher spartanische Art. Suzuki wollte ein Interieur, das «alle Ablenkungen vom Fahrer fernhält». Das Innendesign soll sogar ein Hilfsmittel für den Fahrer abgeben: «Die horizontalen Linien des Armaturenbretts mit den eingelassenen Anzeigen und der klaren Mittelkonsole dienen dem Fahrer dazu, den Neigungsgrad des Fahrzeugs im Gelände abzuschätzen.» Alles fürs Offroading! Familienväter auf der Suche nach einem vielseitigen Kombi sind hier an der falschen Adresse. Der Gepäckraum des Jimny verdient mit seinen 85 Litern diese Bezeichnung kaum. Immerhin sind die Rücksitzlehnen einfach umzuklappen. Dann stehen 377 Liter und eine dank sorgsamer Entwicklungsarbeit der Sitze völlig ebene Ladefläche zur Verfügung. Mit dem Herausnehmen der Kopfstützen lassen sich die Lehnen der Vordersitze sogar völlig flachlegen, was eine mehr oder weniger ebene Liegefläche ergibt. Das dürfte sich beim improvisierten Camping als ganz praktisch erweisen. Die Stoffbezüge können übrigens auch durch Ledersitze ersetzt werden (1900 Franken), für das Armaturenbrett ist ein Sieben-Zoll-Touchscreen mit Bluetooth-Schnittstelle für das Smartphone erhältlich.


 

 

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