Der Gurnigel ruft zur Entscheidung

BERG-SM Sofern er sich nicht verfährt, wird sich Marcel Steiner vor seiner Haustür am Gurnigel den fünften Bergmeister-Titel in der Rennsportwagen-Klasse sichern.

Das Bergrennen Gurnigel ist mitunter das populärste und traditionsreichste Bergrennen Europas. Bereits seit 1910, als in Deutschland noch Kaiser Wilhelm II. regierte und in Portugal die letzte Monarchie gestürzt wurde, finden auf dem Berner Hausberg Rennen statt. Seit 1968 findet das packende Motorsport-Spektakel zwischen Dürrbach BE und Gurnigelbad jährlich statt. Und häufig fallen dabei Entscheidungen im Kampf um die Schweizermeistertitel. So aller Voraussicht nach auch am Wochenende. Marcel Steiner könnte im Streckenabschnit «Laas» locker kurz anhalten, austreten, wieder einsteigen und weiterfahren, und es würde dem 43-jährigen Lokalmatador wohl immer noch zum fünften Titel in der Rennsportwagen-Klasse reichen. «Es müsste schon ziemlich viel verkehrt laufen, dass es nicht reicht», gibt Steiner zu. Auch wenn er zwischen Oberhallau SH und Gurnigel noch kurz den Motor aus seinem Lob-Art ausbauen musste, um den Öltank zu modifizieren. «Aber das Auto ist wieder bereit.» Der Champagner kann auf jeden Fall kalt gestellt werden. Allein: Es muss alles erst gefahren sein. Rein rechnerisch sind vor dem Gurnigel-Rennen noch 54 Punkte zu verteilen. Steiners Vorsprung auf Marcel Maurer beträgt unter Berücksichtigung der Streichresultate fette 49 Zähler.

Gestraftes Programm
Nachdem im Vorjahr schon die Hauptausgabe der «Tagesschau» lief, als die Letzten zu ihrem zweiten Rennlauf antraten, hat sich das OK entschieden, das Programm aus Rücksicht auf die Fahrer, Funktionäre und Zuschauer zu straffen, um den Rennbetrieb wieder ins Zentrum zu rücken. Konkret heisst das, dass die historischen Motorräder, die Taxifahrten, die Karts und der Thementag aus dem Programm gestrichen wurden – mit allen finanziellen Konsequenzen notabene. «Es ist sicher schöner für uns, wenn die meisten Leute noch am Berg sind, wenn wir fahren», sagt Steiner. Zumal am Gurnigel immer viele Freunde, Bekannte und Familie da sind. Vor diesen wird der Garagist aus Oberdiessbach BE am Sonntag gegen elf und 15 Uhr wie wild und von furchteinflössendem Donnern umrahmt den Berg hochheizen – vorausgesetzt es gibt keine Zwischenfälle. Abgesehen vom Titel geht es für Steiner an seinem Hausberg natürlich auch um den Tagessieg. Diesen hat zuletzt fünf Mal infolge Eric Berguerand auf seinem Lola FA99 davon getragen. Zwischen 2008 und 2012 hiess der Tagessieger jeweils Marcel Steiner. Während der letzten zehn Jahre steht es in diesem Duell nach Siegen also 5:5. Letztes Jahr entschied Berguerand das Gurnigel-Battle gegen Steiner mit winzigen 18 Hundertstelsekunden für sich. Ob Berguerand, der zudem 2006 noch einmal gewonnen hat, dieses Jahr antritt, liess der Walliser zumindest gegenüber seinem ärgsten Rivalen Marcel Steiner offen. «Lassen wir uns überraschen », so der Berner. Die Saison von Berguerand verlief bis dato ziemlich frustrierend. Sicher dabei und ein Rivale von Steiner sein wird auf jeden Fall der Vorahresdritte, der Österreicher Christoph Lampert.

Bratschi gefordert
Entschieden dürfte am Gurnigel auch die Meisterschaftswertung der Junioren werden. Im Feld der acht jungen Piloten, die alle auf einem identischen Toyota GT86 unterwegs sind, ist Thomas Schmid der Titel kaum noch zunehmen. Der St. Galler, der bis dahin alle drei Wertungsläufe in Reitnau, Anzère und Oberhallau gewonnen hat, reist mehr oder weniger direkt von der Tessin Rallye an. In der SM der Rallye-Junioren belegt Schmid derzeit Rang 1. Bei den Grossen aus der Abteilung Tourenwagen wird vorab Ronnie Bratschi im Mitshubishi Evo VIII alles geben, um seine Führung in der Bergmeisterschaft zu verteidigen sprich zu festigen. Der Urner führt 12.5 Punkte vor Andy Feigenwinter (Reinach BL, Lotus Exige) sowie deren 19 vor Frédéric Neff (Moutier BE, Porsche 996 Cup). Die Fans erwartet also ein sattes und fesselndes Paket Motorsport.


 

Blitzschnell – trotz mehr Kilos auf den Rädern

Michel Zemp sorgt heuer in der Tourenwagen-Bergmeisterschaft für Aufsehen. 
Klar, dass der Langnauer in seinem Cupra TCR auch am Gurnigel glänzen will.

Für Michel Zemp ist das Gurnigel-Bergrennen 2018 quasi ein Jubiläum. «Ja, jetzt wo ich mir das so überlege. Ich bin heuer zum zehnten Mal dabei», sagt er. Der 31-Jährige hat an seinem Heimrennen schon fast alles erlebt. Vom glimpflich verlaufenen Abflug bis zum Kategoriensieg. Letzteren peilt der Automechaniker, der mit Vater und Bruder in Escholzmatt LU eine Werkstatt für alle Automarken (Zaba-Fahrzeuge) führt, auch am Wochenende an. Die Kategorie gewinnen, so wie er das 2018 in Reitnau, Hemberg, Anzère, Les Rangiers und Oberhallau getan hat. Nur in Massongex war Patrick Flammer im Opel Astra schneller. Der Lenzburger ist nach seinem Unfall in Anzère am Grunigel wieder dabei. Jörg Schori wird im Cupra das entsprechende Startfeld komplettieren. «Wir sind quasi vollzählig», sagt Zemp. Ready zum Dreikampf.

Den Grossen eingeheizt
Dass es in der heuer erstmals im Rahmen der Berg-SM ausgetragenen TCR-Klasse nicht mehr Autos am Start hat, sei primär den hohen Anschaffungskosten geschuldet, meint Zemp. Weltweit boomen die TCR-Serien mit den frontgetriebenen 350 PS-Autos und mit einem Mindestgewicht von 1250 kg wie keine zweite Serie. Eigentlich sollten die ziemlich schweren Autos mit begrenzter Leistung am Berg wenig Chance auf die vordersten Ränge haben. Dass es mit viel fahrerischem Können aber auch anders geht, hat Zemp vor allem auf der schnellen Strecke in Les Rangiers bewiesen, als er die viertschnellste Tourenwagenzeit erreichte. Verblüffend! Da blieben sogar Cracks wie Frédéric Neff in einem überlegenen Porsche 996 GT3 R zurück. «Wir sind bisher überall deutlich schneller geworden als im Vorjahr», sagt Zemp.

Etwas zu eckig
Es sind vor allem die weiten, schnellen Kurven, die dem Fahrwerk des Cupra TCR mit seinem breiten Radstand entgegenkommen. Insofern ist der Gurnigel mit mehr Stopp-and-go-Ecken nicht unbedingt das Lieblingsterrain von Zemp. «Ich fahre gern da, aber Les Rangiers ist mir sicher noch lieber.» Nichtsdestotrotz: Da, wo er schon als Sechsjähriger mit seinem Vater, der heute bei jedem Rennen als Teamchef dabei ist, auf der Wiese sass und den Rennwagen zuguckte, will sich der Hobbybiker am Weekend natürlich von seiner besten, sprich: schnellsten Seite zeigen. Quasi in der Unterkategorie TCR ist er ja auch schon der 1. Schweizermeister. Auf den grossen Touren­wagentitel hat Michel Zemp allein schon darum keine Chance, weil er aufgrund des zu kleinen Starterfeldes nur die halben Punkte gewinnen kann. Klar, dass Zemp sein Jubiläum am Gurnigel zuoberst auf dem Podest feiern will.

Michel Zemp (im Seat Cupra TCR) möchte sich am Gurnigel den Kategoriensieg holen.

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