Beim berühmt-berüchtigten Strassenroulette im Fürstentum Monaco über die Runden zu kommen, ist schon ein Kunststück. Wenn das einem Piloten trotz angeschlagenem Auto gelingt, dann muss man einfach nur den Hut ziehen. So wie bei Daniel Ricciardo, der in Monte Carlo (MC) seinen siebten Grand-Prix-Sieg der Karriere feierte – beim 250. Start seines Red-Bull-Teams. Einordnen konnte Ricciardo diesen Prestigeerfolg nach der Zieleinfahrt nicht, zu aufwühlend war die Siegfahrt gewesen: «Aber ich kann behaupten, dass das ganze Wochenende sehr zufriedenstellend war.» Der Australier hatte in Monaco sämtliche Sessions für sich entschieden, vom ersten freien Training über die Qualifikation bis hin zum Rennen. Aber 2016 hatte ihm die Poleposition nach einem verpatzten Boxenstopp nicht zum sicher geglaubten Sieg gereicht.
Daniel Ricciardo führte das Feld von der 1. bis zur 78. und letzten Runde an – trotz des einzigen Boxenstopps in der 17. Runde. Eine «Bummelfahrt» war es trotzdem nicht: Nach 28. Runden – oder nach bereits rund einem Drittel der Renndistanz – funkte der Australier seine Crew an und meldete Probleme mit dem RB 14, der massiv an Leistung verlor. Teamchef Christian Horner erklärte später dazu: «Das Energierückgewinnungssystem streikte, und das hatte Auswirkungen auf die Kühlung des Motors, der Bremsen, der Reifen … Zumindest blieb Daniel cool.» Dass sein Fahrer aber unter diesen Umständen gewinnen würde, daran glaubte Horner nach dem ersten Warnruf Ricciardos nicht: «Daniel hatte bis zu 25 Prozent Leistungsverlust!»
Wenn es nur das gewesen wäre … «Die hinteren Bremsen wurden rasch sehr heiss, also änderte ich die Bremsbalance um sechs, sieben Prozent mehr auf die Vorderräder. Trotzdem musste ich vorsichtig fahren: Erst das Gas lupfen und nicht voll in die Eisen steigen, um die Bremsen zu schonen und um nicht zu viel Energie zu gewinnen. Dann war die Pace aber so langsam, dass auch das Reifenmanagement zur Herausforderung wurde», gab Ricciardo Einsicht in sein Cockpitleben beim Monaco-GP. Erschwerend kam hinzu, wie Horner beifügte, dass Ricciardo beziehungsweise dessen «Bulle» ohne siebten Gang auskommen musste (der achte ist in Monaco fast überflüssig). Und das ausgerechnet in einem Rennen, bei dem Gänge wichtig sind: Beim Strassenroulette sind es über 4000 Schaltvorgänge.
Verständlich, dass Daniel Ricciardo in der 71. Runde fast verzweifelt in den Helm schrie, der GP möge doch endlich, endlich zu Ende sein. Sauber-Pilot Charles Leclerc war nach der Tunnelausfahrt mit Toro-Rosso-Konkurrent Brendon Hartley gecrasht – während der Aufräumarbeiten gab es eine Virtual-Safety-Car-Phase. «Zum Glück kam da das Safety Car nicht raus. Bei einem Restart hätte ich mit so wenig Power gegen Vettel wohl keine Chance gehabt.»
Es war schlicht eine Meisterleistung: Bis zur 15. Runde hatte der Australier die Konkurrenz bereits um über drei Sekunden distanziert. «Das war er stärker, ich konnte ihm nicht folgen», gab der Monaco-Zweite Sebastian Vettel später zu. Aber auch der deutsche Ferrari-Pilot hatte zunehmend Probleme, verlor das Vertrauen in die Reifen. Das Feld kam wieder dichter an Ricciardo heran, allen voran die ersten Verfolger in den Topautos: Vettel, Lewis Hamilton (Mercedes), Kimi Räikkönen (Ferrari) und Valtteri Bottas (Mercedes). Aber Überholen auf den engen Strassen, zwischen den Leitplanken von Monte Carlo, das war noch nie einfach. Diesbezüglich zeigte nur Ricciardos Red-Bull-Teamkollege Max Verstappen eine Show. Der Holländer, der nach einem Crash im Training nicht einmal in der Quali dabei war (Getriebewechsel), verbesserte sich vom 20. und letzten Startplatz auf Position 9.
Ja, es war ein langweiliges Rennen, welches Ricciardo auf einem anderen, schnelleren, breiteren Rundkurs kaum gewonnen hätte. Die wiederum zahlreichen prominenten Gäste beim prestigeträchtigen Monaco-GP hatten am Sonntag wohl mehr Strahlkraft als die Rundenhatz. Bisweilen musste man von Ricciardos vermeintlicher Schleichfahrt sogar befürchten, dass es nahezu das langsamste Rennen des langsamsten GP im Kalender wird. Ein Blick zurück in die Historie zeigt aber erstaunlicherweise: Der 78. Grand Prix de Monaco war gar nicht so langsam (und hatte unter dem Strich auch wenige Neutralisationsphasen durch das Safety Car nach Rennunfällen). Ricciardo siegte mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 151.750 Kilometern pro Stunde. Schneller war in den vergangenen Jahren nur Jenson Button: 2009 in seinem Titeljahr und mit einem Brawn-Mercedes gewann der Brite mit 155.167 Kilometern pro Stunde im Schnitt.
Der nächste Grand Prix, jener im kanadischen Montreal, wird wieder «normaler» verlaufen und wieder massiv schneller sein, um rund 50 Kilometer pro Stunde mehr im Schnitt. Da wird voraussichtlich Hamilton im Mercedes wieder den Takt angeben. Der Brite wusste um die Schwäche in Monaco, blieb aber mit 110 Punkten trotzdem WM-Leader vor Vettel (96) und Ricciardo (72)