INTERVIEW: ABB WILL MIT DER FORMEL E GRENZEN VERSCHIEBEN

Für Frank Mühlon, globaler Geschäfts­bereichsleiter Elektromobilitäts-Infrastruktur bei der ABB, ist das Titelsponsoring des Schweizer Milliarden­konzerns in der Formel E eine perfekte Visitenkarte.

Frank Mühlon, globaler Geschäfts­bereichsleiter Elektromobilitäts-Infrastruktur bei der ABB

Seit Januar ist ABB Hauptsponsor der Formel E. Ein Engagement, das sich ABB laut Medienberichten bis 2025 einen dreistelligen Millionenbetrag kosten lässt. Als weltweit führender Anbieter von Elektromobilitäts-Lösungen beginnt der Zürcher Konzern demnächst mit seinen Kunden mit dem Rollout der neuen 350-kW-Ultraschnelllader – auch in der Schweiz. Es entstehen Ladeparks, die das Laden der Fahrzeugbatterie in spitzensportliche Sphären anhebt. Das harmoniert mit den sportlichen E-Boliden sehr gut.

AR: Frank Mühlon, wie kam es zur Partnerschaft mit der Formel E?

Wir pflegen einen regen Austausch innerhalb der Branche. Die ABB steht für nachhaltige Technologien; insofern passt die Serie sehr gut zu uns. Gemeinsam wollen wir den Einsatz von nachhaltigen Energie- und Elektro-Mobilitätslösungen vorantreiben. Unser Motto bei ABB  heisst  «Running the World without consuming the Earth». Auch dafür steht unser Engagement bei der Formel E.

Seit diesem Jahr verbindet die boomende Formel E und den Schweizer Weltmarktführer in Sachen Schnelllade­stationen für E-Autos, die ABB, eine Partnerschaft. Bis mindestens 2025 sind die beiden innovativen Partner, die für ein neues Zeitalter der Mobilitätsgeschichte stehen, gemeinsam unterwegs.

In welchen anderen Bereichen ist die ABB als Sponsor tätig?

Wir fokussieren unsere konzernweiten Sponsoring-Aktivitäten. Die Formel E ist unser zentrales Engagement. In der Vergangenheit haben wir uns z. B. am Solar-Impuls, dem Solar-Flugzeugprojekt von Bertrand Piccard und André Borschberg, beteiligt. Lieber ein zentrales Engagement als viele kleine, die verpuffen.

Die ABB glaubt offenbar, dass der Boom in der Formel E anhält?

Natürlich. Möglichst viel CO2 und Stickoxyde zu produzieren, liegt eher nicht mehr so sehr im Trend. Schauen Sie nur, welche Hersteller und wie viele andere renommierte Firmen sich dagegen in der Formel E engagieren. Der Trend ist offensichtlich.

Welchen «Return on Invest» verspricht man sich bei der ABB vom Formel-E-Sponsoring?

Wir reden nicht von einem direkten finanziellen Return, den wir uns erhoffen. Mehr von Kundenbindung, Image, Technologietransfer usw. Die Formel E steht für den Umbruch in eine modernere Zeit. Stichworte dazu sind Digitalisierung, Elektromobilität, Elektrifizierung, Automatisierung – alles Themen, wofür auch die ABB steht und im Markt führend ist. Hier passiert ein sehr guter  «Match».

 


Ein
Pilotstandort wird in der Schweiz sein. Wo und ab wann darf ich aber noch nicht sagen.“

Frank Mühlon,
globaler Geschäftsleiter EV-Infrastruktur ABB


 

Welche Rolle spielt der Formel-E-WM-Lauf in Zürich im Zusammenhang mit dem ABB-Engagement?

Die Formel E ist ein globaler Event. Unsere Partnerschaft basiert auf unseren Kompetenzen und ist unabhängig vom Standort. Andererseits ist es natürlich schön, dass Zürich einer der Stopps ist. Das ist für uns ein Heimspiel, mit dem wir unseren Gästen und Mitarbeitern viel bieten können und werden. Ein schöner Mitnahmeeffekt.

Während des Swiss-E-Prix Zürich gibt es einen Rahmen-Event zum Thema Elektromobilität. Gibt es da schon Ideen seitens der ABB?

Das wird im Moment geplant, aber da wird sicher ein Auftritt kommen.

Das lassen wir uns nicht entgehen.

Warum sind so viele Schweizer Konzerne Partner der Formel E?

Ich weiss es nicht; aber es ist erfreulich. Es zeigt, dass der Trend zur Elektrifizierung und einer anderen, neuen Form der Mobilität von vielen wahrgenommen wird und viele namhafte Firmen darauf setzen.

Die ABB ist in den Bereichen Robotik und Antriebe, Elektrifizierungsprodukte, Industrieautomation und Stromnetze tätig. Welchen Stellenwert nimmt die E-Mobilität in der strategischen Ausrichtung ein?

Die E-Mobilität ist ein strategisches Aushängeschild, weil sie eben für «Running the World without consuming the Earth» steht. Ähnlich wie Robotik. Die beiden Bereiche sind für den Konsumenten greifbarer als etwa die industrielle Automation oder die Fernübertragung von Energie. Wenn Sie also mehr Verständnis unter der breiteren Bevölkerung dafür erzeugen wollen, was die ABB tut, dann sind Themen wie Robotik und E-Mobilität sehr wichtig. Kommt hinzu, dass E-Mobiliät kein isoliertes Thema ist, sondern sich durch mehrere Konzernbereiche zieht. Es geht los bei Antrieben für Fahrzeuge, über die dazu nötige Infrastruktur oder die Bereitstellung und Speicherung von Energie an Ort und Stelle. E-Mobilität ist ein Querschnittsbereich.

Ende 2017 waren 1.5 Prozent des globalen Fahrzeugbestandes elektrifiziert. Mit wie viel Prozent rechnen Sie in 5 bzw. 10 Jahren?

Schwer zu sagen. Wir schauen uns jede Studie an. Deren Spannweiten schwanken jedoch bis zu 100 Prozent. Was jedoch alle Studien gemein haben, ist, dass alle von einem starken Wachstum ausgehen. Der absolute Wert ist in dem Sinn unerheblich.

Die E-Mobilität hat (noch) nicht überall auf der Welt den gleichen Stellenwert.

Die Märkte wachsen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. China ist weit fortgeschritten. Europa und die USA hinken etwas hinterher. Norwegen wiederum ist sehr weit. 1.5 Prozent ist ein Mittelwert. Wir sehen in der von Ihnen genannten Zukunft, dass zirka 20 bis 25 Prozent der Neuzulassungen elektrisch sein werden. Wie viele davon reine Elektroantriebe und wie viele Plug-in-Hybride sein werden, das wird man dann sehen.

In Deutschland können Städte jetzt Dieselverbote aussprechen – spielt das der E-Mobilität in die Karten?

Wenn ich mir heute ein Auto kaufe und vor der Wahl stehe, ob Diesel oder E-Antrieb, hat Letzterer gute Karten. Die Verunsicherung punkto Fahrverboten von Verbrennern in Innenstädten ist sehr gross. Derzeit ist das Angebot an E-Autos zwar noch ziemlich überschaubar, doch das wird sich schnell ändern. Und wenn parallel auch das Angebot punkto Infrastruktur augenscheinlich wächst – und dafür sind wir von der ABB mit unseren Partnern da – dann wird der Schritt zur E-Mobilität immer leichter.

Die Automobilbranche befindet sich am grössten Wendepunkt ihrer Geschichte – alle grossen Hersteller sind dabei, Modelle mit E-Antrieb zu lancieren. Das E-Auto wird sexy, auch wenn es für viele noch zu teuer ist. Wie sehen Sie das?

Die Anschaffungskosten werden stark getrieben von den Batteriekosten und diese wiederum sind im Sinkflug; insofern wird sich das auf die Verkaufspreise der E-Autos auswirken. Andererseits sind die Unterhaltskosten beim E-Auto klar tiefer als beim Verbrenner. Strom ist billiger als Benzin und im E-Auto gibts viel weniger Verschleissteile. Insofern ist der Break Even für den Konsumenten sehr nahe. Letztlich muss das Ganze  ja für den Autofahrer wirtschaftlich aufgehen, damit die E-Mobilität in der Breite ankommt.

Können Sie zu den Unterhaltskosten von E-Autos etwas sagen? Fehlt es noch an Referenzwerten?

Ich kann keine konkreten Werte nennen, aber wie gesagt ist es billiger, Strom zu tanken als steuerbelasteten Diesel oder Benzin. In jedem Fall aber ist der E-Motor viel einfacher und robuster als ein Verbrenner.

Heute dauert es im Idealfall 40 bis 50 Minuten, bis ein E-Auto für bis zu 300 bis 400 km Reichweite geladen ist. Mit welcher Entwicklung rechnen Sie in dieser Hinsicht?

Heute liegt das Spannungsniveau bei den Ladestationen in der Regel bei 400 Volt und geladen wird mit 50-kW-Leistung. Daraus ergeben sich die   rund 45 Minuten für rund 300 bis 400 km. Allerdings bringen wir als Technologieführer dieses Jahr in den USA und Europa Systeme mit 350 kW und einem Spannungsniveau von über 800 Volt auf den Markt. Wenn ein Fahrzeug diese Leistung aufnehmen kann – und es kommen Fahrzeuge, die das können –, dann können Sie 300 km Reichweite in zirka zwölf Minuten «tanken». Das ist dann genau der Wert, den man anstrebt und der mit der Zapfsäule vergleichbar ist.

Und wann stehen solche Ladestationen zur Verfügung?

Wir befinden mit unseren Kunden, die diese Ladeparks betreiben werden, im Rollout. Ich denke, die Öffentlichkeit wird in den nächsten Monaten einiges darüber zu hören und zu lesen bekommen, sobald unsere Kunden mit ihren Communiqués rausgehen. Wir reden hier von Ladeparks mit vier bis acht Ladestationen, ähnlich denen, wie man sie heute von den Superchargerstationen von Tesla kennt.

Diese Parks dürften nicht mitten in der Stadt zu finden sein, oder?

In der Stadt machen solche «Kraftwerke» wenig Sinn. Hier ist die Lösung mit 50-kW-Säulen perfekt. Diese Stationen sind autark und passen überall hin. Die Ladeparks ihrerseits werden tendenziell an Hauptverkehrsrouten zu finden sein. Die meisten unserer Kunden sprechen von vier bis sechs Stationen, die sie pro Park aufstellen wollen. Das Ganze ist mit einer Mittelspannungsstation verbunden, schliesslich bewegen wir uns dann in einem Bereich  von 1.2 bis 2 Megawatt, die verfügbar sein müssen.

Sind solche Ultraschnellladeparks auch in der Schweiz geplant?

Ja, ein Pilotstandort wird in der Schweiz sein. Mehr als einer sogar, aber wo, wie, wann, darf ich nicht sagen – das werden Sie von unseren Kunden bald erfahren.

Sie haben es angetönt. Fehlen die Fahrzeuge, die solch gigantischen «Stromstösse» aufnehmen können?

Ja, aber ich bin überzeugt, dass es nicht lange dauert, bis da etliche auf dem Markt sein werden. Das erste mir bekannte Fahrzeug, das diese Ladeleistung wird aufnehmen können, ist der Porsche Mission E, der per 2019 auf den Markt kommen soll.

Auch punkto Batteriespeicher wurden zuletzt grosse Fortschritte erzielt. War das erst der Anfang?

Der Reichweitenangst begegnen Sie am ehesten mit möglichst grossen Batterien. Allein, je grösser die Batterie ist, desto teurer wird das Auto und desto unattraktiver wird der Einstieg in die E-Mobilität. Letztlich lautet die Frage: Wie viel Kapazität brauche ich wirklich? Da gibts unterschiedliche Bedürfnisse je nach Anwendungsfall. Wenn ich weite Strecken fahren will, sind Batterien mit 80 bis 100 kWh sinnvoll, sonst nicht wirklich.

Die Diskussion darf also nicht dahingehen, ob künftig eine 200- kWh-Batterie auf den Markt muss?

Nein. Für die meisten ist eine kleinere Batterie mit 30 bis 60 kWh, wie  sie heute üblich ist und die den Preis des Autos tiefhält, gekoppelt mit einem flächendeckenden Netz an schnellen Ladestationen, sinnvoller. Der Break Even für den Kunden ist so viel schneller erreicht.

Gehen die Preise für die «kleinen» Batterien runter?

Zweifellos. Das Ziel bei der Batterieproduktion liegt im Allgemeinen bei 100 Euro pro kWh. Derzeit sind wir bei rund 200 Euro, da fehlt also noch einiges. Aber wir erwarten, dass wir bald in den angestrebten Bereich kommen.

Die ABB ist mit über 6000 installierten Schnellladestationen für E-Autos weltweit führend. Die Konkurrenz in dem Bereich wächst künftig massiv. Ionity, ein Joint Venture von BMW, Daimler, Ford und VW, will ein dichtes Netz von Ladestationen in Europa realisieren und Tesla sein Schnellladenetz erheblich ausbauen. Ein Grund für den Einstieg in die Formel E?

Nein, gar nicht. Ionity will einer der grossen Betreiber von Ladeparks werden und ist darum perspektivisch für uns eher ein Kunde denn Konkurrent. Tesla seinerseits betreibt sein eigenes Netzwerk. Aber klar, es gibt Wettbewerber – und das ist ja auch gut so. Das belebt das Geschäft.

Es ist ja nicht so, dass die Elektromobilität ohne Rohstoffe auskommt. Da sind etwa Lithium, Kobalt – die Seltenen-Erde-Elemente, die fast allein aus China kommen – Kupfer usw.?

Die Rohstoffe sind effektiv eines der am kritischsten diskutierten Themen. Lithium und Kobalt vorneweg. Es
gibt nicht wirklich einen Engpass punk­to Verfügbarkeit dieser Rohstoffe, der Engpass liegt eher in der Art und Weise, wie diese Rohstoffe abgebaut werden und wo man sie abschöpfen kann. In diesen Regionen herrschen leider nicht immer die wirtschaftlich stabilsten Verhältnisse. Insofern haben wir natürlich ein Auge darauf, wer Zugang zu diesen Rohstoffen hat.

Es gab schon Automobilhersteller, die sich einen direkten Zugang zu Minen verschaffen wollten?

Was nur bedingt gelungen ist. Es ist klar, dass die Nachfrage nach den genannten Rohstoffen massiv steigt und trotzdem stellen wir einen klaren Preisrückgang bei den Batterien fest.

Wie ist das möglich?

Die Dichte für die Zellen und die Leistungsdichte gehen immer weiter nach oben und gewiss wird es auch bei der Batterietechnologie weitere Fortschritte geben.

Sind der E-Mobilität durch die Rohstoffe Grenzen gesetzt, oder kann man eines Tages auch ohne diese elektrisch unterwegs sein – womöglich dank ABB?

Selbstverständlich wird intensiv an Alternativen für diese kritischen Materialien geforscht, aber nicht bei der ABB, weil wir nicht in der Zellenforschung, sprich Batterieentwicklung tätig sind. Es ist wie gesagt ein kritisch diskutiertes Thema, ganz klar, aber ich würde nicht so weit gehen und sagen, dass das zu einem «Showstopper» für die Elektromobilität werden könnte.

Sie sagen, ABB und Formel E wollen die Grenzen der E-Mobilität mit vereinten Kräften verschieben. Können Sie das konkretisieren?

Auch in der Formel 1 hat man die Grenzen der Technik immer wieder weiter hinausgeschoben. Wie hoch kann ich einen Motor drehen lassen, wie viel Leistung lässt sich aus einem Hubraum herausholen, oder wie leicht kann ich etwas bauen und dabei  noch die nötige Stabilität wahren? In dem Sinn werden wir auch mit der Formel E neue technologische Sphären erreichen.

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