Autos, die fahren, während der Lenker sich mit anderen Dingen beschäftigt – nur nicht mit dem Fahren an sich. Ist das die Lösung für die Verkehrsprobleme in der Schweiz? An der Tagung des Schweizerischen Verbands der Telekommunikation wurden derartige Fragen erörtert. So stellte Peter de Haan von der EBP (Ernst Basler & Partner) Schweiz AG die Resultate einer Umfrage vor. Dabei wurden zwei verschiedene Aspekte untersucht: die automatisierten Fahrzeuge, bei denen der Lenker weiterhin im Fahrzeug sitzt und jederzeit eingreifen kann, wenn das System ausfällt, bis hin zum autonomen Fahren, bei dem kein Fahrer mehr erforderlich ist. Man braucht weder Lenkrad noch sonstige Bedienelemente. Die Insassen werden zu Passagieren.
Interessant ist bei den Antworten das signifikante Gefälle. Zwei Drittel der Befragten befürworten die technische Unterstützung wie Abstandsregeltempomat oder Spurwechselwarner, während die Unterstützung beim automatisierten oder autonomen Fahren doch merklich auf 25 Prozent abnimmt. Sie findet ebenso wenig Anklang wie eine etwaige Treibstoffpreiserhöhung zwischen 20 und 50 Rp./L.
Mobil bleiben im Alter
Den grössten Nutzen sehen die Teilnehmer der Umfrage bei voll autonomen Fahrzeugen in der Erhaltung der Mobilität im Alter aufgrund der Tatsache, dass es wie erwähnt keinen Lenker zur Führung des Fahrzeugs braucht. Der Erhalt der Mobilität ist offensichtlich höchst erstrebenswert für Personen, die selbst nicht lenken können oder wollen, aber trotzdem Mobilität als ein Stück Lebensqualität begreifen.
Diese Einschätzung ist interessanterweise unabhängig von Alter und Geschlecht der befragten Personen und wird sowohl von Autofahrern als auch von den Benutzern der öffentlichen Verkehrsmittel angegeben. Dass an dieser Einschätzung die Fahrlehrer keine allzu grosse Freude haben dürften, liegt auf der Hand, denn für das voll autonome Fahrzeug brauchte es auch keinen Führerausweis mehr.
Während das Argument «Mobil sein auch im Alter» klar obenaus schwingt, folgen mit einigem Abstand die Antworten «weniger Staus» und «weniger Unfälle». «Arbeiten während der Fahrt» wird als letztes Pro-Argument genannt, und zwar auch von Personen, die mitten im Berufsleben stehen.
Öffentliche autonome Fahrzeuge
Die öffentliche Nutzung autonomer Fahrzeuge schätzen die Befragten deutlich positiver ein als die private Nutzung des eigenen Fahrzeugs. Wiederum fast zwei Drittel der befragten Personen beurteilen die Verbreitung in den Städten (Stadt-shuttle) oder den Einsatz von autonomen Kleinbussen auf dem Land als sinnvoll. Das Carsharing von Autos oder die voll autonomen Schulbusse erhalten deutlich weniger Zustimmung von den angefragten Personen.
Höhere Sicherheit
Den grössten Nutzen sehen die Teilnehmer der Studie in erhöhter Sicherheit und demzufolge in der Reduktion von Unfällen beim Einsatz automatisierter Fahrzeuge. Auch die Erhöhung des Verkehrsflusses bzw. die Verminderung von Staus sowie die Energieeinsparung werden positiv beurteilt. Umgekehrt sind fast zwei Drittel der Auffassung, man verlerne bei einem automatisierten Fahrzeug das Autofahren. Ebenso halten 68 Prozent die Haftung bei Unfällen für ein noch grosses und zu lösendes Problem. Ein ebenso hoher Prozentsatz vertraut der Technik noch nicht absolut und ist skeptisch.
Die Ergebnisse stellen klar, dass sich viele der Befragten das von der Technik unterstützte Autofahren gut vorstellen können. Das Fahren in einem voll autonomen Fahrzeug stösst indes noch auf grosse Zurückhaltung. Tendenziell werden jene Anwendungen bevorzugt, bei denen voll autonome Fahrzeuge im öffentlichen Verkehr eingesetzt und genutzt werden
können.
Automatisiert, nicht autonom
Peter Kirchschläger, Professor an der theologischen Fakultät der Universität Luzern, kann in seinen Ausführungen dem automatisierten Fahren viel Positives abgewinnen wie etwa eine Erhöhung der Verkehrssicherheit, eine Reduktion der Umweltverschmutzung, ein Mehr an Selbstbestimmung durch mehr Mobilität, was das gesellschaftliche Leben intensivieren kann. Lieber aber spreche er vom automatisierten Fahren und nicht von autonomen Fahrzeugen. Der Maschine fehle die Autonomie, sie habe kein Gewissen. Die Maschine habe keine Selbstbestimmung, sie sei vom Menschen abhängig. Die letzte Verantwortung liege immer beim Menschen, weil er die Moralfähigkeit besitze, welche der Maschine abgehe.
Kirchschläger plädierte dafür, mit dem Datenschutz sorgsam umzugehen. Jeder Mensch habe das Recht, zu bestimmen, welche Informationen er von sich preisgeben wolle. Deshalb gelte es, aus der grossen Datenmenge von Big Data mit Smart Data einen Nutzen zu ziehen und diesen auf intelligente Weise unter Berücksichtigung des Datenschutzes zu verarbeiten. Beim automatisierten Fahren komme dem Datenschutz nämlich grosse Bedeutung zu.
Zuvor hatte Edith Graf-Litscher, Nationalrätin (SP/TG) und Mitglied der Verkehrskommission, einen Überblick über das Wachstum in der Mobilität gegeben. Beim öffentlichen Verkehr erwartet man den grössten Anstieg, den geringsten beim motorisierten Individualverkehr (MIV). Mit dem Zukunftsbild SmartRail 4.0 könne die Trassenkapazität um 30 % erhöht und die Effizienz gesteigert werden. Graf-Litscher sprach sich für eine bessere Verteilung der Auslastung aus, hielt aber an einem weiterhin offenen Verkehrssystem fest und unterliess es, nur auf den öffentlichen Verkehr zu setzen. Schliesslich warb sie für eine Stärkung der Innovationskraft im ÖV und für die Unterstützung in digitale Infrastruktur, um Kosten für die öffentliche Hand langfristig zu senken.
Raoul Studer