Am Anfang haben uns nur wenige Menschen ernst genommen. Diese Worte gingen Julien Junker an diesem Sonntag, dem 12. November, vielleicht durch den Kopf, als er vor dem vollen Saal des Kinos Rex 1 in Vevey VD stand. Er und sein Begleiter bei diesem Abenteuer, Michael Perrottet, geniessen die wenigen Minuten bis zur Ausstrahlung ihres ersten Werkes «The Road Passion», das sie als Amateure verwirklicht haben. Am Anfang, 2013, waren sie zu zweit, das Team ist dann schnell bis auf 25 Personen gewachsen. «Durch unsere Drehs, die Leute, die wir getroffen haben, und die Verbreitung des Projekts ist der Personenkreis nach und nach gewachsen», erzählt der junge Karosseriebauer aus Palézieux VD.
Nachdem er im Alter von 17 Jahren angefangen hatte, kleine Videos zu drehen, die er auf YouTube veröffentlichte, wollte Julien mit 23 Jahren weitergehen: «Ich habe begonnen, meine kleinen Videos als Kapitel zu filmen und diese miteinander zu verbinden, bis ich bei einem Langfilm angekommen war», sagt der heute 27-Jährige. Die Spiegelreflexkamera vom Anfang wurde von professionellen Kameras und Drohnen abgelöst. Das Budget ist natürlich nach oben geschnellt und es mussten Mittel über Crowdfunding-Sites gesammelt werden – 2000 Franken kamen so zusammen. Zudem flossen einige Spenden, aber es war notwendig, die persönlichen Ersparnisse anzuzapfen. «Ich musste 5000 Franken aus der eigenen Tasche berappen», berichtet Julien.
Kritik am Fehlen von Rennstrecken
Doch all das konnte Julien Junker nicht stoppen, für den die Botschaft des Films einige Opfer wert war. «In der Schweiz ist die Liebe für Autos durch Aspekte wie Ökologie oder Sicherheit infrage gestellt», bedauert er. «Mit diesem Spielfilm wollte ich zeigen, dass hinter der Leidenschaft für das Automobil Menschen und Gefühle stehen und dass wir Tausende sind, die diese Leidenschaft leben. Ich kritisiere auch das Fehlen von Infrastruktur in der Schweiz wie Rennstrecken, wo wir Spass haben könnten – in aller Sicherheit.»
Im Saal wird es dunkel, die Filmrolle läuft. Sogleich klagt eine Stimme aus dem Off an: «Ein Land, das versucht, unsere Leidenschaft sterben zu lassen.» Es folgen Sequenzen in der Ästhetik von Werbefilmen mit zahlreichen durch Drohnen gefilmten Bildern. Ein Porsche 911 und ein Nissan GT-R sind bei einer Spassfahrt auf einer Passroute (für den Dreh geschlossen) zu sehen, gefolgt von intensiven ruckelnden Nahaufnahmen per Onboard-Kamera. Das Filmteam hat sich danach an die Fersen des Schweizer Driftfahrers Arnaud Emery geheftet und seine Entwicklung bei Wettkämpfen verfolgt; spektakuläre Aufnahmen wechseln mit Originaltönen des Protagonisten. Es folgen einige schöne Bilder eines seltenen Lexus LFA und eines Honda NSX, jedoch ohne echte Botschaft. Schliesslich haben die Regisseure dem jungen Besitzer eines Nissan Skyline GT-R von 1972 eine Sequenz gewidmet, die den Kontrast zwischen seinem Alltag als Autoverkäufer und seinen mit dem Japaner verbrachten Wochenenden darstellt.
An der Wegkreuzung
Am Ende der Vorführung ist es schwierig, diesen Langfilm, den Junker als «Dokumentarfilm» bezeichnet, zu kategorisieren. Dem Werk von Julien Junker und Michael Perrottet fehlt das Drehbuch für einen Spielfilm sowie die Struktur für einen Dokumentarfilm und es ähnelt eher einer Aneinanderreihung verschiedener nicht zusammenhängender Sequenzen. Der rote Faden und die Botschaft verlieren sich in unerklärlichen Längen – war es notwendig, dem Besitzer des Skyline 1972 bei so vielen Einzelheiten der morgendlichen Vorbereitung zu folgen? – und in bestimmten Abschnitten, deren Nutzen schwer zu verstehen ist. Auch wenn der Plot des Films Schwächen hat, ist es jedoch gelungen, die Schwachstelle von «The Fast and the Furious» zu umschiffen: Der Film ermutigt niemals zu wilden Rodeos oder gefährlichem Fahren auf offener Strasse. Vielmehr sensibilisieren die Regisseure mit Miniporträts in geleckter Ästhetik für ihre Botschaft. Die Qualität der Aufnahmen, der Bilder und deren Verarbeitung sind überraschend. Die fehlerlose technische Produktion beeindruckt ebenso; es ist schwer zu glauben, dass «einfache» Enthusiasten ohne spezifische Ausbildung diese Arbeit geleistet haben. «Dank der Praxis habe ich mich mit dem Film weiterentwickelt», sagt Julien Junker. «Ich habe viele Versuche unternommen und zahlreiche Einstellungen ausprobiert, all das in meiner Freizeit. Im Internet kann man viele Dinge lernen!» Vor allem brauchte es Zeit und davon viel: Julien schätzt, dass er etwa tausend Stunden am Schnittplatz verbracht hat.
«Am Anfang sind alle hochmotiviert und engagieren sich zu 2000 %, aber wenn man all seine Wochenenden damit verbringt, an Details zu arbeiten, beginnt der Elan zu schwinden», so der junge Mann weiter, der auf zahlreiche Ferien verzichten musste. «Dann kommen Zweifel auf, man fragt sich, ob dies den Leuten wirklich gefallen wird, ob all die in das Projekt gesteckte Energie sich gelohnt hat.»
Eine zweite Folge?
Mit Blick auf die erfreuten Gesichter und Kommentare der Zuschauer am Ende der Vorführung – in der Mehrzahl Freunde, Familienmitglieder oder Bekannte des Filmteams – scheint es, als ob Julien Junker und sein Team ins Schwarze getroffen haben. Tatsächlich erreicht das Werk, eine glühende Hommage an das Automobil, sein Ziel: Dieser Spielfilm beweist, dass der Leidenschaft für das Automobil in der Schweiz noch schöne Stunden bevorstehen und vor allem, dass dadurch noch tolle Projekte möglich sind. Für Julien Junker ist das nicht das Ende, denn er denkt bereits an einen zweiten Teil: «Jetzt nehmen wir ein Jahr lang Ferien, bevor wir die Produktion fortsetzen. Wir werden eine Europatour unternehmen und Menschen treffen, die etwas zum Thema Automobil zu sagen haben.» Das Team wird sich auch auf Europatournee begeben, um den Film zu zeigen. Eine Veröffentlichung auf DVD ist ebenfalls geplant.