Eine von Nationalrat Thierry Burkart (FDP/AG) eingereichte Motion verlangt, dass das Rechtsvorbeifahren generell erlaubt wird und das Rechtsüberholen weiterhin untersagt bleibt. Der Bundesrat hat die Annahme der Motion beantragt. Burkart rennt mit seiner Motion allerdings offene Türen ein. Denn nach Angabe von Thomas Rohrbach, Sprecher des Bundesamts für Strassen (Astra), ist man im Astra bereits daran, diese Sache vertieft zu prüfen. Es ist beabsichtigt, in einem gross angelegten Vernehmlassungsverfahren diese Frage und andere wie etwa die Rettungsgasse bei Unfällen oder das Reissverschlusssystem im kommenden Jahr zur Diskussion zu stellen.
Zu begrüssende Lockerung
Die Erlaubnis des Rechtsvorbeifahrens auf Autobahnen und Autostrassen stellt mit Sicherheit eine zu begrüssende Lockerung dar, wirft jedoch eine gewichtige Frage auf, nämlich diejenige nach der Unterscheidung zwischen den beiden Manövern. Im Interesse der Rechtssicherheit muss diese Frage restlos im Gesetz geregelt werden, damit auch die gewünschte Wirkung der Neuerung sich entfaltet.
Die bisherige Praxis des Bundesgerichts erlaubte lediglich das Rechtsvorbeifahren an einer langsamen Kolonne, wobei der Begriff Kolonne immer wieder neu interpretiert wurde. Während Richter in den älteren Entscheiden auf den Abstand zwischen den Fahrzeugen auf beiden Fahrstreifen abstellten, benutzte man in den jüngeren Entscheiden den Geschwindigkeitsunterschied zwischen links und rechts fahrenden Fahrzeugen als Orientierungshilfe. In beiden Fällen trägt die Annahme einer Kolonnenregelung nur mässig zum Erfolg der Lockerungsmassnahme bei, da vor notorischen Linksschleichern (nicht in Kolonnen unterwegs) gleichwohl abgebremst werden müsste.
«Keep your lane» als Lösung?
Wesentlich sinnvoller ist die in den USA geltende Regelung «Keep your lane», ein generell erlaubtes Vorbeifahren also, bei dem den rechts fahrenden Fahrzeugen das Beibehalten der konstanten Geschwindigkeit erlaubt ist, auch wenn ein oder mehrere Fahrzeuge auf der linken Spur langsamer unterwegs sind. Nur so wird die Fahrbahn maximal genützt und die Kapazität der Hochleistungsstrassen gesteigert.
Keine zusätzliche Gefahrenquelle
Sicherheitsbedenken wird dabei gebührend Rechnung getragen, denn bei genauem Hinsehen entsteht durch rechts vorbeifahrende Fahrzeuge keine zusätzliche Gefahrenquelle für die Verkehrsteilnehmer. Lenker, die sich auf der Überholspur befinden, sind gerade dabei, ein Überholmanöver zu absolvieren, und zu jedem solchen Manöver gehört naturgemäss ein Blick in den linken Spiegel beim Ausschwenken und ein Blick in den rechten Spiegel beim Wiedereinbiegen. So werden auch schnell vorbeifahrende Fahrzeuge problemlos erkannt, ob sie von links oder von rechts kommen.
Naturbedingt unterscheidet sich das Überholen vom Vorbeifahren durch den zweimaligen Fahrstreifenwechsel. Rechtsüberholen soll weiterhin verboten sein, da es gleich mehrere Gefahrenquellen darstellt wie die des «doppelten Überholens», um ein brisantes Beispiel zu nennen, bei dem ein auf dem mittleren Streifen fahrendes Fahrzeug gleichzeitig links und rechts von Fahrzeugen überholt wird, die anschliessend beide auf den mittleren Streifen wechseln und miteinander kollidieren. Es ist jedoch wünschenswert, dass das Rechtsüberholen in den Bussenkatalog aufgenommen wird und nicht als Vergehen fortbesteht. So werden Autolenker weniger kriminalisiert, und die Justiz wird entlastet.
Klare gesetzliche Regelung
Als Fazit bleibt festzuhalten: Eine Lockerung der Regelung für Rechtsvorbeifahren auf Autobahnen ist zu begrüssen, vorausgesetzt jedoch, dies wird klar und lückenlos im Gesetz geregelt. Zudem ist im Interesse der Rechtssicherheit eine Erweiterung des Bussenkatalogs auf Delikte zu wünschen, die heute durch den Richter unter «grobe Verletzung der Verkehrsregel» subsumiert werden.
Serge Claxon