DAS KOSTET UNS DER VERKEHR

Die ÖV-Benutzer bezahlen knapp die Hälfte der Kosten, während die Autofahrer 90 Prozent ihrer Kosten entrichten.

Was kosten eigentlich der öffentliche und der motorisierte Stras­senverkehr? Sehr viel jedenfalls, wenn man die Zahlen des Bundesamts für Statistik (BfS) für 2014 betrachtet, die dieses kürzlich vorgelegt hat. So betrugen beim Strassenverkehr die Kosten 75 Mia. Franken und beim Schienenverkehr 19.5 Mia. Franken. Gegenüber 2013 stiegen die Kosten beim Strassenverkehr um etwas über 500 Mio. Franken und beim Schienenverkehr um etwas über 180 Mio. Franken. Und mit dem neuen geplanten Investitionsprogramm von 12 Mia. Franken für Bahnausbauten bis 2035, das der Bundesrat vergangene Woche in die Vernehmlassung geschickt hat, dürften die Kosten beim Schienenverkehr noch einmal
zunehmen.

Autofahrer decken fast ihre Kosten

Nichts Neues zeigen die Zahlen, wenn danach gefragt wird, wer die Kosten trägt. Beim privaten motorisierten Stras­senverkehr decken die Nutzenden
90 Prozent ihrer Kosten, vor allem für die Anschaffung und den Betrieb des privaten Fahrzeugs, aber auch durch die Steuern auf den Treibstoffen. Die Allgemeinheit übernimmt 10 Prozent, das sind die Privatpersonen, denen volkswirtschaftliche Kosten durch die vom Verkehr verursachten Umwelt- und Gesundheitsschäden entstehen.

Beim öffentlichen Strassenverkehr und beim Personenverkehr auf der Schiene tragen die Nutzer nur 43 bzw. 44 Prozent der Kosten in Form von gekauften Billetten oder Abonnementen, während 51 bzw. 48 Prozent die öffentliche Hand (Bund, Kantone und Gemeinden) trägt, indem sie Teile der Verkehrsinfrastruktur und Verkehrsplanung finanzieren und Abgeltungen für die bei den Transportunternehmen bestellten Leistungen zahlen, oder auch Polizei- und Rechtsfolgekosten infolge von Verkehrsunfällen. Zulasten der Allgemeinheit gehen 5 Prozent der Kosten.

Nicht überall profitabel

Dieses Ungleichgewicht bei der Finanzierung der Kosten der beiden Verkehrsträger ist wie erwähnt bekannt. Eine Möglichkeit bestünde vielleicht darin, unrentable Bahnstrecken auszudünnen oder stillzulegen.

Dagegen wehrt sich Ueli Stückelberger, Direktor des Verbands öffentlicher Verkehr (VÖV), und erklärt: «Dem ÖV kommt gerade in allen Landesteilen eine sehr grosse Bedeutung zu. In ländlichen Regionen und in der ganzen übrigen Schweiz zu Randstunden kann der ÖV nicht kostendeckend betrieben werden. Der ÖV Schweiz ist als Netz zu betrachten, dazu gehören finanziell gute Linien wie auch Linien mit geringem Kostendeckungsgrad. Hingegen ist es eine Daueraufgabe der Transportunternehmen, effizienter zu werden, was der Branche in den letzten Jahren auch gelungen ist.»

Deswegen hält der VÖV-Direktor einen weiteren Ausbau des ÖV-Netzes für sinnvoll und verantwortbar, denn gerade in den Agglomerationen bestünden Engpässe. Es sei ein Standortvorteil der Schweiz, dass unser ÖV-System sehr zuverlässig und attraktiv sei und über ein hohes und dichtes Angebot verfüge. Das müsse auch in Zukunft so sein.

Höherer Billettpreis begünstigt Wegzug

Dass die ÖV-Benutzer die gesamten Kosten dieses Verkehrsträgers bezahlen, ist eine Illusion, denn das hätte eine massive Erhöhung der Billettpreise für Bus und Bahn zur Folge. Und es würde eine Abwanderung auf die Strassen begünstigen, was wiederum zu noch mehr Staus auf diesen führen würde. Das sieht auch Nationalrat Walter Wobmann (SVP/SO) so, wenn er anerkennt, dass der öffentliche Verkehr auf der Strasse und auf der Schiene aus Steuergeldern subventioniert werden muss.

Trotzdem ist er der Ansicht, dass in Stosszeiten eine andere Tarifierung zumindest geprüft werden müsste. Und er stört sich im Weiteren daran, dass mit den Abgaben aus dem Privatverkehr der öffentliche Verkehr mitfinanziert wird.

Ja zur ÖV-Finanzierung

Allerdings haben die Stimmbürger sowohl der Fabi-Vorlage (Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur) mit dem BIF (Bahninfrastrukturfonds) im Februar 2014 als auch der NAF-Vorlage (Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds) im Februar 2017 mit je über 60 Prozent zugestimmt. Wobmann akzeptiert diesen Entscheid der Stimmbürger. Etwas anderes ist auch nicht sinnvoll.

Dennoch stellt er sich die Frage, ob nicht der öffentliche Verkehr vermehrt aus allgemeinen Steuermitteln zu unterstützen ist, damit für den Privatverkehr die von diesen generierten Mitteln bei der Strasse bleiben, denn diese benötigt grosse Geldmittel. Indes ist nach der Niederlage (über 70 Prozent Nein-Stimmen) der von den Strassenverkehrsverbänden aufgegleisten Initiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung» (Milchkuh-Initiative) vom 5. Juni 2016 an diesem Verdikt nicht mehr zu rütteln, denn es geniesst offensichtlich den Rückhalt in der Bevölkerung. Man mag das bedauern. Ein neuer Anlauf, diesen Entscheid umzustossen, würde aber nur als Zwängerei betrachtet.

Wie viel ÖV darf es denn sein?

Die Frage, wie viel öffentlichen Verkehr wir wollen und wie viel wir dafür zu bezahlen bereit sind, ist – da hat VÖV-Direktor Stückelberger wohl Recht – eine gesellschaftliche Frage. Die Ergebnisse der erwähnten Verkehrsabstimmungen sind ein gut eidgenössischer Kompromiss und Ausdruck schweizerischer ­Realpolitik. Abzuwarten bleibt, wie die ÖV-Benutzer reagieren werden, wenn die Kosten angesichts der beabsichtigten Milliarden-Bauvorhaben in die Höhe schnellen und sie zusätzlich zur Kasse gebeten werden. 

AO

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