MEIN ERSTES MAL…

Wie fühlt sich der absolute Ferrari-Neuling, wenn er erstmals im Leben ein 260 000 Franken teures Supersportgeschoss pilotieren darf? Die Angst weicht dem Respekt, und der Respekt geht in pure Faszination über!

AR-Redaktor Peter Rohrer fährt zum ersten Mal einen Supersportler von Ferrari.

Anfang Juni dieses Jahres hat Ferrari Schweiz zu exklusiven Testfahrten auf dem Flugplatz bei Buochs NW und den Ufern des Vierwaldstättersees entlang geladen. Auf der Terrasse des edlen Hotels Villa Hon­egg in Ennetbürgen NW, ­malerisch ein paar hundert Meter oberhalb des Vierwaldstättersees gelegen, erwartete uns an diesem freundlichen Frühsommertag bereits ein beeindruckendes Line-up brandneuer Ferrari 488 GTB und Spider in Corsa-Rot, Modena-Gelb und DS-1250-Schwarz. Mit der Modellbezeichnung «488 GTB» setzt Ferrari übrigens eine alte Tradition fort, wonach die Zahl den Einzelzylinder-Hubraum des Motors benennt und die Buchstaben für «Gran Turismo Berlinetta» stehen.

Bei diesem Anblick begannen sich mir als veritablem Ferrari-Rookie an den Unterarmen bereits die Härchen zu sträuben, mit einer Mischung aus Angst vor den und Vorfreude auf die sündhaft teuren und wohl schwer zu zähmenden Edelpferdchen. Was, wenn ich so ein Geschoss irgendwo gegen eine Mauer setze?, schoss es mir durch den Kopf, im Geiste die teils engen Serpentinen zur Villa Honegg hinauf Revue passieren lassend.

Aber: First things first …

Ich übernahm also «meinen» leuchtend roten Ferrari 488 GTB, und nach einer kurzen Einweisung in die Spezifika seiner Bedienung – «Stellen Sie das Manettino heute niemals auf ‹Race› oder gar ‹CT off›!» – gings im Konvoi die Passstrasse runter gen Flugplatz. In den engen Haarnadelkurven bildeten sich beim Kreuzen mit hochfahrenden Autos erste Schweissperlen auf meiner Stirn, als ich in den Seitenspiegeln sah, wie nahe mein zwei Meter breiter Bolide oftmals der Felswand kam. Auf dem Flugplatz Buochs waren die Platzverhältnisse dann glücklicherweise etwas komfortabler, sodass ich es kaum erwarten konnte, diesem bildschönen Rennpferdchen die Sporen geben zu können. 

Die Jagd um die Pylonen

Mit dem V8-Mittelmotor im 488 öffnet die Marke mit dem springenden Pferd ein neues Kapitel ihrer vor 40 Jahren mit dem 308 GTB begonnenen Achtzylinder-Geschichte. Das doppelt turbogeladene Vierliter-Aggregat mit seinen 670 PS und 760 Nm Drehmoment soll durch sein verzögerungsfreies Ansprechverhalten frei von jeglichem Turboloch sein und so ein F1-artiges Fahrerlebnis bieten, haben wir erfahren. Ermöglicht werde dies u. a. durch leichte und trägheitsarme Kompressorräder aus einer Titan-Aluminium-Legierung sowie ein neu entwickeltes Turbinengehäuse. Die Gas­pedal-Reaktionszeit betrage ­dadurch lediglich noch rekordverdächtige 0.8 s bei 2000/min im dritten Gang, schwärmten die Ferrari-In­struktoren. «Ja, ja, beeindruckend, aber ich wills jetzt endlich selbst auf der Betonpiste ausprobieren!»

Auf dem einem Slalom-Rennen nachempfundenen Handling-Parcours peitschte ich den 488 GTB dann genüsslich durch gnadenlose Beschleunigungsorgien, im Sekundentakt gefolgt von Gummi verdampfenden Bremsattacken um die Pylonen und durch die Tore, begleitet vom infernalischen Ferrari-Sound aus der völlig neu konzipierten Abgasanlage. «Die Karre geht ja ab wie eine Rakete, zeitverzugslos, wenn man aufs Gas tritt und bleibt dennoch jederzeit stabil und problemlos beherrschbar!», entfuhr es mir begeistert. Fahrzeugelektronik und Kontrollsysteme sind zu diesem Zweck so abgestimmt, dass der Fahrer das gesamte Leistungsvermögen des Autos jederzeit abrufen kann und so ein messerscharfes Fahrverhalten erlebt.

Fahreigenschaften wie Kaviar mit Krim-Sekt

Das weiterentwickelte und an die Traktionskontrolle sowie an das aus der Formel 1 stammende elektronische Differenzial gekoppelte «Slide Slip Control»-System ermöglicht es, selbst extremste Fahrmanöver jederzeit stabil zu beherrschen. Der 488 GTB fährt wie auf Schienen, und es will kaum gelingen, den vorne knapp 25 cm und hinten gut 30 cm breiten Reifen auf dem Beton der Buochser Startbahn ein Quietschen zu ent­locken. Wenn Leistung an­gefordert wird, schaltet das progressiv ausgelegte Doppelkupplungsgetriebe pfeilschnell, und dank variabler Drehmomentsteuerung wird bei höheren Gängen kontinuierlich mehr Torsion an die Antriebsachse geleitet, sodass ein Gefühl von nicht enden wollender Leistung vermittelt wird. Mit dem 488 GTB ist es denn auch ein Leichtes, in 3.0 s die 100-km/h- und nach weiteren 5.3 s die 200-km/h- Marke zu knacken.

Zum Stillstand von 100 km/h auf 0 kommt dieses Cavallino Rampante dann dank fast 40 cm durchmessenden Brembo-Bremsen aus dem LaFerrari bereits nach spektakulären 29.5 m, und von 200 km/h stehen die 20-Zoll-Niederquerschnitt-Reifen nach 117 m still. Diese absurde Verzögerungsleistung nutzte ich beim abschliessenden Slalom-Wettbewerb unter uns geladenen Gästen für die Punktlandung im Ziel-Gate dann auch hemmungslos aus und erreichte so auf Anhieb den dritten Schlussrang. «Gar kein so schlechter Einstand für mein erstes Mal im Cockpit eines Renners aus Maranello», sinnierte ich zufrieden.

Auf dem engen, auf Fahrpräzision und Reaktionsschnelle ausgerichteten Parcours in Buochs war es natürlich nicht möglich, den absurden Topspeed des 488 GTB von über 335 km/h auch nur annähernd auszuloten, sodass der beste je bei einem Serien-Ferrari erzielte cw-Wert gar nicht wirklich zum Tragen kam. Die Ferrari-Ingenieure generieren mit neu entwickelten aerodynamischen Elementen wie dem frontseitigen Aero Pillar und dem F1-inspirierten Doppelspoiler, dem optimierten Unterboden mit Vortex-Generatoren, den seitlichen Lufteinlässen mit zen­tralem Splitter sowie dem Heckdiffusor mit CPU-gesteuerten Flaps 50 % mehr Abtrieb als beim Vorgängermodell, was bei 250 km/h in einem Anpressdruck von satten 325 kg resultiert.

 

Aussen und innen eine Augenweide

Designt wurde die 488er-Berlinetta im Ferrari Styling Center, wo ihr das gebotene ­aggressive Styling aus den ­Maranello-typischen klaren Linien verpasst wurde. Auffälligstes Merkmal sind die seitlichen, geradezu skulptural wirkenden Flanken mit den zweigeteilten Lufteinlässen – eine Reminiszenz an den Ferrari 308 GTB. Die Front ist durch den doppelten Kühlergrill charakterisiert, welcher die Luft zu den beiden Wärmetauschern leitet, sowie den Doppelspoiler, der an einen F1-Rennwagen gemahnt. In der Heckansicht fallen der ­Unterzugsspoiler und die gros­sen Luftschächte auf. Der neue Dreischichtlack in «Rosso Corsa Metallizzato» schliesslich passt mit seinem speziellen Glanz von Millionen von Mikropartikeln hervorragend zum sportlichen, eleganten und exklusiven Charakter dieses Fahrzeugs.

Das Interieur des Ferrari 488 GTB verströmt Renn­atmosphäre pur, was durch das konsequent auf den Piloten ausgerichtete Cockpit erreicht wird. Die meisten Funktionen lassen sich denn auch direkt über das Lenkrad steuern, alles andere über Bedienelemente, die direkt im Blickfeld liegen. Die Trennung zwischen Armaturenbrett und Mitteltunnel, die dort befestigte Kontrolleinheit oder das Multifunktionslenkrad mit dem legendären Manettino und dem «Start/Stopp Engine»-Knopf kommunizieren zudem die typische Ferrari-DNS. Und auch das Display des neuen Sport-Infotainment-Systems liegt weiterhin im Instrumententräger, direkt im Blickfeld vor dem Fahrer.

Auch der Komfort im Ferrari-Cockpit steht der höchsten Funktionalität und Ergonomie – erwähnt seien hier nur noch die Lüftungsdüsen im Militärflugzeug-Look links und rechts des Armaturenträgers – in nichts nach, wie ich anlässlich der ausgiebigen Rundfahrt entlang des Vierwaldstättersees und durch Teile der Innerschweiz feststellen durfte. Die minutiös überarbeiteten sowie neu mit festen Kopfstützen ausgestatteten und somit leichteren Sitze bieten, dank angepassten Profilen und Polsterungen, besten Seitenhalt und hervorragenden Sitzkomfort auch für lange Strecken. Handverarbeitete Materialien mit sportlich-elegantem Finish verstärken den edlen Eindruck im Interieur.

Träumen kann man ja …

So sehr ich dieses Schnuppern von Fer­rari-Luft und -Duft genossen habe, so un­erreichbar wird dieser Traumwagen für mich und wohl die meisten unter unseren Lesern bleiben. Der Basispreis von 257 300 Franken für die zugegebenermas­sen in höchstem Masse lustvolle Beförderung von zwei Personen mit ihren zwei Wochenendtaschen im 230 l fassenden «Koffer»raum übersteigt meinen finanziellen Horizont bei Weitem. Daran ändert leider auch das im Kaufpreis inkludierte und alle regulären Wartungsarbeiten abdeckende 7-Jahr-Maintenance-Programm nichts. Von den zahlreichen Optionen wie Karbon-Pakete für aussen und innen zur Verschönerung von Frontspoiler, hinterem Extraktor, Schwellerleisten usw. und dem vom LaFerrari bekannten Telemetrie-System oder High-End-Audiosystem aus dem umfangreichen Personalisierungsprogramm ganz zu schweigen.

Ah, und dann gäbe es ja auch noch den 488 Spider, das Ferrari-Cabrio, welches um das revolutionäre faltbare Hardtop (RHT) herum entwickelt worden ist. In Ausstattung und Eckdaten entspricht der Spider exakt dem GTB, kostet allerdings mindestens 28 629 Franken mehr als seine Berlinetta-Schwester. Bei der nächsten Ferrari-Einladung will ich definitiv den Höllensound des V8 auch mal noch «oben ohne» geniessen und mir geschmeidig den Wind – na ja – über die Kopfhaut zischen lassen!  

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