Das Projekt «Optimierung der Fahrausbildung (Opera-3) wirbelt Staub auf, und zwar ganz gehörig. Denn verschiedene bisherige Bestimmungen sollen geändert werden (vgl. AR 18/2017) gemäss der bundesrätlichen Vorlage, die sich noch bis zum 26. Oktober 2017 in der Vernehmlassung befindet. Damit sollen die Anforderungen zur Erlangung des Führerausweises angehoben werden. Ziel und Zweck der vorgeschlagenen Änderungen sind es, die Zahl der Verkehrsopfer weiter zu senken, auch wenn bis dahin schon beachtliche Erfolge zu verzeichnen sind. Vor allem geht es darum, bei den Junglenkern, die erfahrungsgemäss öfter in Unfälle verwickelt sind, den Hebel anzusetzen. Doch nicht nur sie, sondern alle Neulenker sollen gemäss dem bundesrätlichen Entwurf zwei Fahrlektionen bei einem Fahrlehrer absolvieren, bevor sie zur Prüfung antreten. Anderseits sollen Prüflinge, welche die Prüfung auf einem Auto mit Automatikgetriebe bestanden haben, auch handgeschaltete Autos fahren dürfen.
Astra wird unterstützt
Gerade dieser Punkt hat zu einer grösseren Diskussion geführt. Entstanden ist der Vorschlag dazu im Bundesamt für Strassen (Astra). Man habe sich dabei an die Regelung für Motorräder gehalten, als die gleiche Thematik zur Debatte stand. Damals sei das Ganze klaglos über die Bühne gegangen, erklärt auf Anfrage Astra-Sprecher Thomas Rohrbach. Deshalb wolle man dieselbe Regelung auch für Personenwagen einführen. «Wir haben keine Hinweise, dass die Getriebefrage statistisch eine Auswirkung auf das Unfallgeschehen hat, und wir befürchten deswegen auch kein Chaos auf den Strassen», ergänzt Rohrbach weiter.
Unterstützt wird er dabei von Jürg Benz, Fahrlehrer in Bern und bis Ende 2016 Präsident des Berufsverbands freier Autofahrlehrer, der den vom Astra vorgeschlagenen Weg in der Tendenz begrüsst, «denn es gibt immer weniger Autos mit Handschaltung». Und auch er verweist auf die gleiche Regelung bei den Motorrädern. Diese sei damals eingeführt worden und kein Hahn habe danach gekräht. Es gebe in der Tat zwar Fahrschüler, die mit dem Schalten erhebliche Probleme bekundeten. Denen empfehle er aber nach einer gewissen Zeit, es auf einem Automaten zu versuchen. Denkbar wäre, so Benz, eine Zusatzprüfung für Fahrschüler von handgeschalteten Autos, die auf einem Automaten die Prüfung abgelegt hatten, falls die Idee des Astra keine Mehrheit findet.
Viel mehr beunruhigt Benz der Vorschlag, dass in Zukunft der Lernfahrausweis unbeschränkt gültig sein soll. Das bedeutet, dass jemand ein ganzes Autoleben lang mit einer Begleitperson unterwegs sein kann, ohne je die Fahrprüfung zu absolvieren. Für diese geplante neue Vorschrift fehle ihm das Verständnis.
Skepsis bei der bfu
Skeptischer tönt es bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) bezüglich der vorgesehenen Neuerung, mit Prüfung auf einem Automaten auch ein handgeschaltetes Auto fahren zu dürfen. Die bfu begrüsst, wie ihr Sprecher Marc Bächler erklärt, generell die Förderung vom Fahren mit automatischer Schaltung, denn das dient der Verkehrssicherheit. Eine Studie aus Australien zeige aber, dass Fahrer, die ihre Prüfung auf einem Fahrzeug mit automatischer Schaltung abgelegt hätten und später auf einem Auto mit Schaltung unterwegs seien, wegen der ungewohnten und zusätzlichen Ablenkung ein erhöhtes Unfallrisiko darstellten. In der erwähnten Untersuchung wurde bei 1000 Neulenkern die Unfallursache ermittelt. Die Ergebnisse zeigten, dass Neulenker, welche die Prüfung auf einem Automaten abgelegt hatten und später mit Handschaltung fuhren, ein rund siebenfach höheres Unfallrisiko aufwiesen als Vergleichspersonen. Die Stellungnahme der bfu zur Vorlage sei noch offen, sagte Bächler.
Entschieden dagegen
Eine ganz dezidierte Meinung hat Bruno Schlegel, Fahrlehrer und Sektionspräsident der Fachgruppe Auto beim Schweizerischen Fahrlehrerverband: Das Fördern vom Fahren mit Automat verhindere die Ablenkung und das sei grundsätzlich positiv. Aber wer von einem Auto mit Automatikgetriebe plötzlich auf ein handgeschaltetes wechsle, habe oft Schwierigkeiten. Das beeinflusse die Verkehrssicherheit und könne zu brenzligen Situationen führen. Wenn ein Lenker im handgeschalteten Auto mit 80 km/h unterwegs sei und nur noch herunterbremse und nicht mehr zurückschalte, obwohl er Zeit dazu hätte, da beginne der Wagen zu ruckeln und gefährde den Hintermann. Aber auch jemand, der normalerweise einen Automaten fährt und dann von der Garage als Ersatzfahrzeug ein handgeschaltetes erhält, hat oft grösste Probleme, um damit klarzukommen. Wer von einem Automaten auf ein Auto mit Schaltgetriebe umsteigt, müsste deshalb zuerst einige Pflichtlektionen nehmen, ist Schlegel überzeugt.
Unterscheidung bald kein Thema
Pragmatisch sehen schliesslich die Profis der Automaten-Meyer AG in Luzern-Littau, dem Kompetenzzentrum für die Revision von Automatikgetrieben in der Schweiz (s. Artikel auf S. 14), die ganze Diskussion: «Das ist ein alter Zopf! Wir sollten uns an internationale Standards angleichen und mit der formellen Diskriminierung der Automatikfahrer aufhören. In der Zukunft, wenn E-Autos in der Überzahl sind, wird diese Unterscheidung sowieso kein Thema mehr sein», erklärten Inhaber Adrian Marty und Geschäftsführer Franz Lustenberger. Also ganz im Sinn des Astra, dessen Sprecher Rohrbach darauf hinwies, dass angesichts der zunehmenden Elektrifizierung die Fahrzeuge eines Tages keine klassischen Getriebe mehr benötigen und hinzufügte: «Im Astra versuchen wir, Gesetze für die Zukunft zu machen, nicht für die Vergangenheit.»
Raoul Studer