Rund fünf Monate nachdem das Mutterhaus, der Volkswagen-Konzern, u. a. mit den Marken Audi, Seat, Škoda und Porsche, das Zukunftsprogramm «Together – Strategie 2025» präsentiert hatte, orientierte die Marke Volkswagen am Freitag vergangener Woche in Wolfsburg (D) über die Strategie «Transform 2025+». Das von Herbert Diess, Vorsitzender des Markenvorstandes Volkswagen Personenwagen, am 22. November 2016 präsentierte Massnahmenpaket sah unter anderem eine deutliche Steigerung der Effizienz und der Produktivität vor.
Initiiert wurde eine Restrukturierung des Kerngeschäfts bis 2020 und man hat eine Produkteoffensive in der Elektromobilität gestartet. Der Konzern stellte sich zudem in wichtigen Märkten wie Nordamerika, Russland oder China neu auf und kündigte die Lancierung weiterer SUV an. Ferner hatte VW knapp eine Woche zuvor für mehr Effizienz und höhere Werksauslastungen mit den Sozialpartnern den sogenannten Zukunftspakt geschlossen.
Stimmt die Richtung?
Am vergangenen Freitag zog nun die Spitze der Marke Volkswagen gegenüber den Medien ihre erste Zwischenbilanz der beschlossenen Massnahmen in Form eines Jahresgesprächs. «Es ist ganz im Sinne der Transparenz, dass wir Sie von nun an detaillierter und regelmässiger über die Entwicklung von Volkswagen informieren», erklärte Herbert Diess. Für ihn war das Ende des 1. Quartals unter den veränderten Rahmenbedingungen «ein guter Anlass, um zu überprüfen, ob die Richtung stimmt».
Die Marke Volkswagen ist laut Diess auf Kurs. Dies aber gilt nicht nur für den Geschäftsgang, sondern auch für die Bewältigung der Diesel-Krise: «Wir kommen bei der Umrüstung der Dieselfahrzeuge planmässig voran.» Die Kunden seien mit der technischen Umrüstung einverstanden, nur ein Prozent sei mit den Massnahmen unzufrieden. Herbert Diess: «Bis Ende des Jahres 2017 sollen in Europa alle Fahrzeuge der Marke Volkswagen umgerüstet sein. Auch in Nordamerika und anderen Weltregionen wollen wir möglichst bald zum Abschluss kommen.» Diess räumte ein, dass die Diesel-Krise «Kraft und Aufmerksamkeit gekostet hat». Laut dem Vorstands-Chef der Marke Volkswagen PW ist es klar, «dass es viel Aufwand bedeutet, die Strahlkraft der Marke wiederherzustellen».
Starkes 1. Quartal
An diesem ersten Jahresmediengespräch sprach nebst Markenchef Herbert Diess ebenfalls Arno Antlitz. Als Mitglied des Markenvorstandes Volkswagen im Geschäftsbereich Controlling und Rechnungswesen ist er quasi der Chefbuchhalter der Marke VW. Und was Antlitz präsentierte, war ebenfalls ausgesprochen positiv: «Die Marke Volkswagen ist mit einem starken ersten Quartal in das Geschäftsjahr 2017 gestartet». So habe Volkswagen in den ersten drei Monaten dieses Jahres «einen Umsatz von 19 Milliarden Euro erlöst und damit ein operatives Ergebnis von 870 Millionen Euro erzielt». «Diese Geschäftszahlen sind ein klares Indiz, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden», so Antlitz.
Und effektiv kam VW 2017 klar besser aus den Startlöchern als 2015 und 2016. Nun gaben sich die Wolfsburger am vergangenen Freitag aber nicht einfach dem Selbstlob hin, sondern rückten die Dinge auch gleich ins rechte Licht. So wies Arno Antlitz ausdrücklich darauf hin, dass man gegenüber den Vorjahren eine neue Berichtsstruktur habe und «eine Vergleichbarkeit – vor allem bei Absatz und Umsatz – nur begrenzt möglich ist».
Vergleichbarkeit verbessert
Arno Antlitz strich heraus, dass VW das eigene Kerngeschäft – die Entwicklung, der Bau und der Vertrieb von Fahrzeugen der Marke VW – zwar weiterhin selbst verantwortet, doch man habe bis Ende 2016 «einen wesentlichen Teil des Absatzes mit dem Vertrieb von Fahrzeugen anderer Konzernmarken erzielt». Bislang bildete man die Umsätze von Mehrmarken-Importeuren in Märkten wie Grossbritannien, Frankreich oder auch Indien in der Marke Volkswagen ab. Um nun aber mehr über die eigene Performance zu erfahren, wurde das Ergebnis nicht nur um diese konzerninternen Fremdmarken bereinigt, sondern man löste auch einzelne, nicht zum Kerngeschäft gehörende, Gesellschaften wie etwa die Konzernlogistik aus der Marke Volkswagen heraus und integrierte sie ins Ergebnis des Mutterkonzerns. Die vorgenommenen strukturellen Anpassungen erhöhen laut Antlitz die Transparenz, zudem wurde so auch «die Vergleichbarkeit mit den Wettbewerbern verbessert».
Neue Bewertung
Die vorgenommenen Bereinigungsmassnahmen wirkten sich laut Arno Antlitz markant auf das finanzielle Resultat aus: «Im Jahr 2016 haben wir bei der Marke Volkswagen PW einen Umsatz von 106 Milliarden Euro ausgewiesen. Davon entstammen rund 32 Milliarden Euro aus nicht markenbezogenen Aktivitäten. Nach der neuen Berichtsstruktur hätten wir damit 2016 einen Umsatz von 74 Milliarden Euro erzielt.» Und diese Bereinigung wirkt sich auch auf das Ergebnis markant aus. Die entsprechende Reduktion beim Gewinn beträgt 300 Millionen Euro: Anstatt der ursprünglich kommunizierten 1.9 Milliarden Euro, läge das operative Ergebnis neu bei 1.6 Milliarden Euro.
Laut den Ausführungen des VW-Finanzchefs wären im Q1 des Jahres 2016 nicht wie gemeldet 1.069 Millionen Fahrzeuge abgesetzt worden, sondern «nur» deren 834 000. Zieht man nun den unter der neuen Markenstruktur erzielten Absatz heran, wurden in den ersten drei Monaten 862 000 Volkswagen verkauft. Die entsprechenden Erlöse lauten: Original im Q1/2016 25.1 Milliarden Euro bzw. angepasst 17 Milliarden Euro, und Januar bis März 2017 mit der neuen Struktur 19 Milliarden Euro.
Diverse Gründe
Dass Volkswagen eine für die ersten drei Monate des Jahres 2017 derart erfreuliche Entwicklung präsentieren konnte, hat mehrere Gründe. Für Arno Antlitz, den Markenvorstand Volkswagen im Geschäftsbereich Controlling und Rechnungswesen, waren hierfür zwei wesentliche Ursachen ausschlaggebend: «Zum einen erholten sich einige Märkte deutlich. So konnten wir unsere Absätze in Westeuropa stabilisieren und in Russland deutlich erhöhen. Auch in Nord- und in Südamerika lagen wir über den zugegebenermassen schwachen Vorjahreswerten.»
Gemäss Antlitz wirkte sich auf Modellseite «vor allem die volle Marktverfügbarkeit des Tiguan positiv aus». Das neue Modell sei überaus positiv aufgenommen worden und habe sowohl im Umsatz als auch im Ergebnis zu «deutlich positiven Beiträgen» geführt. Ferner habe sich ausgewirkt, dass «das schwache Vorjahresquartal noch deutlich von der Dieselthematik belastet war». Weitere Faktoren zum markant verbesserten Quartalsergebnis seien unter anderem eine positive Volumenentwicklung sowie ein verringerter Einsatz von Verkaufshilfen, sprich Preisnachlässen, gewesen. Nicht zuletzt profitierte man von der Entwicklung der Wechselkurse, insbesondere beim russischen Rubel, sowie einem Rückgang der Produktionskosten, welche man im Vergleich zu Q1 um 130 Millionen Euro reduzierte.
Kein Massstab für 2017
Mit dem erzielten operativen Ergebnis von 870 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftete die Marke Volkswagen im ersten Quartal 2017 eine Umsatzrendite von 4.6 %. Für das ganze Jahr 2016 hatte diese noch 2.1 % betragen. Würde sie um die neue Rechnungslegung bereinigt, wäre sie um 0.3 Prozentpunkte, also 2.4 %, höher. Im Rahmen der Orientierung über das angelaufene Reformprogramm «Transform 2025+» im November 2016 hatte man als Zielsetzungen bei der Profitabilität der Marke formuliert, dass die operative Umsatzrendite bis 2020 auf 4.0 % gesteigert werden soll. Dann solle sie bis 2025 weiter auf 6.0 % anwachsen. Hier ist man also inzwischen mehr als im Soll.
Volkswagen will den Schwung seit Jahresbeginn nutzen und sprichwörtlich weiterhin vorwärtsmachen. Doch der Markenvorstand bremste am Jahrespressegespräch in Wolfsburg die Erwartungen. Arno Antlitz: «Das erste Quartal 2017 sollte kein Massstab für das Gesamtjahr sein. Wir gehen zum aktuellen Zeitpunkt davon aus, dass wir den Umsatz im Gesamtjahr um 10 % steigern können. Dieser Ausblick bezieht sich auf die angepasste Umsatzbasis 2016.» Laut dem VW-Finanzchef wird eine operative Rendite «am oberen Ende der kommunizierten Bandbreite von 2.5 bis 3.5 % erwartet». Wie Antlitz weiter ausführte, erwartet man bei VW «bis 2020 deutlich positive Beiträge aus unserer Produktoffensive, dem Zukunftspakt sowie den Regionen».
Wirksamer Zukunftspakt
Für Arno Antlitz gibt es nebst den gemeldeten positiven Entwicklungen auch «erhebliche finanzielle Belastungen», die auf Volkswagen zukommen. Er erwähnte einerseits die Kosten aus der Umsetzung von weltweit immer strengeren CO2-Vorgaben sowie zukünftigen Abgasgesetzgebungen. Andererseits erinnerte Antlitz daran, dass die Transformation der Industrie zur Elektromobilität und Digitalisierung «erhebliche Vorleistungen notwendig macht». Doch gleichzeitig machte der VW-Finanzexperte auch Mut, indem er sagte, dass alleine der Zukunftspakt, beziehungsweise dessen Auswirkungen, diese Effekte überkompensiere.
Doch natürlich baut Volkswagen für die Zukunft nicht nur auf diesen Pakt. Vielmehr befindet sich namentlich das Produkt-Portfolio schon in einem grossen Umbau. Darüber sprach am Freitag Marken-Chef Herbert Diess zu den Journalisten: «Über alle Regionen hinweg haben wir die grösste Produktoffensive der Volkswagen-Geschichte gestartet. Insgesamt stehen bis Ende 2018 weltweit sieben neue SUV auf dem Programm.» Diess führte aus, dass in Europa der Arteon und der Tiguan Allspace bereits gestartet sind. Dann stellte er für Juni das Debüt des neuen Polo in Aussicht, und in der zweiten Jahreshälfte 2017 sollen mit dem T-Roc und dem Touareg zwei weitere SUV folgen.
Grosse Modelloffensive
Ebenfalls in Nordamerika gelangen mit dem Atlas und dem neuen Tiguan noch in diesem Jahr zwei neue SUV in den Verkauf. Dann will man in diesem Markt bis 2020 jedes Jahr zwei neue Modelle lancieren, laut Diess im Jahr 2018 zwei Limousinen und dann 2019 bzw. 2020 jeweils zwei weitere SUV. «Der Break-Even ist für 2020 geplant», stellte Diess für den wegen Diesel-Gate bisherigen Krisenmarkt Nordamerika einen ausgesprochen positiven Verlauf in Aussicht.
Doch auch in anderen Regionen soll es vorwärtsgehen: In Südamerika setzt man auf ein Restrukturierungsprogramm – die Zahl der Mitarbeiter wurde zuletzt um 7000 reduziert – und vergrössert ebenfalls das Portfolio. So starten in der zweiten Jahreshälfte 2017 mit dem Polo und dem Virtus die ersten Fahrzeuge auf Basis des MQB A0 Global, einer lokalen Variante des Modularen Querbaukastens. Ferner wurden laut Herbert Diess in China mit dem Teramont, dem Tiguan mit langem Radstand sowie dem C-Trek in den letzten Monaten drei neue SUV bzw. Crossover vorgestellt. Bis Ende 2018 sollen dort neun weitere Neuheiten anlaufen, darunter nochmals drei SUV.
Neue E-Auto-Familie
Für den chinesischen Markt stellte Markenvorstand Herbert Diess aber nicht nur konventionelle Fahrzeuge in Aussicht, sondern auch sogenannte lokal produzierte «New Energy Vehicles». So läuft noch 2017 in China der Phideon Plug-in-Hybrid an, im kommenden Jahr sollen zwei reine Elektroautos folgen. Sowieso steht der Elektroantrieb in der VW-Agenda weit oben. Herbert Diess: «In Sachen Elektroauto steht unser langfristiges Ziel: Bis 2025 wollen wir Weltmarktführer in der Elektromobilität werden und eine Million Elektroautos pro Jahr verkaufen.» Die erste Generation dieser neuen VW-Elektroautos wird auf der I.D.-Modellfamilie basieren, die zunächst vier Mitglieder umfassen wird. Sie sollen ab 2020 auf den Markt kommen. «Die gesamte Elektroflotte soll von Anfang an profitabel sein», erklärte Diess.
Laut Herbert Diess legt man in diesem Jahr das technische Konzept und das Design für die beiden wichtigsten I.D.-Fahrzeuge fest. Ferner wird man die Aufträge für wichtige Komponenten vergeben und über das Fertigungskonzept entscheiden. «Als erstes dieser Elektroautos wird der I.D. im Werk Zwickau gefertigt», kündigte Diess an. Laut dem VW-Chef will man ihn gegenüber heutigen Fahrzeugen um rund 25 % effizienter produzieren und er soll für «eine weitere, deutliche Produktivitätssteigerung sorgen». An potenzielle Interessenten gerichtet, sagte Diess: «Ein I.D. soll bezahlbar sein und in etwa das Gleiche kosten wie ein vergleichbarer Diesel.» Ein Elektroauto der nächsten Generation mit einem Elektromotor von 125 kW/ 170 PS, einer erwarteten Reichweite von bis zu 600 km und einer Lademöglichkeit der Lithium-Ionen-Akkus über eine induktive Schnellladefunktion zum Preis eines Diesels? Auch für den Konsumenten scheint die Zukunft rosig zu sein.