Noch hat er weder Cockpit noch Team für die neue, bevorstehende TCR-International-Serie, sozusagen der Königsklasse hinsichtlich dem Tourenwagensport für die breite Masse. Stefano Comini ist freilich zuversichtlich, dass es mit einem Vertrag für die neue Saison bald klappt: «Ja, auf jeden Fall – schliesslich bin ich der Meister», schmunzelt er. In der Tat, der 26-jährige Tessiner ist der einzige TCR-International-Champion der Geschichte. Bis dato auf jeden Fall. 2015 holte er sich die Krone in einem -Seat Leon für das Target Team, die künftige Equipe des Berner ETCC-Champions Kris Richard also (s. Text unten), und letztes Jahr triumphierte der Lebemann für das Leopard Racing Team im VW Golf. Dies, nachdem er nach einer Strafe in Sepang (Malaysia), die ihn notabene viele, wertvolle Punkte kostete, beim Saisonfinale in Macau (China) eigentlich erst gar nicht mehr antreten wollte. Schliesslich tat er es doch und feierte in beeindruckender Manier den zweiten Titel in Serie. «Den ersten Titel habe ich mit Köpfchen gewonnen, den zweiten mit Eiern», sagt Comini. Eine starke Leistung auf jeden Fall. Comini, dessen Karriere 2002 im Karting begann und danach unter anderem via Clio Cup und -Leon Europacup in die 2015 neue und wie gesagt schon mächtig boomende TCR-Serie (s. Box) führte, hat einmal mehr gezeigt, dass er einer von denen ist, der mit dem Messer zwischen den Zähnen Rennen fahren kann und es versteht, Positionskämpfe auf der Bremse zu gewinnen. Das macht ihn für die einen interessant, für die anderen eher verrückt. «Immerhin habe ich gezeigt, dass ich ein intelligenter Verrückter sein kann», so Comini.
Wer auf der Rennstrecke so bissig, aggressiv und offensiv zur Sache geht, gibt in der Freizeit oft weniger Vollgas und geht es ruhiger an. Minigolf spielen, Rosen züchten, Wandern oder Ähnliches sind dann oft die Hobbys der «Verrückten». Das gilt auch ein bisschen für Stefano Comini. «Ich beschäftige mich derzeit viel mehr mit Holz als mit Autos», sagt er. Das letzte Mal am Steuer sass er vor zwei Monaten. Dafür hat er zurzeit umso mehr Säge, Hammer und Schraubenzieher in den Fingern. «Ich habe eine Küche gebaut, einen Schrank, ein Badezimmermöbel und so weiter», sagt der Tessiner. Zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter lebt der Rennfahrer mit Alpöhi-Bart in der Nähe von Lugano. «Letztes Jahr mussten wir mit 35 000 Euro durchkommen.» Noch immer warte er auf ziemlich viel Geld von seinem letztjährigen Team «Craft-Bamboo-Lukoil». «Ich hoffe, das Geld trifft bald ein», so der junge Familienvater. Seine Frau habe nämlich den Job verloren, derlei lebe man nicht eben im Überfluss.
Diese Schreinerarbeiten mit Holz seien für ihn das beste Off-Season-Training, so der Tessiner. Und dabei dienen diese schöpferischen Tätigkeiten erst noch der ganzen Familie. «Ich kann mich dabei prima entspannen und mental sammeln.» Die Energie sozusagen speichern, die er dann während der heissen Rennsituationen abrufen kann und die ihn für jeden Gegner auf der Rennstrecke äusserst eklig und schwer zu besiegen macht. Von Fitnesstraining hält der «James Hunt der TCR», wie er wegen seines, sagen wir mal, «biochemisch nicht eben idealisierten» Lebensstils auch genannt wird, nicht sonderlich viel. «Die Bauarbeiten erfüllen denselben Zweck.»
Nur Profi kommt infrage
Nachdem Stefano Comini 2015 noch Geld bringen musste, um zu fahren, war er letzte Saison als Profi unterwegs. «Die TCR International ist die einzige Serie in dieser Liga, in der du als Profi Geld verdienen kannst», sagt er. Darum komme für ihn mit Blick in die Zukunft auch nur diese Serie infrage. «Entweder fahre ich TCR oder gar nichts.» Mittelfristig könnte er sich allenfalls ausserdem vorstellen, auch noch ein Bein in die Abteilung Rallycross zu stellen. «Zwar weiter TCR, aber zusätzlich Rallycross. Das möchte ich auf jeden Fall einmal probiert haben.» Vorerst jedoch gilt es für den «Champ», die TCR-Saison 2017 unter Dach und Fach zu bringen, damit er seinen inzwischen wieder gewachsenen Monsterbart unter dem Helm in der Spezial-Sturmhaube verstauen kann. Vom Typ her ginge Comini durchaus als kanadischer Holzfäller, der in der Pampa mit Bären und Elchen haust, durch. Nach seinem zweiten Titel musste sich der sympathische und aufgestellte Lebemann letztes Jahr in Macau den Bart und die langen Haare von seinem Teamkollegen stutzen lassen. Die Haare sind kurz geblieben, der Bart nicht. «Und ich werde mir den Bart auch nicht mehr abschneiden lassen, auch wenn ich 2017 wieder Meister werden sollte», hält Comini fest. Nötigenfalls wird er sich das ebenso in seinen Vertrag -schreiben lassen, wie die Tatsache, dass er auf der Rennstrecke rauchen und trinken darf. Es ist auch diese ungezwungene Leichtigkeit des Seins, die Stefano Comini ein charakteristisches Profil gibt und ihn so schnell, meist schneller als die meisten anderen, und darum interessant für jedes ambitionierte Team macht.