Die 50. Consumer Electronics Show (CES) 2017 vom 5.–8.1.2017 in Las Vegas war original «einfach» eine der weltgrössten Messen für Elektro- und Elektronikgeräte. Sie wird aber zunehmend auch zur Autoshow, da die Autobauer und Zulieferer ihre Visionen und Lösungen vom Fahren und vom Fahrzeug der Zukunft präsentieren, sei es mit Studien oder schon seriennahen Fahrzeugen. Die CES sei inzwischen zur globalen Bühne für Innovationen geworden, meint Shawn DuBravac, Chefökonom der Consumer Technology Association (CTA). Bei der CES-Premiere 1967 in New York gab es 117 Aussteller es kamen 17 500 Besucher. 50 Jahre später zeigen alleine 138 Firmen aus der Autobranche auf 18 000 m² Ausstellungsfläche ihre Produkte und Innovationen, zusätzlich zu den «klassischen» Firmen der (Unterhaltungs-)Elektronikwelt. Nachfolgend eine Auswahl von Neuheiten des automobilen Sektors.
BMW «HoloActive Touch»
An der CES 2017 gibt die BMW-Group erstmals Einblick in ihre neue, innovative Schnittstelle zwischen Fahrer und Fahrzeug, der virtuelle Touchscreen «BMW HoloActive Touch». Die frei im Raum schwebende Anzeige wird mittels Fingergesten bedient und quittiert die so erteilten Befehle mit einer haptisch wahrnehmbaren Rückmeldung. Die neue Benutzerschnittstelle ist Bestandteil der Studie «BMW i Inside Future», welche einen Eindruck vom Mobilitätserlebnis in nahtlos vernetzten und automatisiert fahrenden Automobilen der Zukunft vermittelt.
BMW HoloActive Touch vereint die Vorzüge des BMW-Head-up-Displays, der BMW-Gestiksteuerung sowie der direkten Bedienung des Touchscreens und erweitert sie zu einer einzigartigen Form der Fahrzeugbedienung in Form einer vollständig immateriellen Bedienoberfläche. Dabei wird das Bild einer vollfarbigen Anzeige – ähnlich wie beim Head-Up Display – durch geschicktes Spiegeln erzeugt, jedoch nicht auf der Windschutzscheibe, sondern freischwebend neben dem Lenkrad auf Höhe der Mittelkonsole. Eine Kamera registriert dort insbesondere die Position der Fingerspitzen. Sobald diese eine der virtuellen, frei konfigurierbaren Schaltflächen berühren, wird ein haptischer Impuls ausgesendet und die verknüpfte Funktion aktiviert.
Audi-Ampelkommunikation
Audi lässt seine Fahrzeuge künftig mit Ampeln kommunizieren, sodass Rotphasen der Geschichte angehören könnten. Der Service «Ampelinfo online» weiss, wann eine auf der Route liegende Ampel umschaltet und gibt dem Fahrer entsprechende Geschwindigkeitsempfehlungen für eine unterbruchsfreie Fahrt. Ampelinfo online ist eine Car-to-X-Anwendung, ein Audi-connect-Dienst, der darauf basiert, dass das Auto mit seiner Umgebung kommuniziert, in diesem Fall mit der Infrastruktur. Der Dienst vernetzt das Auto mit dem zentralen Verkehrsleitrechner, der die Ampelanlagen in der Stadt steuert. Die Verbindung von Fahrzeug und Infrastruktur wird dabei über das Mobilfunknetz aufgebaut. Technisch ist das System bereits voll ausgereift, Audi kann es in allen Modellen zum Einsatz bringen. Dazu werden bereits intensive Gespräche mit den Betreibern geführt, welche die Verkehrsinfrastruktur bereitstellen.
Mercedes «Case»
Die neue Unternehmensstrategie von Mercedes nennt sich «Case» und setzt auf die vier Säulen Connected, Autonomous, Shared & Service und Electric Drive (Vernetzung, autonomes Fahren, geteilte & flexible Nutzung und elektrische Antriebe). Obwohl jeder dieser vier Schwerpunkte das Potenzial habe, die Branche auf den Kopf zu stellen, so Dieter Zetsche, CEO bei Daimler AG, liege «die eigentliche Revolution in der intelligenten Verknüpfung der vier Trends».
Als grosse Premiere zeigt Mercedes-Benz erstmals die Elektro-Studie «Concept EQ» (Bild links) und den Mercedes-Benz «Vision Van» (Bild rechts) gemeinsam auf einer Bühne. Der Erstere stellt das erste Serienmodell der neuen Produktmarke EQ dar und soll zum Ende der Dekade im Mercedes-Benz-Werk Bremen produziert werden. Basierend auf dem EQ-Showcar wird der EQ ein E-Fahrzeug im Look eines sportlichen SUV-Coupés mit bis 500 km Reichweite sein. Der Vision Van verbindet, ebenfalls als vollelektrisches Fahrzeug, zahlreiche innovative Lösungen für die Zustellung auf der letzten Meile im urbanen und suburbanen Raum. Als erster Transporter weltweit vernetzt er komplett digital alle Beteiligten und Prozesse, vom Warenverteilzentrum bis zum Empfänger. Zudem verfügt er als erster Transporter über einen vollautomatisierten Laderaum und integrierte Lieferdrohnen.
Rinspeed «Oasis»
Mit dem «Oasis» propagiert der Schweizer Auto-Visionär Frank M. Rinderknecht einen wendigen Flitzer mit integriertem Kleingarten hinter der Windschutzscheibe für den täglichen Überlebenskampf im Grossstadtdschungel. Er schafft mit dieser fahrenden «Oase» einen – augenzwinkernden – Gegenpol zu den tonnenschweren SUVs der heutigen Strassenlandschaft. Ähnlich wie der Star-Wars-Roboter R2D2 kann auch der zweisitzige, mit verkleideten Vorderrädern und grossen Glasflächen aufwartende Flitzer fast auf der Stelle drehen. Basis für das autonome Auto bildet das «Intelligent Rolling Chassis» (IRC) von ZF aus Friedrichshafen (D). Die fahrbereite Plattform verfügt über zwei E-Motoren mit je 54 PS, ein spezielles Fahrwerk und eine neuartige Lenkung, die den Wendekreis auf grossstadttaugliche 6.5 m schrumpfen lässt. Die Interaktion mit dem Harman-System findet über das 5K-Breitbild-Display statt, das sich in leichtem Bogen vor den Oasis-Passagieren aufspannt. Die Steuerung erfolgt per Sprache oder Geste. Übrigens steht dem Fahrer ausserhalb des Autos ein persönlicher Assistent zur Seite: Dank Anbindung an die «Harman Ignite Cloud Platform» ermöglicht er beispielsweise die Kontrolle des Smart Home vom Oasis aus. Eine Kuriosität stellt natürlich der Kleingarten im Wageninneren dar. Für ein modernes, freundlich und einladend gestyltes Wohnzimmer-Ambiente in stylishem Weiss sorgen Sessel, Sideboard und TV.
Wer wird das Auto besitzen, wer betreiben und wozu nutzen? Rinspeed-Boss Rinderknecht hat den Wagen so konzipiert und ausgestattet, dass alle denkbaren Optionen offen sind – sobald die Gesellschaft bereit ist, Güter sinnvoll zu teilen. Der Oasis kann morgens als Einkaufswagen dienen, nachmittags als Postbox für den Paketdienst und abends als Pizza-Taxi.
Volvo mit «Skype for Business»
Als erster Autohersteller integriert Volvo Cars mit «Skype for Business» von Microsoft ein sogenanntes «In-car Productivity Tool» in seine Fahrzeuge. Die leistungsfähige App wird zunächst für die Modelle der neuen 90-er-Serie angeboten und steht im Laufe des Jahres 2017 zur Verfügung. Skype for Business wird weltweit von vielen Millionen Menschen im Büroalltag für Gruppen-Audio- und Video-Besprechungen genutzt. In den Volvo-90-er-Modellen werden Fahrer und Passagiere künftig ihre via Skype for Business eingehenden Meetings und deren Teilnehmer sofort sehen und ihre Audio-Teilnahme mit einem Klick auf dem grossen zentralen Display bestätigen können.
Die Zusammenarbeit mit Microsoft umfasst auch die Nutzung von «Cortana», einem intelligenten persönlichen Assistenten mit hochentwickelter Sprach- und Texterkennung, der den Alltag seiner Nutzer etwa durch personalisierte Hilfen unterstützt. Apropos Microsoft: Der Software-Gigant aus Redmond (US-Bundesstaat Washington) zeigt auf der Technik-Messe, wie sich etwa mit Hilfe künstlicher Intelligenz die Sicherheit des Fahrers oder die Integration personalisierter Funktionen verbessern lassen. Auf der Basis von Microsofts Cloud-Platform «Azure» wurde ein System entwickelt, welches die aktuelle Verkehrssituation und das Fussgängeraufkommen erfassen und analysieren kann.
Volkswagen-User-ID
Nebst der USA-Premiere des bereits im September 2016 am Pariser Autosalon erstmals gezeigten vollelektrischen Concept-Cars «I.D.», präsentiert VW in Las Vegas eine App, welche alle Fahrzeugeinstellungen in der persönlichen Volkswagen-User-ID speichert. Als Benutzer von Flottenfahrzeugen kann man so von einem VW in den nächsten wechseln, ohne jedes Mal den Sitz neu einstellen, die eigene Musik ins Infotainment übertragen oder das Handy koppeln zu müssen. Die IOS- und Android-App fungiert als persönlicher Benutzerpass, welcher alle persönlichen Voreinstellungen speichert, um sie dann in den gerade gefahrenen VW zu übertragen. Laut Hersteller funktioniert die App bspw. auch, wenn man in einen künftigen Mietwagen der Marke VW einsteigt. Alle Einstellungen sind online hinterlegt, was VW natürlich auch erlaubt, die persönlichen Vorlieben der Fahrer auszuwerten und (aus)zunutzen.