Der Showdown, sprich das letzte Rennen im Rahmen des europäischen Tourenwagen- Cups, fand im Autodromo Enzo e Dino Ferrari in Imola (I) statt. Der Tscheche Petr Fulin (39) und der Schweizer Kris Richard (21) traten punktegleich zu den letzten beiden Läufen an. Die Entscheidung, wer den Titel gewinnt und sich damit das höchst begehrte Ticket für einen Gaststart an einem Tourenwagen-WM-Lauf (WTCC) in der nächsten Saison sichert, hätte also dramatischer nicht fallen können. In der allerletzten Runde des allerletzten Laufes der Saison überholte Kris Richard den Finnen Honda Gast Aku Pellinen und kam derlei als Zweiter hinter seinem Widersacher und mehrfachen Meister Fulin ins Ziel. Es war exakt dieser zweite Platz, den Richard benötigte, um sich den Titel zu sichern. Punktegleich und mit gleich vielen Siegen wie Fulin geht die Meisterschaft somit an den 21-jährigen Berner Oberländer, weil dieser in der Endabrechnung einen 2. Platz mehr auf seinem Konto totalisiert als Fulin. «Es ist einfach nur unglaublich – unglaublich cool», sagt Richard. Ein bisschen wie bei Aschenbrödel, Schneewittchen und den sieben Zwergen im Märchen. Wenn ihm jemand vor der Saison gesagt hätte, dass er am Ende den ersten ETCC-Titel für das Team Rikli Motorsport in Wangen einfährt, «hätte ich es ganz bestimmt nicht für möglich gehalten», so Richard. Schliesslich fuhr er heuer seine erste Tourenwagen-Saison und hatte zuletzt motorsportmässig aufgrund von Lehrabschlussprüfung und Neuorientierung pausieren müssen.
Nervös nach Quali
«Vor den entscheidenden Rennen am Sonntag war ich sehr nervös», gibt der neue Europameister zu. Im Qualifying kam er aufgrund von Problemen mit der Elektrik nur auf den dritten Startplatz. «Das hat mir schon etwas den Kopf ausgefüllt», sagt Richard. Auf der Pole-Position stand der Teamkollege Aku Pellinen, auf Platz zwei der Meisterschafts-Gegenspieler Petr Fulin. Schliesslich lief es für Richard im Rennen jedoch insofern top, als dass der Schweizer als Zweiter, zwei Plätze vor Fulin, ins Ziel kam. Ganze zwei Punkte Vorsprung nahm der Youngster so mit in den finalen Wertungslauf, zu dessen Auftakt er über die beblumte Wiese einer Karambolage ausweichen musste. Während Fulin in der zweiten Runde die Führung übernahm, kämpfte sich der Honda-Pilot Richard auf Rang drei vor, wo er dann, wie gesagt, auf Pellinen traf. Nach 13 nervenaufreibenden Runden mit zwei Safety-Car-Phasen und Drifteinlagen kam der Berner schliesslich als Zweiter und neuer Meister ins Ziel. «Ich bin überglücklich. Ich habe mir während des Rennens den Punktestand ausgerechnet und wusste, dass mir ein zweiter Rang reichen würde. Ein Wahnsinnsjahr geht zu Ende.»
Vor dem finalen Rennen in Imola war Richard am Wochenende davor noch einer Einladung des Boutsen Ginion Racing Teams für einen Einsatz in der attraktiven TCR-Benelux-Tourenwagenmeisterschaft gefolgt. Zusammen mit dem Belgier Stéphane Lémeret fuhr er da zweimal aufs Podest. «Das war sicher sehr wertvoll», sagt er. Er habe sich so quasi warmlaufen können und sei auch nicht dazu gekommen, sich zu viele Gedanken aufs bevorstehende ETCC-Finale zu machen. «Das hat mir geholfen.»
Rimini und TV-Boxen
Nachdem er den Montag zusammen mit seiner Equipe noch am Strand von Rimini (I) verbracht und am Abend davor im Städtchen gefeiert hatte, hiess es für den neuen Meister am Dienstag wieder arbeiten. 2000 TV-Boxen galt es für einen seiner Sponsoren, bei dem er ein Teilzeit-Pensum absolviert, einzupacken. «Das tut nach all den nervenaufreibenden Rennen ganz gut», sagt Richard. Wie, wo und womit es in Zukunft weitergeht ist noch offen. «Ich werde mich sicher bald um meine Webseite kümmern und mit Sponsoren zusammensitzen.» Mal schauen, was aus dem Titel und dieser tollen Saison, in der Richard allerbeste Werbung in eigener Sache machen konnte, noch zu machen ist.
Rikli knapp daneben
Richards Teamchef Peter Rik-li seinerseits war mit der festen Absicht nach Imola gereist, seinen dritten Rang zu verteidigen. Doch schon nach dem Qualifying zogen dunkle Wolken auf. Der Wangener war von Rang sechs drei Plätze zurückversetzt worden, weil er eine Flagge missachtet hatte. «Das ist zwar ärgerlich, aber ich weiss, dass ich mit der Performance des Autos Anschluss an die Spitze bekommen kann.» Der Startplatz im Mittelfeld brachte dem Oberaargauer jedoch kein Glück. Letztlich kam er als Zwölfter in die Wertung. Sein Konkurrent auf den dritten Gesamtrang, Norbert Nagy, wurde Sechster. Im zweiten Rennen gerieten sich Rikli und Nagy direkt in die Haare. Beide rutschten gegen Halbzeit ins Kies und verhakten sich bei der Rückkehr auf die Strecke. Der Rikli-Honda lag nach einer Blitzreparatur in der Box mit Rundenrückstand letztlich auf Rang 16. In der Endabrechnung fehlt Rikli so ein Punkt auf Norbert Nagy und Rang 3. «Selbstverständlich bin ich enttäuscht, dass ich den dritten Rang nicht halten konnte. Aber für das Team ist natürlich der Titelgewinn von Richard entscheidend. Das ist das Ziel, worauf wir Jahre hingearbeitet haben. Der Titel geht in die Schweiz und das ist, was zählt.» So waren am Ende beide Rikli-Piloten strahlende Sieger.