ETAPPEN IN DER MONGOLEI UND IN RUSSLAND

Ulanbataar liegt schon weit hinter uns und nach der Mongolei fahren wir schon seit Tagen durch russisches Territorium. Was wir aber aus der Hauptstadt der Mongolei mitgenommen haben, sind gravierende mechanische Probleme an unserem Volvo PV544. Unserem Auto von 1967 geht es gar nicht gut und wir kämpfen jeden Tag darum, dass wir weiterfahren können!

Von Philipp Schenk

Freitag, 17. Juni bis Dienstag, 21. Juni 2016: Nachdem unser Auto in Ulaanbaatar wieder flott gemacht worden war, dachten wir, dass wir nun fit seien für die Durchquerung der Mongolei. Dies war allerdings weit gefehlt. Es ist seither kein Tag vergangen, an dem wir nicht bis 1 Uhr morgens im Camp am Auto gearbeitet haben, um all unsere Probleme zu lösen. Ich möchte hier nur die gravierendsten Schäden aufzuzählen, die zu beklagen waren:

Nach dem Desaster mit dem hinteren linken Stossdämpfer war auch der hintere rechte Stossdämpfer durch den Kofferraumboden durchgebrochen – und dies sogar zwei Mal! Zusätzlich brach der linke Querlenker mitten in einer Spezialprüfung, wonach das Chassis des Volvos der Dauerbelastung nachgab und schlussendlich auch noch brach. Alle Probleme konnten allerdings vor Ort mit der überragenden Hilfe der Swipe-Crew – ein Gruppe von Mechanikern, die von der Organisation zur Verfügung gestellt wird und die ganze Rallye mitreist – zum Teil vollends und zum Teil provisorisch gelöst werden.

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Nachdem wir Ulanbaataar verlassen hatten wussten wir, dass eine anstrengende Zeit auf uns zukommen wird. Nicht nur, weil fast der ganze Weg auf nicht asphaltierten Strassen gefahren wird, sondern auch weil wir sechs Nächte im Zelt verbringen würden. Dementsprechend war die Stimmung bei vielen Teams ein wenig angespannt, weil aus Erfahrung gesagt wird, dass das Rennen nicht in der Mongolei gewonnen werden kann, aber man es da definitiv verlieren kann. Wer meinen Vater und mich kennt, weiss, dass wir keine grossen Camping Fanatiker sind. Wenn wir die Wahl haben, uns zwischen einem Hotelzimmer und einem Zelt zu entscheiden, würden wir das Hotelzimmer nehmen. In der Mongolei hatten wir aber keine Wahl und wir sahen uns mit sechs aufeinanderfolgenden Campingnächten konfrontiert.

An dieser Stelle muss ich gestehen, dass es ein sehr angenehmes Campen war. Jeden Abend wurde ein Camp mit Duschen, die fliessend warmes Wasser hatten, und ein Essens- bzw. Trinkzelt, in dem es jeden Abend frisch gekochtes, warmes Essen gab, aufgebaut. Für die Toiletten wurde ein Loch gegraben und eine hölzerne Toilette darauf gesetzt – rustikal, aber seinen Zweck erfüllend. Zusätzlich wurde bei den Camps ein Tanklastwagen mit Treibstoff zur Verfügung gestellt. Da man während den Etappen nur ab und zu bei besiedeltem Gebiet vorbei kam, war dieser Service für die Weiterfahrt zwingend.

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Alle Camps wurden übrigens an schönen Orten hergerichtet, sodass sich einem jeweils ein wunderbares Bild bot, wenn man am Morgen aus dem Zelt gekrochen kam. Dies hatte dann auch die zum Teil sehr kalten Temperaturen – um die 0 Grad – wieder wettgemacht. Sowieso trieb etwas jedes Team an und zauberte trotz der Strapazen bei allen ein Lächeln auf das Gesicht: die mongolische Landschaft. Und diese war beziehungsweise ist atemberaubend! Von Sand- oder Steinwüsten über Gebirge und Hochebenen – bei denen wir auf ca. 2200 müM. übernachtet haben – bis zu ausgetrockneten Salzseen war alles dabei. Die landschaftliche Vielfalt der Mongolei ist einzigartig.

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Doch es war auch eher schwierig, die landschaftliche Schönheit in vollen Zügen geniessen zu können. Denn mochte das Panorama noch so atemberaubend sein, haben die Strassenbedingungen uns im gleichen Ausmass den Atem verschlagen. Nie habe ich so viele Löcher oder Waschbrettstrassen gesehen, die das Weiterkommen dermassen erschwert haben. So sehr, dass es einem zum Teil wortwörtlich den Atem verschlagen hat. Ein Durchschnitt von 30km/h war an der Tagesordnung. Jeden Tag sassen wir circa zehn Stunden im Auto und haben versucht, Kilometer um Kilometer zurückzulegen. Diese berüchtigten mongolische Pisten waren der Grund, warum wir und auch das restliche Feld immer wieder mit Problemen zu kämpfen hatten. Eine weitere Konsequenz war, dass wir durch das ständige Konzentrieren, wie wir unser Auto über die Pisten manövrieren sollten, nicht die Zeit und Kraft aufbringen konnten, das wunderbare Panorama in vollen Zügen zu geniessen.

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Aber nicht nur die Qualität der Pisten war eine Herausforderung. Auch das Wetter hat uns nicht verschont. Der hin und wieder starke Regen, der sogar auch in Hagel – und dies in der Wüste! – ausarten konnte, verwandelte die Routen oft in Schlammbahnen und die zu überquerenden Wildbächlein wurden zu reissenden Flüssen. Genauso waren die Temperaturen sehr kräftezehrend. Während des Tages war es so warm, dass man nicht mehr als ein T-Shirt tragen konnte und am Abend und in der Nacht wurde es so kalt, dass man trotz Vliesstoff und Daunenjacke immer noch kalt hatte. Wir hatten allerdings auch mit anderen Hindernissen zu kämpfen. So kreuzte zum Beispiel sicher jeden Tag eine Herde von Kühen, Schafe, Ziegen oder Pferden unseren Weg.

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Diese schwierigen äussern Bedingungen, in Verbindung mit dem bedingt durch die langen Reparaturen wenig Schlaf, machten die Reise durch die Mongolei zu einer enormen Herausforderung für Mensch und Maschine. Dies forderte auch seinen entsprechenden Tribut: Von 104 in Peking gestarteten Autos, schieden deren 24 in der Mongolei aus oder waren nicht mehr fahrtüchtig und mussten auf einem Anhänger in die nächste Stadt gebracht werden, um repariert zu werden. Vier Autos hatte sich sogar überschlagen, glücklicherweise trug niemand grössere Verletzungen davon. Es zeigt allerdings, wie herausfordernd und anstrengend das Fahren in der Mongolei ist.

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Erwähnenswert ist auch die Hilfsbereitschaft und das Improvisationstalent der Mongolen. Aufgrund unserer vielen Probleme sahen wir uns mehrmals mit der Aussicht konfrontiert, nicht mehr weiter fahren zu können. Wir schafften es jedoch immer wieder, uns irgendwie noch in das nächste Dorf zu retten, wo wir wenn nötig nach Hilfe suchen konnten. Dort haben wir uns mit Körpersprache und Fingerzeigen versucht durchzuschlagen und jemanden zu finden, der uns das Auto provisorisch wieder zusammenflickte, sodass wir unser Abendziel aus eigener Kraft erreichen konnten. Einmal wurden wir in einen Garten geführt wo ein älterer Mann mit einer ausserordentlich gebrauchten und auf das Nötigste geflickte Schweissmaschiene auf uns wartete. Ohne ein Wort mit uns zu wechseln, schaute er sich den Schaden an und machte sich daran, unseren Volvo wieder zusammenzuflicken. Nach 90 Minuten war alles erledigt. Er fragte nach 100 Dollar und wir konnten weiterfahren.

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Mittwoch, 22. Juni bis Samstag, 25. Juni 2016: Trotz all diesen Problemen haben wir es in einem Teil aus der Mongolei geschafft! Die Freude und Erleichterung, als wir in Russland einreisten, war gross. Die Hoffnung, das Schlimmste überstanden zu haben, endlich wieder auf asphaltierten Strassen fahren zu können und das Auto bis nach Paris zu bringen, war wieder da. Diese währte allerdings nur kurz. Auf dem Weg nach Novosibirsk, wo ein Ruhetag eingeplant war, wurde uns bei einer Spezialprüfung das Ausmass der Schäden an unserem Auto aufgezeigt. Die extrem sandige Strecke und die fehlende Stabilität des Autos führte dazu, dass wir einen Zusammenprall mit einem anderen Auto hatten, das ausgerechnet bei einem Kurvenausgang abgestellt worden war. Dank unseren Vier-Punkte-Gurten ist uns glücklicherweise nichts passiert. Das Auto kam allerdings nicht so gut davon. Die vordere linke Seite war komplett eingedrückt, sodass ein Weiterfahren unmöglich war.

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Folglich waren wir gezwungen, einen Abschleppwagen zu rufen, der uns die restlichen 350 Kilometer nach Novosibirsk brachte. Diese ganze Erfahrung war ein Abenteuer für sich. Alles in allem hatten wir 16 Stunden, um von der Unfallstelle bis nach Novosibirsk zu kommen. Fünf davon brauchte es bis es der Abschleppwagen zu uns schaffte. Wir warteten an einer Kreuzung, die mitten im Nirgendwo war. Allerdings schien es, dass dies die Hauptkreuzung für alle Behausungen in der Nähe war. Innert kürzester Zeit bildete sich um uns eine Menschenmenge, die mit grosser Neugier verfolgte, was mit uns geschah. Die Kinder waren am neugierigsten. Sie verfügten teilweise über moderne Smartphones und versuchten, damit Sätze so zu übersetzen, damit wir uns ein wenig unterhalten konnten.

 

Als der Abschleppwagen endlich angekommen war, machten wir uns auf den Weg nach Novosibirsk. Diese Fahrt entpuppte sich allerdings als eine Tortur. Unser Fahrer hielt jede Stunde an, um sich ein Snickers, ein Red Bull oder einen Kaffee zu kaufen. Um 1 Uhr morgens wollte er noch Abendessen und dementsprechend eine Stunde später ein wenig schlafen, weil er vom Essen müde war. Zusätzlich fuhr er nicht schneller als 60km/h, sodass wir weitere 11 Stunden brauchten, um endlich am 5 Uhr morgens in Novosibirsk anzukommen.

IMG_1988Zum Glück war an diesem Tag, dem 25. Juni, bei der Rallye ein Ruhetag eingeplant. Doch für Ruhe war allerdings keine Zeit. Drei Stunden nach der Ankunft standen wir wieder in der Lobby des Hotels. Wir mussten eine Garage finden, die unseren Volvo wieder herrichtet. Diese Reparatur verschlang schliesslich zwar 35 Stunden, doch das Auto war wieder so hergerichtet, dass wir weiterfahren konnten – eine unglaubliche Leistung! Allerdings verpassten wir den Restart der Rallye und mussten das Feld wieder einholen. Unglücklicherweise war der verpasste Tag eine über 660 Kilometer lange Etappe nach Omsk, und die gleich danach folgende Etappe nach Tyumen war nur unwesentlich kürzer.

Schlussendlich hatten wir 1300 Kilometer zu bewältigen, bis wir uns in Tyumen dem Feld wieder anzuschliessen vermochten. Für diese Distanz, die ungefähr mit einer Fahrt von Zürich nach Warschau oder von Zürich nach Valencia zu vergleichen ist, benötigten wir 16 Stunden. Erschwerend war, dass Sibirien landschaftlich nicht so viel zu bieten hat. Man fährt dementsprechend hunderte von Kilometern einfach nur gerade aus. Dies in einem 50 Jahre alten Auto zu tun, empfanden wir als unglaublich ermüdend.

Die Strassen in Sibiren waren zwar besser als in der Mongolei, aber dennoch voll mit Schlaglöchern. Diese waren derart gross, dass, wenn man eines erwischen sollte, die Achse des Autos brechen würde. War die Landschaft wenig abwechslungsreich und zogen sich die Strassen jeweils über hunderte von Kilometer dahin, waren wenigstens die Leute wahnsinnig enthusiastisch und hilfsbereit bezüglich der Rallye. In jedem Dorf standen die Bevölkerung am Strassenrand, um den vorbeifahrenden Autos zuzujubeln oder zu winken. Auch jeweils am Abend, wenn die Autos vor dem Hotel parkierten, war einiges los. Die Frauen holten oft wohl ihr schönstes Kleid aus dem Schrank, montierten ihre höchsten High-Heels, um sich die Autos und den Tross anzuschauen. Es kam sogar vor, dass man nicht nur um Fotos gebeten wurde, sondern auch Autogramme zu schreiben hatte oder sogar auch Interviews für lokale TV- oder Radiosender geben konnte.

IMG_2014Nach nun ein wenig mehr als der Hälfte der Rallye denke ich, ist es Zeit für eine Zwischenbilanz:

Die „Peking to Paris Rallye“ wird ihrem Namen als Endurance Rallye mehr als gerecht. Es ist unglaublich anstrengend für Mensch und Maschine. Es war mir zwar bewusst, bevor ich zusammen mit meinem Vater in Peking startete, dass es kein Zuckerschlecken sein wird. Es war mir allerdings nicht klar, dass es so anstrengend werden würde. Die Strassen, das Auto, die Länge der Etappen – alles kostet Kraft. Zudem zehrt ebenfalls die konstante Nähe zu seinem Rallyepartner an den Nerven. Streitereien sind unvermeidlich. Wichtig ist allerdings, dass man sich gut versteht und Differenzen schnell hinter sich lassen kann.

Wer diese Rallye beenden will, muss einen starken Durchhaltewillen besitzen. Denn auch nach langen und anstrengenden Fahrtagen gibt es noch nicht Feierabend. Zuerst muss das ganze Auto kontrolliert und gepflegt werden. Unser Volvo war leider doch nicht so gut präpariert, wie wir es gerne gehabt hätten. Im Nachhinein, würden wir vieles anders angehen. Die anderen Rallyeteilnehmer sind alle sehr zuvorkommend und hilfsbereit. Auch wenn dies bis zu einem gewissen Grad ein Wettbewerb ist, versucht jeder jedem zu helfen. Die Stimmung unter den Teams ist super! Man freut sich am Abend mit den anderen zu Abend zu essen und deren Geschichten des Tages zu hören.

Alles in allem bin ich überaus dankbar, dass ich dieses Abenteuer mit meinem Vater erleben kann und darf. Was wir auf dieser Reise sehen und erleben, ist einzigartig und mit nichts anderem zu vergleichen, was ich bisher unternommen habe. Ich freue mich auf die zweite Hälfte der Rallye in Europa.

www.endurorally.com

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