Nomen est Omen
Dieses Auto ist superb Was ist denn nun kaputt? Der zieht ja über 220 km/h munter weiter und hört auch bei 240 nicht auf. Der ist aber flott motorisiert. Irgendwie ist Škoda im Unterbewusstsein so stark mit Vernunft verknüpft, dass ich dem neuen Superb eine solche Beschleunigungsorgie gar nicht zugetraut hätte. Das Nachschlagen in den technischen Daten der 4×4-Version fördert eindrucksvolle Werte zu Tage: 280 PS, verbunden mit 350 Nm Drehmoment. Doch der neue Viertürer auf Plattform des VW Passat lädt keineswegs zum Rasen ein. Er liefert zwar höchst anständige Fahrleistungen ganz ohne grosses Aufheben, doch seine sehr smoothe Fahrwerksabstimmung beruhigt selbst Hitzköpfe wie mich spürbar. Nach kurzer Zeit glich ich die starke Nick-Neigung beim Bremsen und die Taumel- Bewegungen auf Bodenwellen in schnellen Kurven durch sanftere Fahrweise aus. Man könnte sagen, das Auto hatte eine erzieherische Wirkung und sorgte für eine wohltuende Entschleunigung – etwas, das nicht einmal der kleine, nicht gerade PS-strotzende Smart geschafft hatte. Damit einem beim Cruisen nicht langweilig wird, hat sich Škoda mit Can- ton zusammengetan. Die Hessen liefern das passende Audio-System zu einem Preis, der einen genauso ungläubig staunen lässt wie das Auto selbst: Gerade mal 600 Franken werden für das mit einer 12-Kanal-DSP-Endstufe ausgerüstete Systemfällig.
Der Superb 2.0 TSI 4×4 selbst beginnt bei 42 480 CHF für die Limousine und 43 920 CHF für den Kombi. Die Basis-Motorisierung mit 1,4-Liter-Benzin-Direkteinspritzer – mit seinen 125 PS ist er für eidgenössische Autobahnen fast schon übermotorisiert – kostet sogar nur 28 710 CHF.
Dabei macht das in Tschechien montierte Passat-Derivat keinesfalls den Eindruck eines Sparbrötchens. Mir persönlich gefällt die markante, dabei trotzdem dezente Linienführung mit dem schlichten, aber einladend wirkenden Innenraum sogar besser als die betont nüchterne Linie vom VW-Mutterhaus. Das gilt besonders nachts, wenn die grünen Leuchtstreifen der Ambiente-Beleuchtung das klare Design des Cockpits dezent untermalen. Und es gilt ganz besonders für das superbe Canton- System. Allerdings erst auf den zweiten Blick, sozusagen. Anfangs wummerte nämlich der Bass recht penetrant. Klarer Fall, wenn man den Chef-Entwickler Frank Göbl und seine Werke ebenso kennt, wie die verbreitete Unart von HiFi-Laien im Sinn hat, schaut man erst im Klangmenü nach und wird prompt fündig: Der Kurier, der das Auto brachte, hatte offenbar auch sein Vergnügen und mal richtig Bässe und Höhen reingedreht.
Während das homogen und sanft abgestimmte System den Höhenboost ganz gut verdauen konnte, war der zusätzliche Bass-Schub des Guten ganz eindeutig zu viel. Es betont den gefühlten Peak im Frequenzgang um 60 Hertz, wo sich in der Pop-Musik gewöhnlich Synthesizer und Drums austoben, und wirkt schnell unangenehm, besonders, wenn es lauter wird. Doch sobald alle Klangregler auf linear stehen, bekommt man das Gefühl, dass etwas sozusagen einrastet. Der Klang ist haar- genau auf dem Punkt wie eine gekonnt zubereitete Pasta al dente; das Ergebnis machte mir sofort gute Laune. Es gibt Systeme, die sind perfekt auf den Stand abgestimmt, um auf Vorführungen und bei statischen Tests – Sie glauben nicht, wie viele es davon in der Medienlandschaft gibt – durch high-fidele Fähigkeiten zu glänzen. Und in der Fahrt, wenn Wind, aber vor allem tieffrequente Motor- und Abrollgeräusche dazukommen, ist die ganze Pracht mit einem Mal wie weggeblasen.
Kann tonal alles perfekt verarbeiten
Nicht so in diesem Fall. Hier eignet sich die Anlage hervorragend zur Untermalung der Fahrt – ganz gleich, welche Musik die Insassen favorisieren. Auch die bevorzugte Lautstärke spielt keine Rolle. Mit 610 Watt stellt die Schaltendstufe Leistung im Überfluss bereit, spielt jederzeit so mühelos und spritzig, wie der drehmomentstarke 4-Zylinder-Turbo-Motor auf Gasbefehle reagiert. Die Interpreten scheinen förmlich vor einem zu stehen, haben viel mehr Plastizität und Substanz wie in den meisten Autos. Gerade die Einstellung vorne wirkte sehr natürlich, die ebenfalls mögliche Fokussierung auf den Fahrersitz schränkt das prächtige Panorama ein, die Einstellung für alle Sitzplätze geht in Ordnung, auch wenn die präzise Bühnendarstellung in der ersten Reihe etwas leidet. Der Surround-Pegel lässt sich einstellen und man tut gut daran, es nicht zu übertreiben. Übertreibungen sollte man auch mit dem Gaspedal vermeiden. Zwar hält der Allradler in schnellen Landstrassenkurven stoisch seine Spur und eignet sich vom Durchzug gleichermassen, um grössere Porsches und Audis zu ärgern. Doch auf einer freien deutschen Autobahn wird er bei hohem Tempo besonders in der Komfortstellung des variablen Fahrwerks schwammig und lässt sich von Bodenwellen derart zum Nachschwingen anregen, dass man beim Gedanken an Notbremsungen oder Ausweichmanöver im übertragenen Sinne lieber einen Gang zurückschaltet. Apropos Schalten: Das 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe des Testwagens passte in meinen Augen nicht zum komfortbetonten Charakter des Superb. Gar nicht mal, weil es nicht so virtuos und unauffällig die Gänge sortiert wie die Drehmomentwandler-Automatiken von ZF, die in einigen vergleichbaren Limousinen ihren Dienst verrichten. Einem Sportwagen verzeiht man, wenn er beim Rangieren etwas Konzentration erfordert. Man benutzt ihn auch ganz anders und legt den Fokus auf die maximale Performance. Von einer biederen Limousine erwarte ich eigentlich, dass man beim Rangieren in der Parklücke gerade im Rückwärtsgang bequem alleine mit der Bremse arbeiten kann. Der Škoda verlangt dagegen nach gezielten Gasstössen, damit sich seine automatisch betätigte mechanische Kupplung schliesst. Das erfordert Umgewöhnung und reichlich Fussspitzengefühl, weil man auf engstem Raum dann vergleichsweise digital unterwegs ist und auch noch schnell den Fuss umsetzen muss.
Das war aber auch in Verbindung mit der Fahrwerksabstimmung der einzige Kritikpunkt. Letztlich überzeugte mich der Škoda so sehr, dass ich meinen Fahrstil an das Auto anpasste und feststellen konnte, dass ich viel entspannter unterwegs war und relaxter ankam als mit meinem BMW. Nach einer Woche mit dem knapp 4,80 Meter langen Superb musste ich mich erst wieder an mein Sportfahrwerk gewöhnen, das mir mit einem Mal viel zu viel Rückmeldung von den schlechten Strassenbelägen lieferte und – für Münchner Produkte sehr typisch – relativ nervös auf Spurrillen reagierte. Und ich musste mehr arbeiten am Volant. Eigentlich nenne ich es «Freude am Fahren», aber in Zeiten mit so viel Stress im Job kommt es mir im Vergleich eher wie eine Reizüberflutung vor.
Škoda ist der neue Mercedes
Meine Freundin, die sich nichts aus Autos macht, brachte es auf den Punkt: Der Škoda ist der neue Mercedes. Ein praktisches, solides und komfortables Fortbewegungsmittel, das dich und alle anderen an Bord entspannt ans Ziel bringt. Und ich finde, das trifft es perfekt. In einer Zeit, in der Rolls-Royce und bedingt Bentley mal ausgenommen alle auf Sportlichkeit bis zum Abwinken setzen – selbst Mercedes-Benz, um Reste vom Rentnerautoimage abzuschütteln – bedeutet ein Auto wie der Superb eine Wohltat für alle, die schon im restlichen Leben genug Action haben. Und erst recht für alle, die zu Hause wegen Zeitmangels oder empfindlicher Nachbarn nicht mehr dazu kommen, Musik in vollen Zügen zu geniessen.
Stefan Schickedanz