Verschissen – ein Wort, das in einer seriösen Zeitung tunlichst vermieden oder grossräumig «umschrieben» werden sollte. Obwohl jede und jeder von uns das Wort im Alltagsrepertoir führt und immer wieder Mal motiviert einsetzt. Im Fall von Levin Amweg trifft es im Sinn dieser Geschichte den Nagel auf den Kopf. «Nach meinem Unfall hat sich viel in meinem Leben geändert», sagt er. Ohne zu jammern, notabene. Jammern tut der Berner, der seit er 2011 von den Karts in den grossen Motorsport umgestiegen ist immer in einer Serie unterwegs war (Formel BMW, Formel Renault und zuletzt tt-Cup), nicht. Obgleich ihm definitiv ab und zu danach zumute sein wird. Denn so fit, wie er sich am Schweizer Nationalfeiertag 2015 fühlte, wird er sich wohl nie mehr fühlen …
Volles Risiko gegangen
Es war am 2. August 2015, als der zweite Lauf des damals in seiner ersten Saison stehenden Audi-tt-Cups auf dem Red-Bull-Ring in Spielberg trotz heftigem Regen gestartet wurde. Kaum war das passiert, krachte es in den» Vogesen». Ein paar Autos verkeilten sich und bildeten für die Nachkommenden eine Mauer. Einer dieser Nachfolgenden war Levin Amweg. Mit 180 Sachen knallte der Schweizer, wie andere vor und nach ihm auch, in die Audi-Festung. Während seine Mitstreiter unverletzt blieben, brach sich Amweg den sechsten Lendenwirbel sowie einen Brustwirbel und wurde sofort ins örtliche Spital überführt. Von da aus führte seine folgende Leidensreise ins heimische Berner Insel-Spital, wo sich der talentierte Pilot nach reiflicher Überlegung gegen eine Operation entschied. Das bedeutete für ihn wochenlanges Stillliegen, um im schlimmsten Fall nicht sogar noch ein Lähmung zu riskieren.
Schneller als erwartet kehrte Amweg auf die «Rennbahn» zurück. Beim Saisonfinale des tt-Cups auf dem Hockenheimring kämpfte er sich von Startplatz 14 aus auf den Rang 4. «Obwohl ich damals bei Schlägen noch ziemlich heftige Schmerzen hatte.» Aber er hielt den Mund, weil er fahren wollte. «Es gibt nichts Schöneres für mich.» Er war er in dem Fall bereit, noch einen Tick mehr Risiko zu nehmen, als es in diesem Sport grundsätzlich unerlässlich ist. Vorab von der Hoffnung getrieben natürlich, diese Saison noch eine Chance, sprich ein tt-Cup-Cockpit, zu erhalten. Dem Gesamtsieger des tt-Cups winkt eine Förderung im GT3-Sportwagen-Programm von Audi und auch die anderen Starter dürfen bei starken Auftritten auf eine Karriere bei den Ingoldstädtern hoffen. «Bei Audi zu sein, ist wie einer Familie anzugehören. Ich habe das sehr gemocht», hält Amweg fest. Vom Rennfahren leben zu können, so wie etwa Rahel Frey, Nico Müller oder Marcel Fässler (alles AudiWerksfahrer), ist Amwegs Traum.
«Audi hat mir die Möglichkeit angeboten, im tt-Cup mitzufahren», sagt Amweg. Freilich ohne spezielles, finanzielles Entgegenkommen. Sprich, der junge Mann aus Bremgarten an der Aare hätte gleich viel Geld selber mitbringen müssen, wie die anderen. «Leider hat das nicht geklappt.» Und ohne Geld läuft im Motorsport gar nichts. «Da hilft weder Talent noch sonst was …» So bleiben viele mit mehr Können als andere, die vielleicht sogar in der Formel 1 fahren auf der Strecke. Für alle, die nicht aus dem Motorsport stammen – die überwiegende Mehrheit also – eine Schattenseite des Sports. Kommt hinzu, dass neben Geld in Markenpokalen wie dem tt-Cup für die Hersteller auch ein ausgewogener Herkunftsländer-Mix oder Frauen-/ Männeranteil usw. zählen.
Bestellen
Fakt ist, dass Levin Amweg 2016 ohne Cockpit dasteht und sich nicht irgendwo verdingen will, wo er chancenlos hinterhergurken muss. Darum hat er im Moment mehr Freizeit als ihm lieb ist. «Ich hatte auch andere, gute Angebote; doch auch da fehlte es am Geld.» Geld, das er zum Teil auch als Folge seines Unfalls nicht generieren konnte. Man könnte, auf den Punkt gebracht, sagen: Der Unfall in Spielberg hat Amweg viel Schmerzen gebracht und das, was ihm am meisten Freude bereitet, das Rennfahren, genommen. «So könnte man es sehen.» Womit das erste Wort dieses Artikels unterstrichen wäre…
Bestellen füllt die Kasse
Amwegs Bandscheibe ist gestaucht. Insofern wird er sich wohl ein Leben lang mehr oder weniger mit Rückenschmerzen herumplagen müssen. «Das ist wohl so.» Aufgeben oder den Kopf in den Sand stecken, will er jedoch nicht. Dazu ist er zu sehr der geborene «Fighter». «Mir wurde nie etwas geschenkt – ich musste immer für alles kämpfen im Rennsport. Insofern ist die Situation nicht ganz neu für mich.» Bemerkenswerte Worte für einen 19-Jährigen, selbst wenn es zweifellos Tage gibt, an denen er diesen 2. August in Spielberg durch alle Böden hindurch verteufelt. «Ich will wieder Rennen fahren, das bedeutet mir sehr viel» das ist das, woran Levin Amweg jetzt denkt. Und dafür ist er bereit, viel zu investieren und zu probieren. Bis es so weit ist, kann er seinen Bachelor im Finanzwesen abschliessen und seine Firma, die er nebenbei im Internet führt, pushen. Auf «www.p2p.fashion» sind trendige Lifestyle-Produkte wie Caps, Brillen oder Armbänder bestellbar. Jede Bestellung hilft Amwegs Kasse zu füllen, bis diese so fett ist, dass es wieder für ein interessantes, herausforderndes Cockpit in einer aufregenden Serie reicht. Zu wünschen und zu gönnen wäre es ihm…