Obwohl er die letzten beiden Jahre motorsportlich aussetzen musste, träumt Kris Richard immer noch von einem Profi-Cockpit. «Natürlich wäre es wunderbar, irgendwie in der Tourenwagen-WM oder der DTM oder so unterzukommen», sagt der 21-Jährige. Sein Vater, André Baumann, war in den 90er-Jahren mit einem BMW M3 Evo unter anderem in der DTM engagiert. Dessen Gegner hiessen damals etwa Joachim Winkelhock, Emanuele Pirro oder Fritz Kreutzpointner. Freilich ist sich Richard völlig bewusst, dass, wie überall im Motorsport, das Geld regiert. Insofern macht er sich keine Illusionen. «Ich fahre so lange, wie Geld auf dem Sponsorkonto liegt. Auf irgendwelche Risiken und Abenteuer lasse ich mich bestimmt nicht ein.» Da habe er bei Kollegen schon finanzielle Abstürze erlebt, auf die er so gut und gern verzichten könne. In dem Sinn ist Richard froh und dankbar für jeden Sponsor- und Preisgeld-Franken, den er in den nächsten Wochen und Monaten noch auftreiben respektive rausfahren kann. Denn die Tourenwagen-EM, die er für Rikli Motorsport zusammen mit Routinier Peter Rikli bestreitet, ist erst zur Hälfte finanziell abgesichert. Könnte also sein, dass Richard irgendwann im Juni oder Juli als EM-Leader aus finanziellen Gründen «groundet».
Start ist zum Teil geglückt
«Ich hoffe nicht, dass es so weit kommt», sagt der gelernte Automechaniker. Denn er freut sich sehr auf die Saison, die am Wochenende in Le Castellet (F) begonnen hat. Für ihn leider nicht ideal. Stark unterwegs, brachten zwei unverschuldete Zwischenfälle ihn um die Früchte seiner Performance. Am Ende blieb für Richard ein fünfter Rang im ersten Lauf und ein Ausfall in Race zwei. Wesentlich besser lief es Peter Rikli, der in den beiden Rennen auf die Ränge zwei und drei fuhr. «Im ersten Lauf habe ich das Auto zu hart ‹rangenommen› und mir die Reifen ruiniert, so dass ich gegen Ende mit Untersteuern zu kämpfen hatte. Am Start zum zweiten Lauf bin ich etwas zurückgefallen, weil das Prozedere mit dem neuen Auto noch ungewohnt war. Der Rest war perfekt.»
Extremes Gehetze
Es war extremer Stress für die Rikli-Truppe, die beiden neuen Autos rechtzeitig bereitzustellen. Andere Teams haben es nicht geschafft und mussten so in Le Castellet Forfait geben. Letztlich waren nur acht Teams am Start. Am Dienstag standen für die Oberaargauer die Abnahme der beiden Honda Civic TCR bei JAS Motorsport in Italien und eine kurze Testfahrt an. «Ich bin zehn Runden gefahren und hatte anschliessend das Gefühl, ich könne gar nicht mehr Autofahren», sagte Rikli. Dies darum, weil sich der Sauger-Routinier erst an den Turbo gewöhnen muss. «Ich habe einen etwas eigenen Stil», sagt Rikli. Im Sauger habe er das Auto jeweils mit dem Gas um die Bögen gedriftet. «Solches geht beim Turbo nicht. Vom Gas gehen, geht gar nicht …» Insofern müsse er seinen Fahrstil auf diese Saison hin komplett umstellen. Seine Erfahrung und sein Wille, es der Konkurrenz zu zeigen, werden ihm dabei helfen – davon ist Peter Rikli überzeugt.
Zurück zu den neuen Autos. Diese wurden noch am Dienstagabend vor dem ersten Rennweekend von Mailand (I) in die «Homebase» nach Wangen an der Aare BE transportiert und daselbst in der folgenden Nacht und am folgenden Tag beschriftet. «Ich war kurz davor durchzudrehen», erinnert sich Kris Richard. Überall hätte es noch irgendetwas zu erledigen gegeben. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag schliesslich fuhr der berufsmässig als LW-Fahrer tätige Oberländer den «Rikli-Truck» zumindest zum Teil noch selbst Richtung Côte dʼAzur (F). Umso glücklicher ist Richard nun, dass er sich primär aufs Rennfahren fokussieren kann. Und hier möchte er es nicht nur seinem Teamkollegen zeigen. Immerhin winkt dem Europameister 2016 als Belohnung ein Rennen in einem Cockpit der WTCC – der Tourenwagen-WM also. «Das wäre natürlich etwas ganz Grossartiges und eine Super-Chance, sich zu präsentieren», sagt Richard, der junge Mann aus Gwatt bei Thun BE.
Ein Wunschtraum
Freilich läuft auch Peter Rikli das Wasser im Mund zusammen, wenn er an den Preis für den Sieger denkt. «Mein Ziel ist ganz klar der Titel und ich werde alles dafür geben, um diesen zu holen.» Kämpfen wie ein Löwe, um die gegnerische Seat-Leon-Armada in die Schranken zu weisen sozusagen. Ein WTCC-Cockpit wäre ein Traum für Rikli. Letzte Saison, im 24. Jahr seit Bestehen von Rikli Motorsport, hat es mit dem angepeilten EM-Titel nicht ganz geklappt. Am Ende wurde es Rang zwei. Nun, vielleicht gibts heuer ja ein besonderes Jubiläumsgeschenk in der seit letztem Wochenende laufenden 25. Saison. Sollten die Leon zu «fast and furios» sein, erhalten die Wangener auch von JAS-Honda-Motoreningenieuren Unterstützung. Grundsätzlich jedoch, gibt Peter Rikli zu bedenken, sei es kein nennenswerter Vorteil, wenn die Autos jetzt quasi vom Werk kämen und nicht mehr selber aufgebaut werden müssten. «Wenn du jede Schraube am Auto kennst, ist das auch ein Vorteil. In dem Fall müssen wir uns in den bevorstehenden Rennen auch selber viel neue Erfahrungen machen.» Die gesamte Crew hofft natürlich, dass diese «Findungsphase» nicht zu lange dauert, sprich nicht zu viele Punkte kostet.