«HOHE OBJEKTIVITÄT UND GLAUBWÜRDIGKEIT»

Die BMW Group hatte am 7. März das einhundertjährige Bestehen feiern können. Im Rahmen der Aktivitäten zum Jubiläum beschenkte sich BMW mit einer Ausstellung zur Unternehmensgeschichte im hauseigenen Museum in München (D).

Dr. Andreas Braun betreut seit 2008 als Kurator des BMW-Museums die Ausstellungen. Er studierte Kunstgeschichte, Geschichte und Kunsterziehung.

Der Zeitpunkt des Jubiläms war absehbar. Wann begannen Sie mit den Vorbereitungen für diese Ausstellung?
 
Leider viel zu spät. Letztlich blieb uns dafür nur etwas mehr als ein Jahr Zeit. Wir hätten viel eher beginnen müssen, doch die ersten Konzeptionen und Gespräche gab es erst im Zeitraum März/ April letzten Jahres. Immerhin war uns der Titel relativ früh klar. Nun haben wir es, so denke ich, zwar noch ganz gut hinbekommen, doch für die dann in rund anderthalb Jahren anstehende nächste Ausstellung werde ich nach dieser Erfahrung mit den Vorbereitungen schon morgen beginnen.

Auf welcher Basis wurden diese «100 Meisterwerke» ausgewählt?

Unser Ziel war, nebst einer soliden historischen Basis auch eine hohe Objektivität und Glaubwürdigkeit zu erlangen. Unser Terrain ist die Tradition. Und aufgrund dieser Ausgangslage machen wir hier im Museum das so, wie wir das immer tun. Dies ganz im Wissen um die Bedeutung der Historie.

 

«Wir suchten nach einer griffigen Bezeichnung, welche mit der Zahl 100 spielt. Auf die Bezeichnung kamen wir in Anlehnung an eine von Anfang der 80er- bis Mitte der 90er- Jahre im Deutschen Fernsehen gezeigte Vorabendserie, in der jeweils berühmte Gemälde präsentiert wurden.
«Wir suchten nach einer griffigen Bezeichnung, welche mit der Zahl 100 spielt. Auf die Bezeichnung kamen wir in Anlehnung an eine von Anfang der 80er- bis Mitte der 90er- Jahre im Deutschen Fernsehen gezeigte Vorabendserie, in der jeweils berühmte Gemälde präsentiert wurden.

Und wie ging man voran?

Die Auswahl traf ich zusammen mit meinen Kollegen/-innen des Werksarchivs. Hätte ich diese Auswahl mit dem Marketing getroffen, wäre die Auswahl ehrlicherweise gewiss anders herausgekommen. So haben wir nicht einfach wahllos die attraktivsten Fahrzeuge genommen, um die Marke BMW in den Vordergrund zu stellen, sondern wir liessen uns etwa von der Frage nach der Innovationskraft leiten. So machen denn auch Fahrzeuge und Produkte nur etwa 60 bis 70 Prozent der gezeigten Exponate aus.

Wie sähe die Ausstellung aus, wenn das Marketing den Lead gehabt hätte?

Sie wäre sicher auch faszinierend geworden, hätte aber gewiss einen anderen Look erhalten. Das Marketing war für uns zwar ein ganz wichtiger Sparringspartner, doch in dem Fall wären wohl eher die Produkte ins Glanzlicht gerückt worden, als es jetzt der Fall ist. Das Thema ist nun ausgewogener umgesetzt.

Auf welches Exponat sind Sie als Kurator am meisten stolz?

Mir persönlich gefällt, dass wir dem Personal, der Belegschaft so viel Raum einräumen konnten. Wir konnten neben all den Produkten konsequent der Frage nachgehen, wer denn überhaupt der Garant der Marke BMW ist. Somit bin ich stolz darauf, dass wir zum ersten Mal im Rahmen einer öffentlichen Ausstellung auch die Geschichte unserer Mitarbeitenden zeigen können. Hierfür konnte ich übrigens auf ein Buch aufbauen, in welchem die Geschichte des BMW-Personals behandelt wird. Doch in der Ausstellung konnte ich zusätzlich noch explizit auf spezifische Themen in diesem Zusammenhang, etwa neue Formen der Arbeit ab den 80er- oder 90er-Jahren, verstärkt eingehen. Wer weiss, wann es wieder die Gelegenheit geben wird, solche Aspekte im Rahmen einer Unternehmensdarstellung zu zeigen.

Falls Sie für eine Ausstellung die freie Wahl des Themas hätten, was würden Sie gerne realisieren?

Mein Wunsch wäre es, einmal eine Ausstellung nur über Farben zu machen. Und zwar Farben in den unterschiedlichsten Zeiten. Wann waren bei BMW Farben wie das Colorado-Orange, das Florida-Grün oder das Condor-Gelb aktuell und weshalb? Wer hat diese Farben entworfen? Wie kam man auf diese Namen? Was haben diese Farben für Trends gesetzt? Ich würde eine solche Ausstellung im Sinne einer übergreifenden Designgeschichte mit Themen wie Mode oder Möbel realisieren.

Zum Schluss haätte ich von Ihnen gerne kurze Einschätzungen zu Begriffen rund um das Kürzel «BMW»: Was fällt Ihnen zum Buchstaben B ein, wenn Sie im Zusammenhang mit der Ausstellung die Begriffe Begehrt oder Beständig hören?

Zum Thema Begehrt kann ich sagen, dass es bei der Formensprache, ich spreche von einer Absolutheit der Ästhetik, ein ganz besonderes Geheimnis ist, wenn ein Automobil auch nach 50, 70 oder mehr Jahren auf mich noch immer emotional einwirkt – und bei mir eben eine Begehrlichkeit weckt. Und für mich weisen die wohl unspektakulärsten Fahrzeuge, die wir bislang produziert haben, eine ganz besondere Form der Beständigkeit auf. Ich denke da an die klassischen Limousinen der Reihen 3, 5 und 7. Sie sind an Beständigkeit kaum zu übertreffen.

Einen gebührenden Anteil in der Ausstellung erhielt auch die Werbung für die BMW-Produkte. In diesem Zusammenhang wohl nicht nur Jüngern der Marke dürfte der Slogan «Aus Freude am Fahren» ein unauslöschlicher Begriff sein.
Einen gebührenden Anteil in der Ausstellung erhielt auch die Werbung für die BMW-Produkte. In diesem Zusammenhang wohl nicht nur Jüngern der Marke dürfte der Slogan «Aus Freude am Fahren» ein unauslöschlicher Begriff sein.

Dann beim Buchstaben M, was zu den Begriffen Maschine oder Mensch?

Hier gibt es für mich kein Entweder-oder. Für den Menschen geht die Entwicklung hin zu einer Verlagerung in Richtung Kontrolle. Die Maschine ihrerseits unterstützt dort, wo es um die Anwendung von Kraft geht. Gerade für BMW sind Roboter keine Schreckgespenster, sondern es sind dienstbare Geister. Es geht um eine völlig neue Form der Kollaboration.

Und dann noch für das «W»: Wert oder Würdigung?

Gerade im Youngtimer-Bereich erstaunt mich die Wertbeständigkeit von Fahrzeugen immer wieder. Schliesslich sprechen wir hier zumeist von grossen Produktionsvolumen. Dennoch schwärmt die Generation der in den 70er- und 80er-Jahren Geborenen nicht ausschliesslich von Vorkriegsfahrzeugen, sondern explizit von Youngtimern. Würdigen möchte ich an dieser Stelle den ab Sommer 1959 produzierten BMW 700. Genau ein halbes Jahr vor der legendären Hauptversammlung, an der ein vom Vorstand vorgeschlagener Verkauf von BMW an Daimler auf der Tagesordnung stand und schliesslich durch die Kleinaktionäre vereitelt wurde. Genau dieser BMW 700, ein kompakter Kleinwagen zwischen
der Isetta und den grossen V8-Modellen, sollte dann mit seinem Verkaufserfolg letztlich das Unternehmen stabilisieren. Es tut mir heute leid, dass wir nicht eine einzige Baureihe auf ihm aufbauten, nach ihm benannt haben. Er hätte es verdient. Doch immerhin hat er nun seinen Platz in der Ausstellung.

Die Marke mit dem Propeller im Logo befasste sich in dieser Feierstunde auch mit der Zukunft.
Die Marke mit dem Propeller im Logo befasste sich in dieser Feierstunde auch mit der Zukunft.

 

 

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