Vom Beschlagen der Pferdehufe bis hin zum Züchten ganzer Pferdeherden unter der Motorhaube gibt es einen vielleicht etwas forciert herbeigeredeten roten Faden in der Entwicklung der Firma ABT. So war zur Zeit der Geschäftsgründung der Schmiede im Jahr 1896 noch nicht abzusehen, dass das Unternehmen eines Tages in den 1970er-Jahren zum grössten Tuner der Volkswagen-Gruppe avancieren würde. Das schon aus dem einfachen Grund, weil man Ende des 19. Jahrhunderts unter dem Begriff Wagen eine Pferdekutsche verstand, und weil Automobile noch ganz vereinzelte Spielzeuge der obersten Gesellschaftsschicht waren.
Dennoch ist ABT durch ihr 120-jähriges Bestehen älter als alle noch existierenden Automobilhersteller, mit Ausnahme von Mercedes-Benz, deren Ursprünge bekanntlich auf den Benz- Patent-Motorwagen von 1886 zurückgehen. Eine amüsante Anekdote betrifft die Aussage von Johann Abt, der meinte, dass er die ersten Automobile durchaus zur Reparatur in seine Werkstatt aufnehmen würde, weil sie ja Kutschen mit aufgesetztem Motor glichen. Der Firmengründer merkte jedenfalls schnell, dass es nicht bei den wenigen Motorwagen bleiben würde und richtete seine Aktivitäten ab 1920 umgehend auf die Marken Horch und Audi aus. Auto-ABT war geboren.
Faszination mit Carlo Abarth
Nach dem 2. Weltkrieg wäre die Firma fast zugrunde gegangen, nachdem der Sohn des Gründers Josef Abt im Feld gefallen war. Seine Frau Rosina krempelte aber die Ärmel hoch und brachte die Tätigkeiten mithilfe ihres Schwagers Hans wieder ins Rollen. Sie spezialisierten sich auf die Reparaturen von Automobilen, die im Krieg beschädigt worden waren, brachten aber auch Kutschen wieder auf Trab.
1967 erfolgte der Schritt, der zu dem Unternehmen führen sollte, wie wir es heute kennen. Johann Abt Junior, der Enkel des Firmengründers, begann mit dem Schnellermachen von Serienautos mit Mitteln aus dem Rennsport. Der junge Rennfahrer war besonders beeindruckt vom Werdegang von Carlo Abarth, der den netten kleinen Fiat ordentlich Höllenfeuer einverleibte. Für Abt ging ein Traum in Erfüllung, als er 1966 für das österreichische Team Rennen fahren durfte.
Immer mit klarem Ziel
In den 1970er-Jahren machte es die immer mehr verbreitete Benzineinspritzung möglich, Serienmotoren durch das Umprogrammieren der Motorensteuerung schneller zu machen, das sogenannte «Chip Tuning». ABT sprang auf diesen Zug auf und hauchte vor allem dem Golf mehr Temperament ein. Das war aber nur eine der Firmenaktivitäten, man baute auch stärkere Bremsen und straffere Aufhängungen in die VW ein und entwickelte Spoiler und Schweller. Diese Spezialitäten machten ABT in breiten Kreisen bekannt und sind auch heute noch Grundlage für den Ruf der Firma.
In den 1990er-Jahren näherte sich die nun auf ABT Sportline umgetaufte Firma noch näher an die VW-Gruppe an und wurde zum grössten Tuner derer Produkte. Eine Übernahme steht aber nicht zur Debatte. «Wir haben viel Erfahrungsaustausch und sehr enge Bande mit VW», erklärt Verkaufsdirektor Emeric Charlot. «Aber ABT bleibt unabhängig. Hans-Jürgen Abt hat absolut kein Interesse daran, die Selbstständigkeit des Unternehmens nach 120 Jahren Bestehen aufs Spiel zu setzen.» Dennoch ist Abt stolz auf die guten Beziehungen mit dem VW-Konzern. Diese zeigten sich jüngst auch wieder am Genfer Automobil-Salon. «Wir waren der einzige Tuner in der Halle 1 und unser Stand befand sich gleich neben den VW-Marken. Damit wird auf den ersten Blick deutlich, wie nahe sich Volkswagen und ABT stehen und dass wir der grösste Tuner der Gruppe sind.»
Die Zusammenarbeit betrifft zudem nicht nur die Serienfahrzeuge, sondern reicht bis in den Rennsport: im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts wurden die Audi für die Deutsche Tourenwagenmeisterschaft durch ABT eingesetzt. Sie brachten 2002 mit Laurent Aïello den Fahrertitel nach Hause, was Mattias Ekström 2004 und 2007 nochmals gelang. Timo Schneider doppelte dann nach und gewann 2008 und 2009 den Titel.
ABT Sportline konzentriert sich dieser Tage auf die Formel e, und im vergangenen Jahr verpasste sie mit Lucas Di Grassi die Krönung nur knapp. Das Unternehmen will beweisen, dass man zunächst seine Strukturen ändern muss, bevor man ein Auto erfolgreich modifizieren kann. ABT zeigte am Genfer Automobil-Salon 2016 zur Feier des 120-Jahr-Jubiläums zwei Modelle (es gibt noch zwei andere, aber diese wurden nicht am wichtigen Industrieanlass am Genfersee ausgestellt).
ABT RS6 «1 of 12»
Für diese limitierte Serie von zwölf Wagen (es sind alle schon verkauft) hält ABT mit vollmundigen Ansagen nicht hinter dem Berg: «Der RS6 wird genauso rassig oder noch extremer als jeder Supercar aus Maranello», heisst es im Pressetext. Nicht gerade bescheiden. Die Leistungsdaten geben dem getunten Audi aber recht; sein Biturbo V8 bringt es auf 735 PS (gegenüber 560 PS beim Original), das höchste Drehmoment steigt von 700 auf 920 Nm. Der RS6 beeindruckt ausserdem mit einer versprochenen Höchstgeschwindigkeit von 320 km/h. «Der Wagen ist genau so, wie ihn sich Firmenchef Hans-Jürgen Abt vorgestellt hat», versichert uns Emeric Charlot. Geheimtipp an alle, die sich in diesen RS6 verliebt haben: die limitierte Serie ist zwar ausverkauft, aber alle Einzelteile – darunter auch die enormen 22-Zoll-Räder und die Karbon-Karosserieteile – sind einzeln bestellbar.
ABT T6 Anniversary Edition
Im vergangenen Jahr feierte der legendäre VW-Bus seinen 65. Geburtstag. ABT wollte der automobilen Ikone ein Denkmal setzen und sich gleichzeitig ein eigenes Geburtstagsgeschenk leisten und stellte diesen T6 auf die Räder. Die Karosseriemodifikationen sind nur ein erster Schritt, denn der 2-l-TDI wird gleich auch noch um 31 PS verstärkt, von 204 auf 235 PS. Das Fahrwerk wurde auch nicht ausser Acht gelassen, und die neuen Feder-Dämpfer-Einheiten senken die Karosserie und den Schwerpunkt des T6 ab. «Das ist kein Nutzfahrzeug mehr, sondern ein echter SportMinibus», definiert ihn Emeric Charlot.