So langsam wurde die Ferrari Anfang der 50er Jahre stärker.
- Nur 1950/51 gebaut
- Wahrscheinlich 28 Exemplare
- Eine seltene Kooperation mit Ghia
Noch befinden wir uns in den Anfangsjahren von Ferrari. Erst drei Jahre alt war das Unternehmen 1950, und doch präsentierte es in diesem Jahr mit dem 195 und dem 212 bereits sein drittes und viertes Modell (nach dem 125 und dem 166). Der 166 wurde weiterhin gebaut. Mit seinen 2 Liter Hubraum passte er in so ziemlich jede Sportklasse. Beim neuen 195 mit seinen 2,3 Liter Hubraum war das nicht mehr der Fall, und der 212 mit seinen 2,6 Litern Hubraum musste dann schon bei den ganz Bösen antreten. Doch während der 212 eine grosse sportliche Karriere machte, blieb der Palmares des 195 eher bescheiden. Mit einer Ausnahme, die sowieso fast niemand bemerkte: Giannino Marzotto, dieser extrem talentierte Gentleman-Driver, gewann 1950 die Mille Miglia zwar offiziell in einem 166 MM, doch angetrieben war dieses Fahrzeug von einem 2,3-Liter-V12 aus dem 195.
Wenn wir schon dabei sind: Wie schon beim 166 gab es einerseits die «zivilen» Varianten, die hiessen 195 Inter (166 Inter: hier). Und dann gab es die Rennmodelle, die hiessen 195 S – und hatten wieder den kürzeren Radstand (2,25 Meter). Von Letzteren soll es genau zwei gegeben haben – beide traten bei der Mille Miglia 1950 an, beide schieden aus. Es waren aber nicht die besten Trümpfe, die Ferrari bei der 17. Mille Miglia im Spiel hatte. Eigentlich wäre das Rennen samt Sieg ja für Alberto Ascari oder «Gigi» Villoresi gedacht gewesen, die beide in einem neuen 275 S (3,3-Liter-V12) antraten. Auch die Gegner schliefen nicht.
Doch die 17 ist in Italien eine Unglückszahl, wie sie es die 13 in anderen Ländern ist, dazu kam ein wirklich grauenhaftes Wetter. Regen, Sturm, Nebel waren genau die Bedingungen, die sich Marzotto in seinem leichten Ferrari gewünscht hatte, und er übernahm früh die Spitze. Als der Regen etwas nachliess, preschte Villoresi nach vorne, was sich Ascari natürlich nicht gefallen lassen konnte, und prompt ruinierten beide auf der Strecke zwischen Pescara und Rom ihre Getriebe. Marzotto fuhr den Sieg locker nach Hause – in Brescia traf er, Sohn eines reichen Stoff-Fabrikanten, im perfekt sitzenden Zweireiher ein.
Aber wie kam der stärkere Motor in den kleinen 166er? Marzotto hatte mit einem 166 MM ein Bergrennen gewonnen und sich entschieden, dass genau dieses Fahrzeug perfekt ist für die Mille Miglia. Also bestellte er einen solchen Wagen, doch nach einer ersten Probefahrt war er völlig enttäuscht. Luigi Bazzi, der legendäre Werksmechaniker, versprach ihm, sich darum zu kümmern – was er dann auch wirklich tat, mit eben diesem 195er-Motor, von dem Marzotto aber nichts wusste. Nach dem Rennen kam Enzo Ferrari zu ihm und verlangte die Hälfte des Preisgeldes: Er, Marzotto, sei mit diesen speziellen Motor ja so etwa wie Mitglied des Werk-Teams geworden.
Beim 195 Inter übte sich Ferrari in der Deklination, der Wagen unterschied sich nicht entscheidend vom 166. Die Bohrung wurde um 5 Millimeter erhöht auf jetzt 65 Millimeter, der Hub betrug weiterhin 58,8 Millimeter. Das ergab den neuen Hubraum von 2341 ccm. Anfangs wurde nur ein Einfach-Vergaser installiert, doch schnell wechselte Ferrari auf die Weber-32-DCF-Doppelvergaser. Es soll auch Maschinen gegeben haben, bei den ein Dreifach-Weber montiert wurde. Ferrari nannte eine Leistung von 130 PS, doch das reichte, den knapp unter 1000 Kilo wiegenden 195 in unter 10 Sekunden von 0 auf 100 km/h zu beschleunigen. Die Höchstgeschwindigkeit lag gemäss Werksangaben bei 160 km/h, doch das kam natürlich sehr auf die Getriebe- und Achs-Untersetzungen an – im Renn-Trimm waren auch 200 km/h möglich.
Der 195 Inter, über den es mehr als nur widersprüchliche Produktionszahlen gibt, war ein wichtiges Fahrzeug für Maranello. Mit seinem längeren Radstand (jetzt 2,5 Meter statt 2,42 Meter) bot er eine ideale Basis für die italienischen Karosserie-Schneider. Es war auch das erste Modell, für das Ghia einen Aufbau zeichnete. Die Zusammenarbeit mit Maranello war für Ghia allerdings nie besonders fruchtbar, nur insgesamt 35 Ferrari tragen anscheinend eine Ghia-Karosserie, eines davon zeigen wir hier (0113S).
In der monatlich erscheinenden Klassik-Beilage der AUTOMOBIL REVUE finden Sie immer schöne Old- und Youngtimer. Abos gibt es: hier. Ansonsten entsteht hier eine sonntägliche Reihe von Ferrari, da haben wir eine Liste mit diesen schönen Geschichten erstellt, zu bewundern: hier.