Es ist Montag, wir feiern Jubiläen. Heute mit dem Ford Mondeo, der vor 30 Jahren auf den Markt gekommen ist.
- Das erste «Weltauto»
- Nach fünf Generationen war Schluss (in Europa)
- Dienstwagen von James Bond
John Hardiman war sich siegessicher. Für neue Verhältnisse in der Mittelklasse werde Ford mit dem Mondeo sorgen, erklärte der Chef der Kölner Ford-Werke Anfang 1993 bei der Pressevorstellung der Mittelklasse-Modelle, denen vom amerikanischen Mutterkonzern die Rolle eines Weltautos in die Wiege gelegt worden war. Für das sprichwörtliche Rauschen im Blätterwald der Zeitungen sorgten dann aber nicht Hardimans kühne Ziele, sondern tatsächlich die ersten Testfahrten mit der neuen Ford-Flotte, die fast von Beginn an als viertürige Stufenhecklimousine, als fünftüriges Fliessheck und als Kombi Turnier verfügbar war. «Ein neuer Stern in der Mittelklasse», «Auf Anhieb ein Spitzentyp» oder «Neue Linie der Vernunft» lauteten überschwängliche Schlagzeilen, die nur Vorboten vieler Medienpreise waren, mit denen der Mondeo geradezu überschüttet wurde.
Bereits auf dem Genfer Salon erhielt der Ford das Prädikat «Auto 1 Europa» und Ende 1993 errang er den begehrten Titel «Auto des Jahres». Sogar Formel-1-Star Michael Schumacher erklärte damals den Medien: «Ein besseres Fahrwerk in dieser Klasse kenne ich nicht». Vor allem aber fuhr Mondeo seinen Erzgegnern in den europäischen Verkaufscharts anfangs davon. Dies auch durch günstige Preise und ein Sicherheitspaket aus ABS, Airbag für Fahrer und Beifahrer, Gurtstraffer, Gurtstopper, Seitenaufprallschutz und sogenanntes Traction Control System für Vortrieb auf rutschigem Untergrund. Ein Technikprogramm, das Rivalen wie VW Passat, Opel Vectra oder Peugeot 405 geradezu deklassierte.
Nur ein Jahr nach Produktionsstart feierte das belgische Produktionswerk Genk die Auslieferung des 500’000. Mondeo, der nun bereits auf vier Kontinenten verkauft wurde. 1994 folgten ausserdem die amerikanischen Mondeo-Ableger Ford Contour und Mercury Mystique aus einem Werk bei Kansas City – konnten allerdings nicht an den Erfolg des europäischen Schwestermodells anknüpfen. Für die amerikanische Mittelklasse waren Contour und Mystique geringfügig zu klein geraten und wurden später von überkritischen US-Fachmedien sogar als peinlichste Award-Gewinner aller Zeiten bezeichnet. Für die modernen und sparsamen Frontantriebs-Vierzylinder – mit der Einstellung des Sierra verabschiedete sich Ford in diesem Segment vom Hinterradantrieb – eine deutlich überzogene Kritik.
Seit 1986 war das Weltautoprojekt CDW 27 (C= Sierra/D= Scorpio) in den USA und in Europa vorangetrieben worden, dies mit der Absicht, in den USA den Honda Accord vom Podest zu verdrängen. War doch der Accord über Jahre meistverkaufter Pkw aus amerikanischer Produktion, nicht zuletzt dank seines relativ geräumigen Interieurs. Dennoch zeigte sich einmal mehr: Die globale Gleichmacherei kennt Grenzen. Da nützte es den Konzernchefs auch nichts, auf die Milliardenbeträge zu verweisen, die so bei der Entwicklung eingespart wurden. Tatsächlich hatte auch der Honda Accord, den Ford mit Contour und Mystique ins Visier genommen hatte, seine speziellen Probleme. Dies allerdings in Europa. Weshalb Honda-Chef Nobuhiko Kawamoto das Weltauto im Jahr 1993 für tot erklärte und die Rückkehr zur Entwicklung unterschiedlicher Modelle für die Hauptabsatzmärkte verlangte.
Zurück zu den Anfängen des Weltwagens, der auch auf technische Spezialitäten verweisen kann. So auf ein optionales, neuartiges elektronisch gesteuertes Allradsystem und auf moderne Vier- und Sechszylinder mit Vierventiltechnik. Als besonderer Marketingcoup galt die Einpreis-Strategie, nach der alle Karosserievarianten mit gleicher Ausstattung zum gleichen Preis verkauft wurden. Dennoch kam es schon nach drei Jahren zum ersten gründlichen Facelift, das als Generationenwechsel gewertet werden kann. Wurden doch bis auf Türen und Dach alle Blechteile geändert. Massnahmen, mit denen der zu unauffällige Mondeo mehr Gesicht zeigen sollte und nach seinem Anfangserfolg wieder Anschluss finden musste an die davonziehenden Konkurrenten von Opel und Volkswagen. Grosse Emotionen weckte er aber erst mit den Sportlern der ST-Familie, die im Herbst 1998 auf der Berliner AAA enthüllt wurden: Auffällige Spoiler und 151 kW/205 PS waren damals für biedere Familientransporter eine mutige wie verlockende Ansage.
Als Ford auf dem Genfer Salon 2002 mit einem 3,0-Liter-V6 im 166 kW/226 PS starken Mondeo ST 220 die nächste Stufe zündete und die Vmax-Marke von 250 km/h anstrebte, war die Kölner Mittelklasse bereits über sich selbst hinaus gewachsen. «Echter-Fordschritt: Der neue Mondeo schlägt die C-Klasse» oder «Mehr als der Passat» lauteten die Lobeshymnen der Medien über die dritte Mondeo-Generation, die bereits auf dem Pariser Salon 2000 Premiere gefeiert hatte. Kaum ein Vergleichstest, den der Mondeo nicht gewann. Die Käuferherzen eroberte er aber auch durch das markante, nun leicht entschärfte «New Edge Design» von J Mays (der zuvor für den VW-Konzern gezeichnet hatte). Allerdings hatte der dritte Mondeo auch noch eine spezielle Mission zu erfüllen: Er musste den Fahrern des inzwischen eingestellten Ford-Flaggschiffs Scorpio einen adäquaten Ersatz bieten. Mit stattlichen 4,70 Meter Länge, modernen Motoren und einer innovativen Plattform, die auch für Jaguar X-Type, Volvo S60 und Mazda6 (damals alles Marken der Ford-Welt) verwendet wurde, konnte der Mondeo tatsächlich so manchen Scorpio-Kunden gewinnen.
Motorisches Downsizing war dagegen beim vierten Mondeo angesagt, der durch die Designstudie Iosis auf dem Pariser Salon 2006 angekündigt wurde. Und noch einen Appetizer gab es vor der offiziellen Weltpremiere im März 2007: James Bond 007 entschied sich im Filmabenteuer «Casino Royale» für den neuen Mondeo als Dienstwagen. Nach fast vier Jahrzehnten verbannte Ford seine viel gerühmten Sechszylinder aus der Mittelklasse, fortan arbeitete in dem bis zu 4,86 Meter langen Mondeo ein kerniger und kraftvoller Volvo-Fünfzylinder als Topmotorisierung. Ab 2010 waren es nur noch Vierzylinder, dies allerdings mit einer Leistung von bis zu 176 kW/240 PS. Vorboten auf die kommenden Dreizylinder und Hybridantriebe im fünften Mondeo zum Modelljahr 2015. Vom Mittelmass der Mittelklasse hatte sich der Ford bereits mit dem dritten Mondeo entfernt, ein Vorsprung, den Nummer vier ausbaute. Allein bei Image und Markenfaszination gab es noch Nachholbedarf, um im harten umkämpften Dienstwagengeschäft an die Spitze zu fahren.
Bestachen frühere Weltautos vor allem durch Unauffälligkeit, schickte Ford den nächsten Mondeo deshalb als athletische gebaute Limousine mit coupéhaften Linien ins Rennen. Ein gefrässiger Kühlerschlund in umgekehrter Trapezform, aggressiv schauende Scheinwerfer und muskulös wirkenden Auswölbungen an den Radhäusern kündeten von Agilität und Angriffslust fast wie bei einer Raubkatze, die alle Rüsselsheimer und Wolfsburger fressen möchte. Im April 2022 war dann aber fertig lustig – ob es in Europa je wieder einen Mondeo geben wird, ist mehr als fraglich. In China dagegen gibt es seit letztem Jahr eine sechste Generation des Ford zu kaufen. (SP-X/AR)
In der monatlich erscheinenden Klassik-Beilage der AUTOMOBIL REVUE finden Sie immer schöne Old- und Youngtimer. Abos gibt es: hier. Ansonsten entsteht hier eine Reihe mit den Jubiläen von 2023, da haben wir eine Liste mit diesen schönen Geburtstag-Stories erstellt: hier.