Selbstverständlich wusste Ford, dass Chevrolet die Corvette plante. Und plötzlich ging alles ganz schnell.
- Gebaut von 1955 bis 1957
- 53’166 Exemplare produziert
- Der erste amerikanische Sportwagen
Die Frage müsste eigentlich sein, warum es so lange dauerte. Nach dem 2. Weltkrieg bestand in den USA eine grosse Nachfrage nach handlichen, am liebsten zweisitzigen Roadstern. Die amerikanischen Hersteller hatten da nichts zu bieten, folglich bedienten sich die Kunden zumeist bei englischen Produkten, MG, später Jaguar. Wohl erst 1950 wurde man bei General Motors auf diesen Trend aufmerksam. Dann ging es plötzlich schnell, am 17. Januar 1953 wurde ein Concept-Car mit der Bezeichnung EX-122 präsentiert, schon am 30. Juni 1953 rollte die erste Corvette vom Band.
Man darf das wohl Wechselwirkung nennen. Selbstverständlich erfuhr Ford von den Plänen von General Motors – und machte sich, wahrscheinlich erst Anfang 1952, ebenfalls an die Entwicklung eines zweisitzigen Sportwagens. Selbstverständlich erfuhr GM von den Bemühungen von Ford – und begann sich zu beeilen, denn dieses Rennen wollte man gewinnen. Es wurde trotz des grossen Vorsprung knapp: gut einen Monat nach EX-122 zeigte auch Ford einen Prototypen des Thunderbird. Im Gegensatz zum Concept-Car der Corvette war der «Bird» aber mehr so eine leere Hülle, eine Idee.
Aber Ford gab Gas, schaffte es, das Fahrzeug innerhalb eines Jahres zur Serienreife zu entwickeln – am 20. Februar 1954 wurde der sportlichste aller Ford vorgestellt, am 9. September rollte das erste Serienmodell vom Band in Dearborn, ab dem 22. Oktober 1954 stand er dann mit Jahrgang 1955 bei den Händlern. Die sehr kurze Entwicklungszeit war unter anderem deshalb möglich, weil der Thunderbird unter dem hübschen Blech selbstverständlich auf viele Ford-Bauteile zurückgreifen konnte, die auf einen Radstand von 2,59 Meter verkürzte Plattform war die gleiche wie bei anderen Ford-Modellen, die vom ebenfalls bekannten 4,8-Liter-V8 angetrieben wurden.
Und genau dieser V8 machte den grossen Unterschied zur Corvette, die in ihren ersten Jahren nur über einen ziemlich lahmen Blue-Flame-Reihensechser mit 150 PS verfügte. Die Ford-Maschine war auch nicht gerade ein Knaller, doch die rund 200 PS waren halt schon fröhlicher als alles, was es sonst an kleinen Zweisitzern – der Thunderbird war nur gerade 4,45 Meter lang, 1,78 Meter breit – auf dem amerikanischen Markt gab. Walt Woron, Chefredakteur des Fachmagazins «Motor Trend» schrieb: «Die Ford Motor Company würde es wohl bestreiten, doch sie hat jetzt einen Sportwagen, und dazu noch einen guten…».
Die Corvette war wirklich kein Gegner. 1953 wurden 300 Exemplare verkauft, 1954 immerhin 3640, 1955 dann nur noch 700 – vom Ford Thunderbird gleich am ersten Verkaufstag 3500 Stück. In den 2,5 Jahren, in denen Ford die erste Generation des Thunderbird anbot, heute als «Classic Bird» bezeichnet, wurden 53’166 Einheiten abgesetzt. Die Corvette schaffte diese Zahl erst Ende des Modelljahrgangs 1961, acht Jahre nach der Lancierung.
Einverstanden, die Corvette war dann ab 1957 keine lahme Ente mehr, machte auch auf den Rennstrecken Karriere. Doch der Thunderbird steckte nicht zurück, auch wenn Ford in jenen Jahren offiziell keinen Rennsport betrieb. Schon 1956 gab es zusätzlich einen 5,1-Liter-V8 mit bis zu 225 PS, 1957 waren es dann bereits 245 PS. Dazu kam eine Variante mit McCulloch/Paxton-Kompressor, die bis zu 345 PS schaffte und von der 196 Stück entstanden, die so genannten F-Bird.
Die zweite Generation des Thunderbird, die so genannten «Square Bild», kamen am 13. Januar 1958 auf den Markt – und waren 50 Zentimeter länger, 500 Kilo schwerer. Sie wollten keine Sportwagen mehr sein, Ford überliess das Feld der Corvette kampflos (und verkaufte den Thunderbird noch viel besser, 1960 konnten über 92’000 Einheiten abgesetzt werden). Für die Fans ist klar, es zählt nur der «Classic Bird» – und ein solcher mit Jahrgang 1955 wird am 14. Oktober von der Oldtimer Galerie Toffen versteigert, Schätzpreis 45’000 bis 50’000 Franken.
Es entsteht hier eine hoffentlich hübsche Serie zu aussergewöhnlichen US-Cars, die schon ziemlich ausführlich ist und die wir auch schön zusammengefasst haben: hier. In der monatlich erscheinenden Klassik-Beilage der AUTOMOBIL REVUE finden Sie immer schöne Old- und Youngtimer. Abos gibt es: hier.