Sie sind unnachgiebig, diese Rennschalen, wie sie in unserem Testwagen verbaut sind. Wer in sie reinplumpst – die Schalensitze liegen immer einige Zentimeter tiefer, als man meint, sodass man die Körperspannung in leicht peinlicher Weise meistens zu früh aufgibt und unten hart aufschlägt – nun, wer also einsteigt in den GT3 RS, der wird etwas erleben. Das tönt verheissungsvoll und ist es auch, denn so, wie sich der Extremsportler der aktuellen Porsche-911-Serie des Baumusters 992 aufführt, könnte er auch von einem Tuner oder Motorsportspezialisten aufgebaut worden sein. Wir meinen dies im positiven Sinn und hinsichtlich seiner Fokussierung auf Performance, denn seine Ausführung ist makellos und sehr technikorientiert. Und eben, so extrem wie kaum ein GT3 RS zuvor.
Wer lässig seinen Alltagsplunder hinter die Sitze werfen will, dem wird das unnachgiebig, fast grimmig dreinschauende Rohrwerk hinter den Sitzen erfolgreich Widerstand leisten. Sollte einem jemals das Handy oder ein anderes lebensnotwendiges Objekt in den hinteren Teil des Innenraums fallen, empfiehlt sich ein gut erzogenes Schosshündchen, das wedelnd zwischen den Rohren des Überrollkäfigs hindurchhopst, oder einer dieser Greifer, mit dem in einen Schacht gefallene Autoschlüssel wieder herausgezogen werden können. Wer übrigens meint, ein besonders Schlauer zu sein, und die vordere Haube öffnet, wird diese rasch wieder fallen lassen, darunter ist nix ausser dem grossen, mittig angeordneten Kühler – man blickt direkt auf die Ausströmöffnung der S-förmig geführten Kühlluft. Der GT3 RS verzichtet zugunsten der besseren Bremsbelüftung auf das 911-übliche Set-up mit zwei seitlichen und einem mittig verbauten Kühler und packt alles in einen einzigen, allerdings grossen. Natürlich sitzt auch der Tank vorne, beim Testwagen war es der gegen Aufpreis erhältliche grosse 90-Liter-Bidon. Dieser macht durchaus Sinn, denn wenn es noch neue Autos zu kaufen gibt, denen der Benzinverbrauch herzlich egal zu sein scheint, dann gehört der GT3 RS dazu. Er tut dies übrigens nicht zwingend aufgrund seiner Technik, es ist eher die Gesamterscheinung, die dazu führt, dass gefühlvolles Gaspedalstreicheln hier kaum je angemessen erscheint.
Bockig bis hart
Ist die Maschine erst einmal gestartet, wird man sich sofort bewusst, dass man sich mit ihr den Innenraum teilt, während besagter Kühler den Luxus einer eigenen Kiste zwischen der Frontscheibe und dem Frontspoiler geniesst. Allerdings ist dieser Motor ein wohlwollender Partner, zwar etwas hyperaktiv, dafür gelingt es ihm in jedem Fall, eine gewisse Morgenlethargie in kürzester Zeit zum Verschwinden zu bringen. Bereits der Tourenzähler mit einem Bereich von bis zu 9000 Umdrehungen verspricht Action – und der Motor liefert. Ist die Kaltlauf-Warnlampe einmal erloschen, kann es losgehen. Sofort sind alle übrigen Verkehrsteilnehmer zu langsam. Eine strikte Selbstdisziplin ist unabdingbar, sonst rast man durch den eigenen Wohnort und ins Unglück. Erst die Autobahnauffahrt oder zumindest die autofreie Landstrasse erlaubt es, sich dem Vorwärtsdrang zu ergeben. Man hat sich diese Erlösung dann auch redlich verdient, denn der RS hat bis dahin den Fahrer meistens schon mehrfach ins Steissbein getreten, seine Handgelenke massiert und die Trommelfelle angewärmt. Der Wagen hüpft von jedem Fehler in der Strassenoberfläche zum nächsten, die Aufhängung lagert in Kugelbolzen (Uniball) wie im Rennsport. Egal, wie das Fahrwerk gerade eingestellt ist – der GT3 RS verfügt über das Porsche-Active-Suspension-Management (PASM), Zug- wie Druckstufe der Dämpfer lassen sich am Lenkrad verstellen –, bewahrt es den Fahrer kein bisschen vor Lächerlichkeiten wie Kanaldeckeln oder Asphaltflicken, dafür vor den Unzulänglichkeiten der eigenen Fahrkunst. Denn es verhindert sehr erfolgreich den Abflug. Kaum ein Auto vermittelt ein solches Gefühl der Unverwundbarkeit wie der GT3 RS. Das spricht für Porsche, aber auch ein klein wenig dagegen. Denn wenn man diesen Porsche betrachtet, möchte man vermuten, dass er einen schlägt, wann immer er eine Gelegenheit dazu findet, besonders den Laien – im Sinne eines edukativen, leichten Schmerzes in der Rückenverlängerung. Aber genau das tut der Wagen nicht. Hierin steckt die Magie dieses Neunelfers. Porsche hat es perfekt verstanden, ein Auto zu bauen, das dem geneigten Benutzer unmissverständlich klar macht, dass es Innerortsgeschwindigkeiten nicht mag, andererseits aber nicht zum kaum zu bändigenden Tier mutiert, wenn es in seiner Wohlfühlzone angelangt ist. Hier lässt der GT3 RS sehr viel Unfug zu. Das Regulativ ist dann tatsächlich nur noch die Staatsgewalt.
Mehr Abtrieb
Ob Steinchen in den Radhäusern oder Bodenunebenheiten, es rumpelt und rieselt im GT3 RS. Die Radhäuser scheinen von jeglichem Dämmmaterial befreit zu sein. Zu den akustischen Merkmalen gehört aber auch der hintere Spoiler, der sich je nach Fahrsituation in den Wind stellt oder sich zugunsten von weniger Luftwiderstand flach legt. Er gibt deutliche Geräusche von sich, schade sieht man als Fahrer nicht, was er genau tut, denn der Spoiler sitzt zu hoch hinter der oberen Kante des Heckfensters. Überhaupt dieser Heckspoiler. Wer ihn genau betrachtet, ist immer wieder erstaunt, wie es Porsche überhaupt fertig gebracht hat, ihn zu homologieren. Seine beiden Stützen laufen spitz nach hinten zu, perfekt um aufprallende Velohelme zu knacken. Doch wer Political Correctness von diesem Porsche verlangt, hat ihn völlig missverstanden. Alles, was er will, ist fahren, und so mag man sich ihn als Meditationszimmer gönnen, als Ort, an dem man seine Ruhe findet, Konzentration und einen Fokus auf eine einzige Sache, mit der man sich gerade beschäftigen will. Gewiss, dazu kann man auch Golf spielen oder Musik hören, aber …
PDK und so
Wir haben den Porsche 911 Sport Classic und dessen Schaltgetriebe geliebt. Den GT3 RS gibt es nur mit Doppelkupplungsgetriebe. Das Auto wirkt aber dermassen bereit, dass einem das Hantieren mit einem Schalthebel dazwischen fehlgeleitet erscheint. Hatten wir zunächst den Eindruck, der sportlichste aller 911 sei unmöglich im normalen Verkehr zu fahren und eine potenzielle Gefahr für den Fahrausweis, so wird der GT3 RS nach einem etwas längeren Umgang zu einem umgänglichen Zeitgenossen. Ob an Trackdays oder auf der Feierabendausfahrt, der Porsche gibt stets sein Bestes. Scharf einlenken und unmittelbar nach dem Geradestellen wieder lospreschen, der GT3 RS kanns. Ob kurze Überholmanöver oder schnelle Verzögerung, es funktioniert.
Der Vierliter-Saugmotor dreht dazu extrem leichtfüssig bis zum Begrenzer bei spektakulären 9000 Umdrehungen pro Minute. Ab etwa 6000 Umdrehungen gibt es einen zweiten Bums, knapp darüber liegt auch das maximale Drehmoment an. Das Spiel mit Gas und Bremse in Kombination mit dem Lenkrad zieht einen in den Bann. Die Bremsen, typisch für Porsche, sind hart im Nehmen und gut dosierbar. Dazu passt auch das Getriebe, das ohne Atempause die richtigen Gänge liefert oder diese per Wippenimpuls verzögerungsfrei wechselt. Gewiss, so richtig schnell gefahren macht dies alles einen Höllenspass, aber der GT3 RS lässt sich auch ganz normal und gesittet bewegen. Nur wäre es schade.
Bleibt noch die Frage, ob er sein Geld wert ist. Als Porsche 911 ist er das vermutlich nicht, denn es gibt 911er, die wesentlich günstiger sind. Als Auto für den gelegentlichen Pistenbesuch fährt er in seiner Liga aber relativ günstig, besonders auch darum, weil die begehrenswerten Goodies fast alle schon von Anfang an an Bord sind.
Testergebnis
Gesamtnote 87/100
Antrieb
Der Vierliter-Sauger ist stets präsent, die wahre Musik spielt aber ab 6000 Umdrehungen – und er dreht noch weitere 3000 Touren hoch.
Fahrwerk
Es ist wirklich gnadenlos hart, dieses Fahrwerk, selbst wenn es sich in Zug- und Druckstufe verstellen lässt. Das gefährdet die Bandscheiben, aber bewahrt einen vor dem Abflug.
Innenraum
Die Sitze sind ebenso hart, dafür funktionieren sie perfekt als Informationstool für den Popometer. Ansonsten gilt: Form follows function.
Sicherheit
Grösstes Risiko in diesem Auto ist der unbändige Enthusiasmus des Fahrers. Das Auto kann mehr. Fahrassistenten gibt es keine, wozu auch?
Budget
Gemessen an den verbauten Goodies ist der Preis vielleicht angemessen. Vielleicht ist dies aber auch nur eine Ausrede für jene, die ihn unbedingt haben wollen. Ein 718 GT4 RS Cayman ist auch nicht zu verachten.
Fazit
Die kultivierte Form des Hooliganismus, ein Auto, das beweist, was noch geht. Beim neuen Porsche 911 GT3 RS haben die Ingenieure in Weissach nochmals alle Register gezogen. Er markiert als kompromisslose Fahrmaschine vermutlich das Ende der Fahnenstange vor der Elektrifizierung. Danach kann es eigentlich nur noch bergab gehen, doch wer weiss das schon so genau. Wer im Hier und Jetzt lebt und das nötige Kleingeld hat, sollte ihn jetzt kaufen, billiger wird er nie mehr.
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