Wenn das Auto mit Verbrennungsmotor heute von manchen verteufelt wird, dann deshalb, weil es zu den wenigen Dingen gehört, mit denen man täglich in Berührung kommt und das Emissionen abgibt, die man unmittelbar sehen und riechen kann. «In der Schweiz sind wir nicht mit der Umweltverschmutzung konfrontiert, die bei der Herstellung von Gegenständen, die uns im Alltag umgeben, freigesetzt wird. Im Gegenteil: Das Auto mit Verbrennungsmotor ist eines der wenigen Objekte, das die Umwelt lokal verschmutzt, nämlich dort, wo es betrieben wird. Das erklärt, warum ein Autofahrer, der ein altes Auto fährt, einfach als grosser Umweltverschmutzer abgestempelt wird. Das macht deutlich, warum die Einführung von Elektroautos als Lösung für unsere Probleme mit dem CO2-Ausstoss angesehen wird. So wird der Bürger, der ein neues Elektrofahrzeug kauft, zum Vorbild in Sachen Umweltschutz. Was für ein Irrtum!», sagt Lucien Willemin gleich zu Beginn unser Begegnung.
Verschwendung von Autos
Im Interview mit der AUTOMOBIL REVUE versucht der Autor des Essays «Halte au gaspillage automobile» («Stopp der automobilen Verschwendung»), nicht die Debatte darüber zu schüren, ob Verbrennungs- oder Elektroautos die bessere Lösung seien. Vielmehr kämpft der 55-Jährige gegen die vorzeitige Entsorgung von Fahrzeugen im Allgemeinen, gewissermassen gegen die Konsumgesellschaft. «In der Schweiz gilt ein zehn Jahre altes Fahrzeug mit 150 000 Kilometern auf dem Tacho als alt. Die meisten von ihnen könnten allerdings doppelt so viele Kilometer zurücklegen oder sogar noch mehr, wenn sie richtig gepflegt würden», sagt er und fügt mit Bedauern hinzu: «Niemand wirft gerne sein Geld aus dem Fenster. Die meisten sind sich heute der Verschwendung von Plastik, Textilien oder Lebensmitteln bewusst, aber nur wenige sind sich der Verschwendung von Fahrzeugen bewusst.»
Zu früh ausrangiert
Viele Fahrzeuge werden von den Versicherern herabgestuft, weil sie zu alt sind oder zu stark beschädigt, als dass sie repariert werden könnten. Und selbst wenn sie noch sehr gut fahren, lassen sie sich nur noch zu einem Spottpreis verkaufen. «Occasionsautos sind unterbewertet, bevor sie in den Export gehen», erklärt der Mann aus La Chaux-de-Fonds NE: «Jedes Jahr verlassen durchschnittlich 160 000 Fahrzeuge das Land. Sobald sie ihr Ziel erreicht haben, fahren diese Fahrzeuge natürlich weiter, oft in Ländern, in denen sie nicht mehr der technischen Kontrolle unterliegen, wo sie der Abgasreinigung beraubt werden und mit minderwertigen Treibstoffen fahren.» Auch wenn die Schweizer Autofahrer nicht für das Schicksal ihrer exportierten Fahrzeuge verantwortlich sind, muss man feststellen, dass das Vorgehen nicht sinnvoll ist. Dies gilt umso mehr, wenn die Fahrzeuge tatsächlich das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben: «Sie werden kaum so gewissenhaft rezykliert, wie wenn sie in der Schweiz verschrottet würden. Die meisten Autos, die in diese weniger entwickelten Länder geschickt werden, landen auf offenen Mülldeponien.» Neben den ökologischen Auswirkungen eines Endes in der freien Natur ist schlicht auch der Verlust von Rohstoffen zu beklagen. Dies ist umso bedauerlicher, als in der Schweiz kompetent durchgeführtes Recycling es der Automobilbranche ermöglicht, sich an einer Kreislaufwirtschaft zu beteiligen, bei der die Materialien direkt vor Ort wiederverwertet werden.
Lucien Willemin zufolge ist jedoch auch ein gutes Recycling keine ideale Lösung. «Rezyklieren bedeutet transportieren, umwandeln, schmelzen und so weiter. Das bedeutet immer einen Zusatzaufwand. Es braucht also auch Energie und chemische Prozesse», schreibt Willemin in seinem Buch. Seiner Meinung nach ist es am interessantesten, die Autos «zu retten». «Ein altes Auto zu restaurieren oder nach einem Unfall zu reparieren, belastet die Umwelt nicht oder nur sehr wenig. Viel zu oft werden Dinge einfach weggeworfen, obwohl sie gerettet werden könnten. Ausserdem hätte ein möglichst langer Erhalt des Fahrzeugparks den grossen Vorteil, dass Arbeitsplätze in den Betrieben geschaffen und gleichzeitig Geld in die Staatskasse gespült würde», argumentiert der Autor.
Unterschiedliche Standpunkte
Die Meinung wird teilweise vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) geteilt. «Aus ökologischer Sicht ist es in der Regel sinnvoller, gebrauchte Fahrzeuge wiederzuverwenden (für denselben Zweck wie ursprünglich), als sie zu entsorgen. Die Umweltbelastung durch die Herstellung eines neuen Fahrzeugs ist oft grösser als die Einsparung von Umweltbelastungen durch den frühzeitigen Ersatz eines älteren Fahrzeugs», schreibt das Bafu auf seiner Website. Es schränkt jedoch ein, dass ein Ersatz nur dann sinnvoll sei, wenn das neue Fahrzeug deutlich weniger Treibstoff verbrauche oder weniger Schadstoffe ausstosse. Mit anderen Worten: Aus ökologischer Sicht lohnt es sich, ein Auto mit Verbrennungsmotor durch ein Elektrofahrzeug zu ersetzen. Diese Ansicht wird von den Automobilherstellern geteilt, die argumentieren, dass die Energie, die für die Produktion eines Elektroautos benötigt werde, nur einen kleinen Teil der gesamten Energiebilanz des Autos während seines Lebenszyklus ausmache. Die Umweltverschmutzung, die bei der Produktion eines Autos entsteht, das zweifellos das komplexeste Objekt ist, das eine Privatperson besitzen kann, wird dabei heruntergespielt. «Weil ein Auto aus Zehntausenden von Einzelteilen besteht, ist es das komplexeste Objekt unseres Alltags und per Definition auch das umweltschädlichste in der Herstellung. Die Menge an grauer Energie, die für die Herstellung einer so grossen Anzahl von Teilen benötigt wird, die dann an einem Ort montiert werden müssen, lässt sich nur schwer berechnen», erklärt Lucien Willemin.
Seiner Meinung nach werden nicht immer alle Elemente des Prozesses, die für den Bau eines Autos notwendig sind, in die Berechnungen einbezogen, angefangen bei der Energie, die zur Gewinnung von Roffstoffen und ihrer Weiterverarbeitung verbraucht wird. Zudem könnten einige Aspekte der Produktion nicht genau gemessen werden: «Die Auswirkungen der chemischen Verschmutzung, die bei der Gewinnung der Rohstoffe für die Autoherstellung entsteht, sind nicht berechenbar. Man kann zwar die Menge der chemischen Stoffe berechnen, die in einem Herstellungsprozess verwendet werden, aber nicht deren Kollateralschäden an der Umwelt. Ausserdem ist die chemische Verschmutzung im Gegensatz zur grauen Energie bei der Nutzung nicht kompensierbar.» Aus diesen Gründen habe ein Auto, das bereits produziert sei, einen grossen, wenn nicht sehr grossen Wert: «Es sollte daher mit grösster Sorgfalt behandelt werden.»
Die seltsame Politik der Städte
«Indem Kommunen wie Lausanne und Genf ihre Bürger zwingen, bis 2030 auf Elektroautos umzusteigen, oder indem sie den Zugang zu ihren Stadtzentren für alle Autofahrer ohne Stickair-Plakette einschränken, erhöhen sie unter dem Deckmantel des Klimaschutzes und der Ökologie die Zahl der Exporte von Altfahrzeugen in weniger regulierte Länder, fördern die Spirale des Kaufzwangs und drängen vor allem die Autofahrer, ihr Fahrzeug zu wechseln, obwohl dies nicht wirklich notwendig ist. Wie kann man so etwas unterstützen?», fragt der Schriftsteller. Die Politik verhalte sich nicht weniger paradox: Indem sie die Menschen dazu drängten, ihre alten Autos loszuwerden, schienen die Behörden, die zwar für saubere Luft für die Schweizer Bevölkerung sorgten, sich nicht wirklich um die Menschen in anderen Ländern zu kümmern. «Das ist egoistisch! Ausserdem ist CO2 nicht an Grenzen gebunden», scherzt Lucien Willemin. Und als er wieder in seinen alten Volvo V50 mit Jahrgang 2012 steigt, fügt er hinzu: «Ich bin auch ein Umweltschützer, ich behalte mein Auto!»
Ich Fahre ein Citroën C6 aus 2009 und wir haben ein C6 Verein. Wir waren mit 18 von noch altere bei euch in der Schweiz zu gast. Wir alle behalten unsere Auto in Top kondition weil keiner fährt besser als unser und das wird noch lange so bleiben.