Dasselbe in Grün

Mit dem EQE SUV bringt Mercedes noch die hochbeinige Variante der EQE Limousine. Die Unterschiede sind, wie sie erwartet wurden: Platz, Verbrauch und Fahrdynamik.

Inzwischen hat Mercedes bei den Personenwagen ein ordentliches Portfolio an Elektroautos. Mit EQE und EQS belegt man die Ober- und die obere Mittelklasse. Mit EQA, EQB, EQC, EQE SUV und EQS SUV sind die SUV komplett abgedeckt – auch wenn die Nomenklatur wenig Sinn macht. Die elektrische A-Klasse und die C-Klasse sollen auch bald kommen, ebenso der EQG. Ab 2030 will Mercedes dann komplett elektrisch sein – «überall dort, wo es die Marktbedingungen zulassen». Also vermutlich in Teilen Mittel- und Westeuropas. Dazu sollen ab 2025 auch die neuen Plattformen eingeführt werden, die in den vergangenen Jahren ausgiebig entwickelt wurden. Für die Personenwagen heisst diese MB.EA, für die Performancemodelle AMG.EA und für die Nutzfahrzeuge VAN.EA. Noch vorher kommt die MMA-Plattform, die Mercedes-Benz-Modular-Architecture, die für die kleineren Segmente als Basis dienen wird. Hier gilt der Grundsatz electric first, nicht aber electric only. So wurden die Plattformen zwar für Elektroautos entwickelt, sollen aber auch für Antriebe mit Verbrennungsmotor geeignet sein. Bereits im Einsatz ist die Electric Vehicle-Architecture (EVA), die auch EQE und EQS als Basis dient. Womit wir bei unserem Testwagen angelangt wären, dem EQE SUV in den Varianten EQE SUV 350 und AMG EQE SUV 43. Die Antriebe des SUV unterscheiden sich nicht von denjenigen der Limousine, die Karosserie aber sehr wohl. So ist das SUV mehr als nur eine hochbeinige Variante der Limousine.

Mit einer Länge von 4.86 Metern ist er mehr als acht Zentimeter kürzer als die Limousine, dafür sieben Zentimeter höher. Dank der fünftürigen Karosserieform fasst der Kofferraum des SUV aber deutlich mehr als der doch sehr knapp bemessene Kofferraum der Limousine. 520 Liter sind es unter der Hutablage, bei heruntergeklappter Sitzbank sogar bis zu 1675 Liter. Das Heck ist, abgesehen von der Dachlinie, der grosse optische Unterschied zwischen Limousine und SUV, in der Frontansicht gibt sich Mercedes grosse Mühe, die Modelle ähnlich aussehen zu lassen. Weil aber ein SUV zwangsläufig weniger windschlüpfig ist als eine Limousine, bemühte sich Mercedes, auch die Aerodynamik des EQE SUV zu verbessern und somit den Stromverbrauch tief zu halten.

Hoher Verbrauch

Auf dem Papier gelingt das erst einmal gar nicht schlecht, da weist der EQE 350 mit Allradantrieb einen Normverbrauch von 22.4 kWh/100 km aus. In Kombination mit der 91-kWh-Batterie schafft das SUV damit eine WLTP-Reichweite von 549 Kilometern. In der Realität zeigt sich ein etwas anderes Bild, da liegt der Verbrauch mit 26.4 kWh/100 km auf der Normrunde der AUTOMOBIL REVUE deutlich über der Werksangabe. Und die Reichweite somit darunter, knapp 350 Kilometer schafft der EQE SUV 350 mit einer Batterieladung. Auch im Stadtverkehr fiel der Verbrauch selten unter 20 kWh/100 km. Gerade Tesla macht das deutlich besser. An einer Schnellladestation lädt der Mercedes mit bis zu 170 kW, was die grosse Batterie in 32 Minuten wieder auf 80 Prozent lädt. Die 170 kW sind erst einmal nur besserer Durchschnitt, aber Mercedes kann hier seine grosse Stärke ausspielen: die intelligente Ladeplanung. Werden die Ladestopps über das Navi eingeplant, wird die Batterie vorkonditioniert, sodass die maximal mögliche Ladeleistung sofort zur Verfügung steht. Ausserdem bindet das System die Ladestopps intelligent in die im Navi gesetzte Route ein, um die Reisezeit zu minimieren. Wenn die Informationen verfügbar sind, kann das Auto auch gleich die Anzahl freier Ladeanschlüsse sowie Preisinformationen zum Strombezug anzeigen. In diesem Bereich gehört Mercedes zweifelsohne zu den Besten auf dem Markt.

Dasselbe gilt bei den Assistenzsystemen. Hier bietet der EQE SUV dem Fahrer jede erdenkliche Unterstützung. Der adaptive Tempomat bezieht auch Kartendaten mit ein, bremst vor Kurven, Kreuzungen und vor dem Abbiegen selbständig ab. Die Navigationsanweisungen werden in Augmented Reality mit dem Kamerabild überlagert, und an Rotlichtern schaltet sich automatisch die Frontkamera ein, die das Bild der Ampel auf dem Infotainment anzeigt. Das lästige Schielen nach oben wird hinfällig. Der Spurassistent kann auf Autobahnen selbständig die Spur wechseln, der Vorgang läuft allerdings noch etwas gar zaghaft ab – deutlich zögerlicher und langwieriger, als wenn der Spurwechsel einfach vom Fahrer ausgeführt wird. Gerade im heutigen dichten Verkehr, wo Lücken rasch erkannt und genutzt werden müssen, ist die Funktion somit zwar nett, aber nicht ganz alltagstauglich. Gleiches gilt für die automatische Parkfunktion. Solche Systeme hat heute jeder Hersteller, Mercedes gehört nach wie vor zu den Besten – manuell zu parkieren dauert aber immer noch weniger lang und gelingt im Normalfall deutlich präziser.

Als hilfreich erweist sich ein kleines Detail. Dass im Zuge neuer Zulassungsvorgaben der EU alle Fahrzeuge mit einem Meldesystem ausgestattet sein müssen, das bei jedem Überschreiten der signalisierten Höchstgeschwindigkeit warnt, führt in vielen Neuwagen zu Dauergepiepse. Eine Deaktivierung des Systems ist zwar zulässig, allerdings machen viele Hersteller keinen Gebrauch von dieser Möglichkeit oder verstecken sie tief in Untermenüs. Nicht so Mercedes: Über einen kleinen Button, der jederzeit auf dem Display sichtbar ist, lässt sich die nervige Warnung mit nur einem Klick ausschalten.

Die SUV sind rund sieben Zentimeter höher als die Limousine und haben eine andere Dachlinie. Die Front ist aber zum Verwechseln ähnlich.

Hinterrad- oder Allradantrieb

Der Basis-EQE 300 ist mit einer Elektromaschine an der Hinterachse ausgestattet, die 180 kW (245 PS) leistet. In unserem EQE 350 4Matic sind zwei Elektromotoren verbaut, die gemeinsam 215 kW (292 PS) leisten. Damit beschleunigt das SUV in 6.6 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Die Beschleunigung ist linear und auch bei Kickdown relativ emotionslos. Hier dürften die 568 Nm mit noch etwas mehr Punch kommen, schliesslich sind die 6.6 Sekunden ein ganz ordentlicher Wert. Im Sport-Modus ist die Gasannahme deutlich direkter als im Komfort-Modus, aber weiterhin äusserst zivilisiert. Wer mehr will, muss das Fahrzeug wechseln. In der Variante von AMG leisten die beiden Elektromotoren deutlich mehr. Im ebenfalls getesteten EQE 43 kombiniert Mercedes zwei permanenterregte Synchronmotoren mit einer Systemleistung von 350 kW (476 PS) und einem Drehmoment von 858 Nm. Die Beschleunigung ist auch in der Version von AMG linear, wird aber dank der zusätzlichen Leistung noch etwas besser: 4.5 Sekunden sind es von 0 auf 100 km/h. Mit der linearen Beschleunigung bleibt aber auch hier ein einigermassen synthetisches Fahrgefühl. In Teilen ist dies auch dem Fahrwerk und der Lenkung geschuldet. Die Dämpfer erlauben in Serpentinen trotz des optionalen adaptiven Fahrwerks ein deutliches Mass an Karosseriebewegungen. Auch dieses kämpft mit dem hohen Schwerpunkt und den über 2.6 Tonnen Leergewicht. Mit Kindern und Feriengepäck vollgepackt bringt es der EQE auf knapp 3.2 Tonnen, damit kommt das Fahrwerk endgültig an seine Grenzen. Die Lenkung wirkt entkoppelt und bietet kaum Feedback von der Strasse – leider auch bei AMG nicht. 

Es ist im Allgemeinen das Problem des AMG EQE: Er ist nicht mehr das, wofür AMG einst stand. Einst vermittelten der Sound des V8, das harte, aber sauber abgestimmte Fahrwerk und die direkte Lenkung AMG-Fahrern Sportwagenfeeling. Heute steht AMG für nicht viel mehr als ­eine Ausstattungsvariante mit einem zusätzlichen Fahrmodus und zwei Satellitenschaltern am Lenkrad. Dass die Bremse auch bei AMG keine überragende Leistung abgibt, tut ihr Übriges. Über 37 Meter brauchen beide getesteten Varianten aus 100 km/h bis zum Stillstand. Für eine verbesserte Wendigkeit im Stadtverkehr und etwas mehr Agilität in den Kurven sorgt die optionale Hinterachslenkung mit bis zu zehn Grad Radeinschlag, die den Wendekreis auf 10.5 Meter verkleinert.

Lange Aufpreislisten

Bei der Preisgestaltung fängt Mercedes nichts Neues mehr an und ergänzt das nackte Grundmodell mit unzähligen Optionen. Den EQE 350 4Matic gibt es ab 106 800 Franken, in unserem Testwagen sind satte 30 Prozent Aufpreis durch Optionen enthalten (unter anderem adaptives Luftfahrwerk für 2024 Fr. und Premium-Plus-Paket für über 21 000 Fr.). Dann ist aber alles Notwendige drin, von der breiten Palette an Assistenzsystemen bis zum Head-up-Display. Bei AMG sieht es etwas besser aus, da steigt der Preis der Optionen wegen von 135 600 Franken auf 159 366 Franken. Die Frage, ob AMG oder nicht, ist am Ende im Elektrozeitalter vor allem eine Frage der Leistung. Die Unterschiede in der Fahrdynamik sind dezent spürbar, aber die sportliche Ausstattung lässt sich zum grossen Teil auch über die AMG-Line der gewöhnlichen Modelle erhalten. 

Testergebnis Mercedes-EQ EQE SUV 350

Gesamtnote 71/100

Antrieb

6.6 Sekunden benötigt der EQE 350 von 0 auf 100 km/h. Das ist ganz ­ordentlich, allerdings ist der Verbrauch eher hoch.

Fahrwerk

Dank der tendenziell weich abgestimmten Dämpfer ist der EQE für komfortable, längere Fahrten geeignet. Die Kurvenjagd liegt ihm naturgemäss weniger gut.

Innenraum

Das Platzangebot ist im SUV deutlich besser als in der Limousine, die Materialien sind mehrheitlich ansprechend. Der grosszügige Einsatz von Kunststoff ist keine Überraschung mehr in den EQ-Modellen.

Sicherheit

Mercedes gehört zu den besten Anbietern, was Assistenz- und Sicherheitssysteme angeht. Allerdings fällt der Bremsweg etwas lang aus.

Budget

Mit einem Basispreis von über 100 000 Franken ist der EQE kein Billigmodell, bewegt sich aber im Umfeld der Konkurrenz. Störend ist eher die Aufpreispolitik von Mercedes.

Fazit 

Mit dem EQE SUV bietet Mercedes ein geräumiges und komfortables Elektro-SUV. Die Assistenzsysteme, die Ladeplanung und die Verarbeitung sind vorbildlich, negativ aufgefallen sind die Kurvendynamik und der hohe Verbrauch – der in der Praxis noch einmal deutlich über dem WLTP-Wert liegt.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

Testergebnis Mercedes-AMG EQE SUV 43

Gesamtnote 73/100

Antrieb

Mit 476 PS bietet bereits die schwächste der AMG-Varianten Fahrleistungen auf Sportwagenniveau. Die Beschleunigung ist beeindruckend, aber der Verbrauch etwas hoch und die Reichweite dadurch beschränkt.

Fahrwerk

Das adaptive Fahrwerk verbessert die Kurvendynamik, allerdings sorgt der hohe Schwerpunkt für viel Karosseriebewegung. Die Lenkung dürfte deutlich mehr Rückmeldung von der Strasse geben.

Innenraum

Wie immer bei EQ kommt Plastik etwas zu grosszügig zum Einsatz, allerdings sorgt die Kur in Affalterbach für punktuelle Verbesserungen.

Sicherheit

Ein sportliches SUV mit viel Leistung müsste auch beim Bremsweg Bestwerte erreichen – tut der AMG EQE SUV 43 aber nicht. Nichts auszusetzen gibt es bei den Assistenzsystemen.

Budget

Wer einen AMG kauft, weiss, dass diese nicht günstig sind. Allerdings liegen auch die Affalterbacher mit einem Einstiegspreis von rund 135 000 Franken nicht höher als die deutsche Premiumkonkurrenz.

Fazit 

Viel auszusetzen gibt es nicht am AMG EQE SUV 43. Ausser, dass er nicht mehr viel mit dem zu tun hat, wofür AMG einst stand. Mercedes muss hier noch eine Lösung finden, um die Sportmarke ins E-Zeitalter zu bringen, ohne dass sie die Emotionen verliert.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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