Dazwischengefahren

Zwei eigenständige Phänomene in einem einzigen ­vereint: Beim Honda ZR-V gilt das nicht nur für den Antrieb, ­sondern für seine Gesamtkonzeption zwischen HR-V und CR-V.

Genau in die Lücke zwischen HR-V und CR-V setzt sich Hondas neues Kompakt-SUV ZR-V. Schon beim ersten Blick gefällt der Wagen mit seiner vergleichsweise niedrigen Dachlinie und seinem sehr aufgeräumten Design. Die Form darf man als gelungen bezeichnen, was in der Fülle der Angebote im dicht gedrängten C-Segment durchaus ein wichtiges Alleinstellungsmerkmahl sein kann. Allerdings fehlt dem Honda wie so vielen anderen SUV modernster Prägung etwas die formale Eigenständigkeit. Erst der Blick auf das Logo verrät dem unbedarften Betrachter die Herkunft des Wagens.

Im Innenraum wirkt der ZR-V aufgeräumt, fast etwas unterkühlt, dafür hochwertig und fokussiert. Auf vordergründige Effekthascherei hat Honda verzichtet. Auffällig ist jedoch die durchgezogene, recht hoch liegende Mittelkonsole. Vor dem Ablagefach zwischen den Sitzen gibt es darin einen seitlich zugänglichen Hohlraum fürs Handy. Schnell ist eine passende Sitzposition gefunden. Der Verstellbereich ist gut bemessen. Was auffällt ist das recht schmale Sitzpolster mit ausgeprägten Kedern entlang  der seitlichen Nähte.

Nach dem Druck auf den Startknopf gilt es zunächst die verschiedenen Wähltasten fürs Getriebe zu studieren. Für die Stufen D und P gibt es Drucktasten, für die Rückwärtsfahrt muss ein dazwischen liegender Schiebeschalter nach hinten gezogen werden. Mit Wehmut ­erinnert man sich an den narrensicheren ­Wählhebel der vergangenen CR-V-Generation, der sich mit einfachem, schnellem Griff mit Vor- und Rückwärtsbewegungen treffsicher ­bedienen liess.

Ist die richtige Stufe gefunden, setzt sich der Honda zuerst stets elektrisch in Bewegung, nur bei leerer Batterie ersucht das System sofort nach dem Wegfahren um Unterstützung durch den Verbrennungsmotor. Dieser ist gekonnt akustisch entkoppelt und bleibt dies über weite Teile des normalen Fahrbetriebs auch mechanisch. Das heisst, der Verbrennungsmotor dreht, aber er ist nicht direkt mit dem Antrieb verbunden, sondern treibt einen Generator an. Dieser beliefert den Fahrmotor und die Batterie mit Strom. Erst bei höherer Geschwindigkeit koppelt das System den Vierzylinder-Zweilitermotor direkt an den Antrieb, nachdem ihn der Generator gestartet und ihm auf die Sprünge geholfen hat, dabei simuliert er entsprechende Schaltstufen. Laut Honda soll mit diesem System, das im ZR-V erstmals angewendet wird, die akustische Diskrepanz zwischen Motorgeräusch und Fahrgeschwindigkeit reduziert werden – der Beweis, dass der Mensch ein ausgesprochenes Gewohnheitstier ist. Tatsächlich stellt sich im Alltag ein dynamisches Fahrgefühl ein, der ZR-V zieht mit Nachdruck von dannen, die Schaltruckler ergeben die Illusion, dass hier alles normal abläuft.

Komplexität – einfach serviert

Die Drehmomentgewalt eines Elektromotors und die Kraftentfaltung eines Verbrennungsmotors kumulieren sich beim Antriebsstrang des ZR-V zu einem über weite Strecken recht harmonischen Zweigspann. Dies geht so lange gut, bis der ZR-V richtig gefordert wird, etwa am Berg. Dann macht sich der Verbrennungsmotor deutlich bemerkbar und hält sich gelegentlich  länger im hohen Drehzahlbereich auf, als einem wohl ist.

Dafür gibt es vermutlich zwei Gründe. Das Antriebskonzept hat trotz simulierter Schaltstufen seine Grenzen und das Mehrgewicht fordert seinen Tribut. So holt sich der Saugmotor, natürlich beatmet, wie er ist, das Drehmoment dort, wo es gemeinhin bei einem solchen Motor zu finden ist: in der Drehzahl. Der Umstand, dass bei einer Passfahrt durch die dünner werdende Luft auch noch der Füllungsgrad deutlicher abnimmt als bei einem Turbo, mag zusätzlich dazu beitragen. Immerhin herrscht nie ein Gefühl von Leistungsmangel. Aber es zeigt sich deutlich, dass hier keine Gänge gewechselt werden. Egal wie schnell, egal bei welcher Geschwindigkeit man nach dem Verzögern aus einer Spitzkehre wieder nach Beschleunigung sucht, der Tritt auf das Gaspedal wird immer in derselben, direkten Weise quittiert. Das ist nicht überaus vehement und in seiner digitalen, uniformen Gleichförmigkeit etwas sonderbar. Aber es herrscht die Gewissheit, dass der Antrieb am Berg nicht verhungern wird. Im Gegenteil, nach einigen Kurven kann man das Mass an bereitstehendem Momentum gut abschätzen, um in ­einen lustvollen Flow zu kommen. Das ist dann doch eine positive Überraschung mit einem Wagen wie diesem.

Oben hart, unten ganz weich

In der Stadt hingegen gefällt der ZR-V mit seinen kompakten Massen. Und meist bleibt es ruhig unter der Motorhaube. Um sich durch das Verkehrsgewühl zu wuseln, liefert der Elektromotor sein maximales Drehmoment von 351 Nm seiner Natur entsprechend in jeder möglichen Fahrsituation. Nur beim raschen Losfahren zeigt ein kurzes Durchdrehen eines Vorderrads ab und zu die Traktionsgrenze des Fronttrieblers auf. Aber von möglichen Drehzahlexzessen abgesehen  – selbst wenn die Verbrauchsanzeige bei vehementer Bedienung des Gaspedals deutlich in den zweistelligen Bereich steigt – ist der Verbrauch als günstig zu bezeichnen. Dazu trägt auch der Umstand bei, dass eben nur die Vorderräder angetrieben sind. Dies mag dem Erfolg des ZR-V hierzulande aber ein Stück weit im Weg stehen. Gut hat man sich mittlerweile etwas daran gewöhnt, dass SUV nicht automatisch mit 4×4 in Verbindung gebracht werden muss. Ein Vorteil sind die Gewichtsersparnis und der gewonnene Platz im Innenraum, wenn keine Kardanwelle verbaut ist oder wie bei manchen Hybriden auf einen zweiten Motor an der Hinterachse verzichtet wird.

Honda rühmt die Sitze des HR-V und spricht beispielsweise von einer im Sitzkern integrierten, dämpfenden Matte mit Draht und Harzstruktur. In der Realität des leicht überlangen Europäers hinter dem Lenkrad aber ist das Sitzkissen sowohl zu schmal wie zu kurz. Es zwickt hier und dort, und die vorab beschriebenen Keder drücken einen schlichtweg in den Hintern.

Das Gestühl macht damit einen Teil des Komforteindrucks des Fahrwerks zunichte. Dessen Grundabstimmung ist recht weich, der ZR-V rollt geschmeidig ab und macht wenig Anstalten, Aufbaubewegungen stark zu unterdrücken. In den meisten Situationen fährt man damit komfortabel. Nur auf kurvenreichen Überlandstrassen kündet der ZR-V deutlich an, wann er genug hat von schnellen Richtungswechseln, er neigt sich deutlich in Kurven, und bei forscher Gangart gibt es dazu einiges an Rock ’n’ Roll. Die Lenkung aber mag es eher gelassen. Wildes Herumkurbeln liegt ihrer Abstimmung nicht besonders, was erstaunt, denn der grosse Bruder CR-V wirkt straffer und direkter. Der sportlicher gezeichnete ZR-V ist im Vergleich dazu ein echter Softie und nicht sehr sportlich. Dafür ist der Honda ein Gefährt mit angenehmen Umgangsformen. Wer also auf den Allradantrieb verzichten kann, sich eine gefällige, intelligent gemachte Alternative zu den üblichen Verdächtigen im SUV C-Segment wünscht und gewisse Ansprüche an die formale Gestaltung seines Alltagswagens stellt, der sollte sich dereinst den ZR-V näher ansehen. 

Testergebnis

Gesamtnote 74/100

Antrieb

Ohne Schaltgetriebe – das tönt abenteuerlich. Bei Honda hat sich das mittlerweile bewährt. Die Spitzenleistung des Antriebs liegt aber ganz beim E-Motor, der Verbrenner liefert dazu nur Energie hinterher.

Fahrwerk

Eine weiche Sache, im normalen Alltag ist das sehr angenehm, bei flotter Fahrt wird es wogend und stürmisch, immerhin bei gutem Handling.

Innenraum

Die Sitze sind nicht jedermanns Sache. Die Klimaanlage ist dafür effizient, wenn auch nicht ganz zugfrei. Alles wirkt hochwertig, ohne viel Zierrat.

Sicherheit

Der Begriff ermüdungsfreie Sitze ist etwas hochgegriffen, und der Honda nervt mit allerlei Piepsignalen und Warnhinweisen, die sich nicht immer zuordnen lassen. Der Spurhalteassistent ist hilfreich und wenig intrusiv.

Budget

Sein Plus ist der Verbrauch, mit den Anschaffungskosten fährt der ZR-V mitten unter seine Konkurrenz und liefert dafür viel aufwendige Technik.

Fazit 

Der ZR-V platziert sich in mancherlei Hinsicht zwischen den kleineren HR-V und den grösseren CR-V. Überraschenderweise ist er noch mehr auf Komfort getrimmt als sein grosser Bruder. Optisch gibt er sich neutraler als sein kleinerer Verwandter. Für sich alleine betrachtet ist er ein gepflegter Alltagswagen mit dem Vorteil aller Vollhybride: Er fährt dann elektrisch, wenn es Sinn macht und das zu jeder Zeit, nicht nur wenn er geladen ist. Nur sportlich ist er nicht sonderlich. Das lässt sich verkraften.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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