Im Zeichen des Rhombus

Man muss sich den Renault aus den Augen reiben, um den Mitsubishi zu erkennen. Die Kernfrage aber ist: Was kann der Plug-in-Hybrid, was der Vollhybrid nicht kann?

Leise, kraftvoll, Mitsubishi! Mit originellen Werbespots machte in den 1970er-Jahren die Winterthurer Erb-Gruppe – die 2003 für bankrott erklärt werden sollte – die japanische Marke den Schweizern erfolgreich schmackhaft. Doch Colt, Galant oder gar Evo sind längst Geschichte, Mitsubishi steckt in ­einer Identitätskrise. Um im europäischen Markt wieder Fuss zu fassen, holte sich der japanische Konzern europäische Hilfe. Diese erhält er nicht nur punktuell, sondern quasi allumfassend vom Allianzpartner Renault. Doch gewiss nicht aus karitativen Gründen lässt Renault zwei Mitsubishi-Modelle ohne wesentliche Veränderungen zu den Renault-Modellen gemeinsam mit diesen vom Band rollen. Der neue, eben erst angekündigte Colt erhält viel vom Renault Clio, und der ASX, was mit Active Sports Crossover übersetzt werden kann, ist ein Renault Captur – mit drei statt eines Rhombus am Kühlergrill. Die Übereinstimmung bezieht sich nicht nur auf die Eckpunkte des ASX – der Mitsubishi ist ein Renault, durch und durch. So war denn die Frage bei unserem Doppeltest nicht, wo im Mitsubishi ASX Renault steckt, sondern wie sich der Plug-in-Hybrid im Vergleich mit dem Vollhybrid schlagen und welcher von beiden uns mehr überzeugen würde.

Der Mitsubishi ASX ist ein Kompakt-SUV, er steht hoch gebaut da und bietet die Annehmlichkeiten, welche das Fahrzeugkonzept mit sich bringt: eine erhöhte Sitzposition und ein erleichtertes Ein- und Aussteigen. Bis allerdings eine angemessen bequeme Sitzposition gefunden ist, bedarf es einiger Zeit. Das Lenkrad befindet sich nach dem Geschmack grösserer Tester etwas zu weit weg, und die Sitzfläche ist relativ kurz geraten. Zudem sind die Armauflagen in der Türe und auf der Mittelkonsole trotz etwas Polsterung steinhart. Sofort gefallen hingegen die Tasten unter dem Bildschirm und die altmodischen, aber immer noch hochgeschätzten Drehknöpfe der Klimaanlage nochmals ein Stockwerk tiefer.

Vom richtigen Ort geholt

Das PHEV muss man naturgemäss zuerst vom Stecker lassen, das HEV ist sofort abfahrbereit. Der Ladevorgang von 0 bis 100 Prozent dauert beim Steckerauto an einer Haushaltssteckdose mit maximal 2.3 kWh etwa viereinhalb Stunden. Mit dem bescheidenen Ladegleichrichter, der höchstens 3.7 kWh aufnimmt, verkürzt sich dieser Wert an ­einer Wallbox um ein Drittel auf drei Stunden. Nach dem Motorstart – sowohl der Plug-in-Hybrid wie der Vollhybrid bleiben zunächst ruhig – erfreut den Fahrer ein währschafter Gangwahlhebel. Einzig die nicht mit der aktuellen Position übereinstimmende Beschriftung an der Seite ist nicht ganz einleuchtend. Die Aufgabe, den gewählten Gang anzuzeigen, übernehmen die Bildschirmarmaturen. Aber es ist bizarr, wenn der Hebel laut Konsole auf P steht, tatsächlich aber R eingelegt ist.

Sowohl beim Stecker- wie beim Vollhybrid sorgt die Position B für verstärktes Rekuperieren. Die Bremswirkung ist selbst bei einem Ladestand von 100 Prozent gut zu spüren. Bei manchen Elektrobremsern verfliegt diese Wirkung, wenn das System bei voller Batterie nicht mehr weiss, wohin mit der zurückgewonnenen Energie. Strom ziehen allerdings beide Varianten gleich nach dem Druck auf den Startknopf. Beide, PHEV wie HEV, fahren die ersten Meter unabhängig vom Ladestand stets elektrisch. Der Verbrennungsmotor startet danach zwar deutlich vernehmbar, läuft aber so kultiviert, dass er nicht wie ein Ruhestörer wirkt. Die Beschleunigung auf den ersten Metern ist nachdrücklich. Das flotte Manövrieren, etwa von einem Parkfeld auf eine viel befahrene Strasse, fällt leicht, und dank des Wählhebels ist man nie um die richtige Fahrstufe verlegen, um sich in den Verkehr einzufädeln. Als Stadtauto qualifizieren sich beide ASX somit ohne Einschränkungen.

Erstaunlich, oder besser formuliert, immer wieder erstaunlich bei einer Begegnung mit Renaults Hybridtechnologie ist – Mitsubishi möge uns verzeihen, aber wir schätzen den ungefilterten Blick auf die Realität –, wie weit es der Vollhybrid mit seiner 230-Volt-Batterie mit einer Kapazität von  1.26 kWh im Verkehr schafft. Beim Plug-in-Hybrid erwartet man bei vollem Ladestand naturgemäss eine längere reine E-Fahrzeit, angesichts der eher klein bemessenen 400-Volt-Batterie mit 9.8 kWh Kapazität ist jedoch von Anfang an klar, dass er keine Langstreckenrekorde brechen wird. Die reine Elektroreichweite von rund 34 Kilometer nimmt man zur Kenntnis, für die Fahrt zur Arbeit und wieder heim reicht sie, laut Bundesamt für Statistik betrug der Arbeitsweg 2021 durchschnittlich 27.2 Kilometer pro Tag und Pendler. Auf diese Weise kommt man theoretisch die ganze Woche über ohne einen Besuch an der Tankstelle aus. Das Tankvolumen des Plug-in-Hybrids beträgt 39 Liter, der Tank des Vollhybrids fasst 48 Liter.

Vollwertig

Sind die Energiereserven oder genauer die Stromreserven einmal aufgebraucht, dann sind PHEV und HEV in Sachen Dynamik kaum zu unterscheiden. Weder bei der Beschleunigung, der Elastizität noch beim Durchzugsvermögen des Motors lassen sich signifikante Differenzen feststellen. Auf dem Papier liegt das HEV im Sprint von 0 bis 100 km/h um 0.2 Sekunden vorne (s. technische Daten). Doch ganz abgesehen von der elektrischen Hilfskraft für beide Antriebsvarianten ist die Formel mit einem relativ grossen 1.6-Liter-Vierzylindermotor ohne Turboaufladung wohltuend spürbar. Das per Gaspedal abgefragte Momentum ist stets verzögerungsfrei zur Stelle. Die gelungene Abstimmung aller Akteure im Spiel um Vortrieb – der Verbrenner mit seiner kleinen, elektrischen Start- und Anschiebehilfe, der grosse E-Motor auf der Seite des kupplungslosen Klauengetriebes und auch die Schlupfregelung der exklusiv angetriebenen Vorderachse des Kompakt-SUV – sorgt dafür, dass man sich hinter dem Lenkrad nicht den Kopf zu zerbrechen braucht, wer oder was sich gerade ans Werk macht, damit es voran geht. Als geschätzter Nebeneffekt stellt sich vielmehr ein Gefühl relativer Sorglosigkeit ein, wenn man mit dem ASX unterwegs ist – egal mit welcher Variante. Nein, wahnwitzige Leistungswerte sollten durch die Hybridisierung des ASX nicht erzielt werden. Auch den winzigen Dreizylinder-Turbomotor als Substitut für einen ordentlichen Vierzylinder haben die Ingenieure sich und den Kunden erspart.

Beide Mitsubishi bereiten beim Fahren also so etwas wie Freude. Damit lässt sich einer der springenden Punkte festhalten: Die Tatsache, dass diese Japaner gar keine Japaner und darüber hinaus längst bekannt sind, ist kaum verwerflich, auch wenn es für wohlunterrichtete Autointeressierte belustigend sein mag, wenn ihnen jemand weismachen will, der Mitsubishi unterscheide sich durch etwas anderes als nur weiche Faktoren vom Renault. Da ist etwa der Preisunterschied zuungunsten des Mitsubishi, allerdings punktet die Marke mit den drei Rhomben gegenüber der Marke mit einem einzigen Rhombus im Logo mit besseren Garantieleistungen (ASX 5 Jahre, Captur 3 Jahre, beide bis maximal 100 000 km). Aber man sollte sich auch bewusst sein, dass die Alternative wohl nur der endgültige Rückzug der Marke aus Europa gewesen wäre. Und er ist ja nicht von schlechten Eltern, dieser ASX, davon zeugen seine Geschwister. Oder ist er schlicht ein Klon?

Der Fluch und der Segen

Darum die Antwort auf die wichtigere Frage. Wie schlagen sich die beiden Antriebsvarianten im Vergleich? Der Hybrid und der Plug-in-Hybrid sind sich sehr ähnlich. Die geringe Mehrleistung des Steckerautos ist kaum spürbar, ebenso wenig der Vorsprung in Sachen Drehmoment. Auch die technischen Vorteile des Plug-in-Hybrids erachten wir als gering. Das Mehrgewicht der Batterie und das kleinere Kofferraumvolumen durch deren Lage sind durchaus wörtlich zu verstehende gewichtige Nachteile, erst recht, wenn man es nicht schafft, die Batterie täglich zu laden. Der Vollhybrid hingegen befindet sich immer im optimalen Fahrmodus. Wer öfter längere Strecken zurücklegt, dem sei das HEV darum wärmstens empfohlen. Sein Verbrauch liegt im Bereich dessen, was das PHEV benötigt, wenn dessen Stromspeicher leer ist.

Genau hier zeigt sich, wie schmal der Grat ist, auf dem sich der Steckerhybrid bewegt. Für diesen spricht in der Tat nur, dass er gewisse Strecken emissionsfrei zurücklegen kann. Wer häufig auf kurzen Strecken unterwegs ist, mag sich den Plug-in-Hybrid näher ansehen. Je öfter er aber mit leerer Batterie bewegt wird, umso weniger Sinn macht der zusätzliche Aufwand. Für beide Modelle im gleichen Mass spricht, dass sie sich genauso sparsam fahren lassen, wie dies bis vor Kurzem nur mit einem Diesel zu schaffen war. Und für den Fall, dass der Verbrauch eine kleinere Rolle spielt, gibt es ja auch noch einen Mildhybrid mit 1.3-Liter-Turbomotor mit ungefähr demselben Leistungsumfang.

Wer grundsätzlich offen ist für das Duo Captur-­ASX, muss sich am Ende nur entscheiden, welchem Händler er den Vorzug gibt respektive bei welcher Marke er sich besser aufgehoben fühlt. Ganz so aussergewöhnlich ist das nicht. Bei anderen Herstellern sind identische Plattformen vielleicht durch verschiedene Designelemente etwas stärker differenziert, aber das Badge-Engineering ist kein neues Phänomen und im Prinzip so alt wie das Automobil selber. Manchmal war und ist es nur weniger offenkundig. 

Testergebnis Mitsubishi ASX HEV

Gesamtnote 75/100

Antrieb

Fahren wie bisher, beim ASX HEV entfällt die Frage nach Ladezeiten und -möglichkeiten. Der Antrieb gehört zu den besten seiner Art.

Fahrwerk

Mit weniger Gewicht hinter der Hinterachse gewinnt das HEV ganz leicht an Agilität. Generell gilt aber auch hier: sicher und unspektakulär.

Innenraum

Es ist offenkundig, das Mehr an Volumen bringt den Kofferraum auf einen Stand, den man in dieser Klasse erwarten darf. Ansonsten herrscht hier Gleichstand mit dem PHEV – oder dem Renault Captur.

Sicherheit

Mit stets denselben Leistungsreserven lassen sich gewisse Fahrsituationen besser einschätzen. Ansonsten auch hier: Gleichstand mit dem PHEV.

Budget

Wer viel fährt, und zwar so, wie er es bisher mit einem reinen Verbrenner gewohnt war, ist mit dem HEV besser bedient. Ein schlagendes Argument ist der günstige und stets transparente Verbrauch des Vollhybrids.

Fazit 

Unter dem Strich bietet das HEV fast alles, was der Steckerhybrid kann, aber zu einem günstigeren Einstandspreis und, ganz wichtig, für 100 Prozent seiner Einsätze. Der ASX HEV ist eines respektive basiert auf ­einem der aktuell überzeugendsten Hybridmodelle seiner Klasse. Und er bietet, bei aller Verbrauchs- und Emissionsoptimierung, sogar ein gutes Stück Fahrspass – was durchaus unerwartet kommt.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

Testergebnis Mitsubishi ASX PHEV

Gesamtnote 71/100

Antrieb

Kaum zu spüren ist das Wechselspiel zwischen E-Antrieb und dem Einsatz des Verbrenners. Der Antrieb wirkt kräftig, unabhängig vom Ladestand der relativ schnell leergefahrenen Batterie.

Fahrwerk

Der ASX ist so unspektakulär wie jeder ordentlich gemachte Euro-­Hatchback mit MacPherson-Vorder- und Verbundlenker-Hinterachse.

Innenraum

Straffe Sitze mit etwas kurzer Sitzfläche vorne. Der gesunde Mix aus Knöpfen, Reglern und Bildschirmfunktionen gefällt.

Sicherheit

Da die Hybridversionen nur in den Topausstattungslinien angeboten werden, gibt es ein vollständiges Angebot an zeitgemässen Helferlein und ­Sicherheitsfeatures. Warn- und Piepstöne sind erfreulich selten zu hören.

Budget

Der Teuerste im Bunde. Man sollte sich im Klaren darüber sein, ob man die rein elektrisch zurücklegbaren Kilometer des PHEV braucht. Der Preisunterschied zum nahezu identischen Renault Captur lässt sich mit den besseren Garantieleistungen von Mitsubishi zum Teil rechtfertigen.

Fazit 

Wer den lokalen Mitsubishi-Händler persönlich kennt, darf sich freuen. Mit dem ASX steht bei ihm ein toll gelungenes Auto im Showroom. Auch wer partout keinen Franzosen haben will, erhält mit dem ASX ein modernes Kompakt-SUV. Wer Renault schätzt und fährt, wird müde lächeln. Und wer Autos liebt, freut sich, dass uns Mitsubishi erhalten bleibt.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.