Ein Porsche 911, fit für den Einsatz auf Schotter und unbefestigten Strassen? So ganz abwegig ist das nicht. Da wäre zum Beispiel die All-Terrain Competition Study (ACS), ein Gelände-Prototyp des 911, der auf Kundenwunsch vom kalifornischen Porsche-Tuner Singer vor zwei Jahren in einer kleinen Serie hergestellt wurde. Brancheninsider spotteten damals, dies sei der Safari-911, den sich Porsche nicht zu bauen traue. Safari ist dabei das Stichwort: Auf der legendären Rallye durch Ostafrika fuhren Porsche 911 SC in den 1970er-Jahren mehrfach vorne mit – 1984 gewann dann ein Porsche 953, der auf dem 911 aufbaute und erstmals Allradantrieb hatte, die auf Paris–Dakar umbenannte Langstreckenrallye. Mit dem Porsche 911 Dakar erinnert die Zuffenhausener Sportwagenmarke an diese seligen Rallyezeiten und bedient das Verlangen der Kundschaft nach leistungsstarken Modellen, die gern reichlich kosten dürfen. Im Fall des Dakar ist das mehr als eine Viertelmillion Franken. In einer Zeit, in der gewöhnliche Elektrofahrzeuge 500 PS leisten, müssen sich Sportwagenhersteller eben neu erfinden – und Spassautos anbieten.
Ursprünglich sollte das Auto tatsächlich den Beinamen Safari tragen. Allerdings biss Porsche beim indischen Autohersteller Tata auf Granit. Tata hält die Namensrechte und hat unter diesem Namen ein SUV auf dem Markt, also musste sich Porsche einen neuen Namen ausdenken. Mit den Organisatoren der Rallye Dakar wurde man schliesslich handelseinig.
Antriebsstrang vom GTS
Entwickelt für den Einsatz auf sandigen oder steinigen Strecken, zeichnet sich der Porsche 911 Dakar auf den ersten Blick durch seine im Vergleich zum 911 Carrera um 40 Millimeter erhöhte Bodenfreiheit aus. Das serienmässige spezielle Hubsystem ermöglicht es ausserdem, die Vorder- und Hinterseite des Fahrzeugs um weitere 30 Millimeter anzuheben. Der 911 Dakar sticht auch durch seinen brandneuen, festen Heckspoiler aus kohlefaserverstärktem Kunststoff (CFK) sowie durch die vordere Motorhaube, die vom 911 GT3 übernommen wurde, hervor. Zusätzlich zu den Kotflügelverbreiterungen und den Unterbodenschutz-Elementen aus Stahl hat Porsche auch spezielle rote Aluminium-Abschleppringe vorne und hinten angebracht. Auf dem Dach ist die Elektrik vorbereitet, an die zusätzliche LED-Scheinwerfer angeschlossen werden können, die in einem speziellen Dachträger integriert sind (s. Box Seite 9). Als Option bietet Porsche das Rallye-Design-Paket an (31 670 Fr.). Als Hommage an den 953, der Paris–Dakar gewann, umfasst es die zweifarbige Lackierung Weiss-Enzianblau, rote und goldfarbene Zierstreifen sowie weisse Felgen. Der Schriftzug «Roughroads» ist eine Anspielung auf die britische Zigarettenmarke «Rothmans», die das 953-Team sponserte.
Technisch gesehen übernimmt das Auto den Antriebsstrang des GTS. Dieser optimierte Dreiliter-Biturbo-Sechszylinder leistet 353 kW (480 PS) und hat ein Drehmoment von 570 Nm. Die Kraft überträgt ein Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe. Da Geländereifen für Sportwagen nicht existieren, beauftragte Porsche Pirelli mit der Entwicklung solcher Pneus. Heraus kam der Scorpion All Terrain Plus. Vorne hat der Reifen die Masse 245/45 ZR 19, hinten trägt er breiter auf mit 295/40 ZR 20. Er soll besonders widerstandsfähig gegenüber Reifenpannen sein, selbst an den Flanken ist er mit einer doppelten Karkasse ausgestattet. Da die Flanken dieser Reifen breiter sind, hat Porsche die Radgrösse an beiden Enden um einen Zoll reduziert, was dazu führt, dass die GTS-Bremsen nicht passen, genauso wenig wie die Karbon-Keramik-Scheiben. Deshalb kommen die kleineren Bremsen des Carrera S zum Einsatz. Beachtenswert ist, dass Porsche auch die Pirelli P Zero (in Sommer- und Winterausführung) anbietet, ebenfalls mit doppelter Karkasse. Der Porsche 911 Dakar wiegt gemäss Werkspezifikationen nicht mehr als 1605 Kilogramm (AR-Messung 1615 kg). Das sind nur knapp zehn Kilogramm mehr als ein 911 Carrera 4 GTS mit PDK-Getriebe.
Bevor man das Steuer des Dakar übernimmt, könnte man erwarten, dass der 911 bei Beschleunigung vorn aufsteigt und beim Bremsen eintaucht. In der Realität ist das jedoch nicht der Fall. Obwohl Porsche betont, dass die Federrate reduziert wurde, um dem Offroadtemperament des Fahrzeugs gerecht zu werden, ist sie überraschend straff, nicht nur im Sport-Modus. Damit bleibt der 911 Dakar brav in der Horizontalen, was nicht sehr spektakulär ist. Der positive Aspekt ist aber, dass der Dakar auf der Strasse das Fahrverhalten eines echten Sportwagens hat. Noch beeindruckender ist die Traktion mit dem unglaublichen Grip der Pirelli-Reifen. In 3.7 Sekunden beschleunigt der Wagen gemäss AR-Messungen von 0 auf 100 km/h.
Was die Offroadbereifung betrifft, sollte angemerkt werden, dass sie selbst bei höheren Geschwindigkeiten nicht viel lauter ist als ein Winterreifen. Tatsächlich zeigen die Pirelli-Reifen ihre Grenzen erst bei sehr hohen Geschwindigkeiten, da sie nicht über 240 km/h hinausgehen können. Der Dreiliter-Biturbo-Boxermotor dreht ab 2500 U/min hoch und setzt seine lineare, aber heftige Leistungsabgabe bis 6700 U/min fort. Das ist köstlich. Vielleicht hätte der Dakar mit dem Vierliter-Sauger aus dem GT3 noch besser performt – allerdings passt das hohe Drehmoment des Turbomotors bei niedrigen Drehzahlen sehr gut zum potenziellen Geländeeinsatz.
Offroad-Modus bis Tempo 170
Mit einem Allradantrieb, der die Hinterachse bevorzugt, ist der Rallye-Modus ideal für weiche und unebene Böden. Der zweite Fahrmodus mit Namen Offroad hebt automatisch das Niveau an und bietet maximale Traktion, was für das Überwinden kleiner Hindernisse perfekt ist. Im Sand ermöglicht dieses höhere Niveau eine Bodenfreiheit und Winkel, die mehr oder weniger einem herkömmlichen SUV entsprechen. Das ist praktisch, wenn der Sportwagen auf einer Düne stecken bleibt. Dieser Fahrmodus ist bis zu einer Geschwindigkeit von 170 km/h verfügbar. Wenn das Auto diese Geschwindigkeit überschreitet, kehrt es automatisch zu seinem normalen Bodenfreiheitsniveau zurück. Bei maximaler Erhöhung werden die Aufhängungen blockiert. Folglich wird der Dakar noch härter. Beim Vergleich mit echten Geländefahrzeugen ist anzumerken, dass der Porsche weder über ein Verteilergetriebe mit Untersetzung noch über mechanisch sperrende Differenziale verfügt. Das hindert ihn jedoch nicht daran, sich über Geröll zu bewegen oder durch tiefe Matschpfützen zu fahren. Allerdings ist der Porsche definitiv nicht für hartes, extremes Geländefahren ausgelegt, wie das bei einem Land Rover Defender oder Toyota Land Cruiser der Fall ist.
Tatsächlich scheint der Porsche eher dafür gedacht zu sein, mit hoher Geschwindigkeit durch die Wüste zu fahren. Die neue Rallye-Launch-Control, die in den beiden neuen Fahrprofilen verfügbar ist, gewährleistet auf weichen Böden eine aussergewöhnliche Beschleunigung und ermöglicht bis zu 20 Prozent Schlupf der Räder. Die Reifen können sich dank ihrer tiefen Profilierung gut in den Boden graben. Das automatisierte Doppelkupplungsgetriebe funktioniert dabei ausgezeichnet, ein manuelles Getriebe wäre jedoch reizvoller gewesen und hätte den Spielzeugcharakter des 911 Dakar stärker unterstrichen.
Im Innenraum hat Porsche die beiden hinteren Notsitze entfernt, um mehr Platz für Gepäck und Proviant zu schaffen. Allerdings ist das Beladen dieses Raums nicht einfach, wenn die serienmässig integrierten Schalensitze – vom GT3 stammend – verwendet werden wie im getesteten Modell. Ihre Rückenlehne ist nicht abklappbar. Daher ist es besser, sich für die abklappbaren Sport-Adaptiv-Plus-Sitze zu entscheiden.
Die erhöhte Version des 911 kostet stolze 268 700 Franken, fast 80 000 Franken mehr als ein Carrera 4 GTS Coupé und fast das Doppelte eines Standard-Carrera, der ab 137 100 Franken erhältlich ist. Wer ihn als Sammlerstück betrachtet, dessen Preis bereits nahezu eine halbe Million Franken beträgt, wird zu Recht denken, dass Porsche seinen Wüstenrenner zu einem noch höheren Preis hätte verkaufen können. Die Nachfrage ist eindeutig da, wie die bereits ausverkauften 2500 Einheiten der limitierten Serie beweisen.
Ein 911 für den Sand
Das Rallye-Design-Paket, das die meisten 911 Dakar tragen werden, ist eine Hommage an den 953 Rothmans. Dieses Auto entstand auf Initiative des belgischen Fahrers Jacky Ickx, der den Zuffenhausener Sportwagenhersteller dazu brachte, an der Rallye Paris–Dakar teilzunehmen, und die Zigarettenmarke Rothmans dazu überredete, dieses Engagement zu sponsern. Drei 911 Carrera 3.2, intern als 953 bezeichnet, wurden mit Allradantrieb und vielen Verstärkungen ausgestattet. Neben Ickx und seinem Beifahrer Claude Brasseur starteten der Franzose René Metge und sein Beifahrer Dominique Lemoine bei der Rallye Paris–Dakar 1984. Anfangs wurden sie von der Konkurrenz nicht ernst genommen, aber das änderte sich schnell. Obwohl der Wagen von Jacky Ickx bereits am ersten Renntag beschädigt wurde, fuhr er noch von Platz 139 auf Platz sechs vor. Metge lieferte eine grossartige Leistung ab und gewann dank des geringen Gewichts (rund 1250 kg) und der hohen Leistung (220 kW, 330 PS) des 911ers die Gesamtwertung.
Einzigartiges Zubehör
Zusätzlich zum Rallye-Design-Paket bietet Porsche auch einzigartiges Offroadzubehör an. Dazu gehört ein Dachträger mit integrierten LED- Scheinwerfern, der eine Tragfähigkeit von 42 Kilogramm bietet. Dies reicht aus, um Rallyeausrüstung wie Wasser- oder Benzinkanister, Klappschaufeln oder Befreiungsplatten zu transportieren. Porsche hat ausserdem sein eigenes Dachzelt entwickelt. Die deutsche Marke bietet auch ein Rallyesport-Paket an. Es ist das Offroad-Gegenstück zum Weissach–Paket für Strassensportwagen und umfasst einen hinteren Stahlbügel, einen Motorsport-Feuerlöscher mit Aluminiumhalterung und einen Sechspunkte-Gurt für den Fahrer (leider ist dieses Paket nur in Kombination mit den nicht sehr praktischen integrierten Schalensitzen erhältlich). Das ist aber noch nicht alles an Zubehör. Die Besitzer des 911 Dakar können ausserdem die Porsche Design-Uhr 911 Dakar oder den Chronografen 911 Dakar Rallye Design Edition erwerben. Hergestellt in der Schweiz, haben diese Uhren ein Gehäuse aus Titankarbid.
Testergebnis
Gesamtnote 85.5/100
Antrieb
Der aus dem GTS übernommene Flat-Six-Biturbo zeigt sich spitz, wie es sein soll. Das Doppelkupplungsgetriebe gibt keinen Anlass zur Kritik, aber ein manuelles Getriebe wäre wünschenswert gewesen.
Fahrwerk
Trotz einer speziellen Abstimmung der Aufhängung erweist sich der Dakar als sehr straff. Das ist effizient, wenn auch nicht gerade spassig.
Innenraum
Die Verarbeitung ist hervorragend, und es gibt viel Platz für Gepäck, aber man sollte es vermeiden, die Integralschalensitze aus Karbon auf dem Bestellformular anzukreuzen.
Sicherheit
Trotz der Standardbremsen von Porsche bietet das Auto hervorragendes Bremsverhalten. Obwohl vorhanden, sind die Fahrhilfen bei dieser Art von Spielzeug unnötig.
Budget
Mit 268 700 Franken kostet der Dakar fast doppelt so viel wie ein normaler 911. Allerdings explodiert der Preis für Gebrauchtwagen und kann bis zu einer halben Million Franken erreichen.
Fazit
Obwohl der 911 Dakar für Sandwüsten gemacht ist, wird er dort wahrscheinlich nur selten fahren. Das ist schade. Doch er glänzt auch auf Asphalt, wo er sich als leistungsstark und komfortabel erweist. Eine grossartige Alternative zu den Hyper-SUV.
Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.