Heisser Einsatz

Elektroautos brennen nicht häufiger als andere Fahrzeuge. Nur die Bekämpfung der Brände stellt andere Ansprüche.

Als Ende Juli der Autotransporter Freemantle Highway vor der Küste der Niederlanden in Flammen aufging, war der mediale Tenor eindeutig: Eines der Elektroautos an Bord hat das Feuer ausgelöst! Gestützt wurde diese These durch Aussagen der Mannschaft des Schiffes, das unter panamaischer Flagge für die japanische Reederei Shoei Kisen fuhr. Zwar waren diese Aussagen durchaus widersprüchlich, denn erst hiess es, 25 Elektroautos seien an Bord, bevor die Zahl anhand der Ladelisten auf 498 Elektroautos bei insgesamt 3783 Fahrzeugen korrigiert wurde. Die Fahrzeuge sollten von Bremerhaven (D) durch den Suezkanal nach Singapur transportiert werden.

Nachdem das Feuer gelöscht und das Schiff in einen niederländischen Hafen geschleppt worden war, gingen erste Gutachter an Bord. Die stellten Ende vergangener Woche fest: Die 498 Elektroautos stehen unbeschädigt in einem der tiefen Decks des Roll-on-roll-off-Schiffes. Gebrannt hat keines.

Brandbekämpfung als Herausforderung

Dass die Elektroautos ganz unten im Schiff verladen wurden, entspricht den geltenden Regeln an Bord von Schiffstransportern: Nach unten gehören die schwersten Güter. Elektroautos sind dabei wie Verbrenner in die Gefahrengutklasse 9 eingestuft. Und während die Tanks maximal zu 25 Prozent gefüllt sein dürfen, hat die Schiffsbranche die Regeln nach dem Untergang des Autotransporters Felicity Ace im Februar 2022 verschärft – E-Autos werden mit nur zwei Prozent SOC (State of Charge) der Batterien an Bord gefahren. Das ist gerade genug, um am Zielort vom Schiff zum Terminal des Importeurs zu fahren, minimiert aber das Risiko, dass es durch einen Kurzschluss in der Elektrik zu einem Akkubrand kommt.

Dass ein solcher Defekt das Feuer auf der Freemantle Highway ausgelöst hat, ist damit eher unwahrscheinlich. Das Problem bleibt aber, dass ein Feuer schwerer zu löschen ist, sobald E-Fahrzeuge involviert sind. Gerade an Bord eines Schiffes seien die Folgen komplexer, sagt Dana Meissner, Leiterin des Bereichs Forschung und Entwicklung am Institut für Sicherheitstechnik/Schiffssicherheit in Rostock-Warnemünde (D). Durch die räumliche Enge ist das Übergreifen der Flammen auf andere Fahrzeuge schwer zu verhindern. «Die Hitzeübertragung durch den Schiffsrumpf aus Stahl führt dazu, dass auch in weit entfernten Teilen des Schiffes weitere Feuer ausbrechen können», ergänzt Jan Bauke, Ausbildungschef von Feuerwehr und Zivilschutz bei Schutz und Rettung Zürich. Der erfahrene Feuerwehrmann legt aber abseits der schwierigen Brandbekämpfung auf hoher See Wert auf eine andere Feststellung: «Elektroautos brennen nicht häufiger als konventionell angetriebene Fahrzeuge, das Brandrisiko ist nicht höher.»

Dies lässt sich nicht nur aus diversen Studien aus Skandinavien oder den USA ablesen, sondern auch aus den Zahlen der Versicherer. «Aus unseren Statistiken gibt es keinerlei Hinweise, dass Elektrofahrzeuge häufiger brennen als Autos mit Verbrennungsmotor», erklärte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Wenn allerdings ein Elektroauto in ein Feuer verwickelt ist – ob als Auslöser oder weil ein Brand übergegriffen hat –, dann ist die Herausforderung für Feuerwehr und Bergungsdienste deutlich grösser.

Das liegt nicht einmal an den höheren Temperaturen, die beim Brand eines E-Fahrzeugs entstehen.  «Die freigesetzte Wärme ist nicht wesentlich anders als bei einem klassischen Fahrzeug mit Verbrennungsmotor», erklärte Jochen Zehfuss vom Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz der Technischen Universität Braunschweig (D) in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Die entstehenden Temperaturen würden «im Wesentlichen dominiert durch die Fahrzeugeinrichtung, durch die Polsterung, durch die Kabel und was in einem Fahrzeug verbaut ist – und nur in untergeordnetem Masse durch das Antriebskonzept.»

Problemeatisch ist, wenn die Antriebsbatterie durch den Unfall selbst, durch einen Kurzschluss oder durch das Feuer in Mitleidenschaft gezogen wird und sich ein so genannter Thermal Overrun entwickelt. Durch diese Zersetzungsreaktion wird in der Batterie Sauerstoff freigesetzt, der von sich aus dafür sorgt, dass das Feuer sehr lange am Leben gehalten wird. «Wenn das passiert, steht die Feuerwehr vor dem eigentlichen Problem», sagt Brandexperte Bauke. Denn durch die Einbaulage der Hochvoltbatterie ist es schwierig,  direkt an sie heranzukommen. Die Batterie muss gekühlt werden, und das gelinge nur «mit sehr viel Wasser». Im Extremfall muss das komplette Auto in einen Container mit Wasser versenkt werden. Allerdings ist die Brandschutzbranche kreativ. So entwickelte der österreichische Feuerwehrausrüster Rosenbauer eine Löschlanze. Sie wird unter das brennende E-Auto geschoben, mit Hydraulikkraft in die Batterie hineingebohrt und flutet das Batteriegehäuse von innen mit Wasser. Das sorgt für nachhaltige Kühlung und reduziert die benötigte Wassermenge auf die rund 2000 Liter, die ein normales Tanklöschfahrzeug mit sich führt. Mit Löschdecken wie sie auch im Motorsport verwendet werden kann das Übergreifen der Flammen auf andere Fahrzeuge oder ein Gebäude verhindert werden.

Ausbildungsbedarf bei der Feuerwehr

Zum Abtransport der Fahrzeuge sind inzwischen  neben Containern, die bei einem Wiederentzünden der Batterie mit Wasser geflutet werden können, auch Löschsäcke wie das E-Vehicle-Isolation-System des deutschen Unternehmens Vetter im Einsatz. Dazu wird das E-Auto komplett in den Sack verpackt, der dann mit Wasser gefüllt wird. Für die Feuerwehren ändert sich also einiges bei der Brandbekämpfung, und sie würden darauf in Spezialkursen vorbereitet, betont Thomas Widmer, Direktor des Schweizerischen Feuerwehrverbands.

Nicht unterschätzt werden darf auch die Nachsorge der Brandstelle durch die Feuerwehren, erklärt Jan Bauke: «Das eingesetzte Löschwasser ist hochgradig kontaminiert und muss aufgefangen und entsorgt werden.»

Ein weiteres wichtiges Mosaikstück sind die Abschleppunternehmen. In Zusammenarbeit zwischen den Blaulichtorganisationen und dem Varband Auto-Strassenhilfen Schweiz wurde ein Prozess definiert, der unter dem Kürzel BTVE das genaue Vorgehen festlegt beim Bergen, Transportieren, Verwahren und Entsorgen beschädigter Elektrofahrzeuge. «Die Abschleppdienste sind sehr gut ausgebildet und mit Wärmebildkameras auch gut ausgerüstet», weiss Jan Bauke aus Erfahrung.

Für den Zürcher Brandexperten ergeben sich einerseits immer neue Herausforderungen, weil die Batterien auf immer weniger Bauraum mehr Energie bereitstellen, die im Brandfall zum Risiko wird. Aber andererseits «machen die Hersteller die Batterie immer sicherer, die Batteriemanagementsysteme verhindern die Branderstehung aus einem Kurzschluss.» Auf den Prüfstand gestellt werden müssten aber auch bauliche Voraussetzungen. Speziell in Busdepots müsse dafür Sorge getragen werden, dass ein Brand eng begrenzt und das Übergreifen des Feuers auf den gesamten Fahrzeugbestand verhindert werden könne. 

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