Städte gegen Autofahrer

Für Automobilisten wird es in den Städten immer enger. Die Strassen- und Parkflächen, die ihnen zur Verfügung stehen, werden systematisch reduziert.

Velos statt Autos: Am liebsten sähen die Städteplaner nur noch solche Bilder.

Autofahren in den Städten ist heute unangenehmer denn je. Subjektiv gibt es immer weniger Platz für immer mehr Fahrzeuge. Die Zahl von Schikanen und Niedrigtempozonen nimmt zu, Parkplätze verschwinden. Kurz: Die Stadt ist unwirtliches, wenn nicht gar feindliches Gelände für Automobilisten geworden.

Diese Erfahrung machen wohl viele von uns. Die anekdotische Evidenz, also was Betroffene berichten, ist erdrückend, der tägliche Ärger nimmt zu. Doch die AUTOMOBIL REVUE wollte es genauer wissen: Wie sieht es konkret aus mit den in die Enge getriebenen Autofahrern? Wir fragten bei mehreren Städten nach, von Basel über Bern bis Luzern und Zürich. Dabei zeigt sich, dass die Städte die Verschiebungen der Strassenflächen zwischen den einzelnen Verkehrsträgern «nicht systematisch» erheben. Doch der Trend geht überall in dieselbe Richtung: Den Autofahrern wird das Leben – sprich das Fahren und Parkieren – schwer gemacht. Die Politik favorisiert Fussgänger und Velofahrer.

Dabei schneidet der motorisierte Individualverkehr (MIV) schon heute vergleichsweise schlecht ab. So weist die Stadt Zürich folgende Strassenlänge pro Verkehrsmittel aus: Mit Abstand am meisten Raum haben die Fussgänger, nämlich 1188 Kilometer. Auch die Velofahrer haben mit 800 Kilometern ein deutlich grösseres Netz als der motorisierte Individualverkehr mit 682 Kilometern (ÖV 289 km). Historisch gesehen befinden wir uns in ­einer Gegenbewegung zum Siegeszug des Automobils nach den 1950er-Jahren. Das schlägt sich auch in der Rhetorik der Stadtplaner nieder. Der öffentliche Raum sei in den vergangenen Jahrzehnten «schrittweise für die Menschen zurückgewonnen worden», sagt die Kommunikationschefin des stadtzürcherischen Tiefbau- und Entsorgungsdepartements, Jessica Van Wezemael – als ob die Automobilisten keine Menschen wären. Als Stichworte nennt sie «autofreie Zonen in der Innenstadt, verkehrsberuhigte Zonen in den Wohnquartieren, aufgewertete Stadtplätze und Strassenräume». Deutlich wird die herrschende Ideologie auch in ihrer folgenden Erklärung: «Fussgänger, wie auch Velofahrende und Nutzende des öffentlichen Verkehrs, haben einen geringeren spezifischen Platzbedarf und belasten die Umwelt weniger – CO2-Emissionen, Lärm- und Schadstoffemissionen – als der motorisierte Individualverkehr.»

Umbau zulasten der Autofahrer

Zahlreiche Projekte der Stadt Zürich zeugen von diesem Umbau, der zulasten der Autofahrer geht. Auf der Heinrichstrasse werden in diesem Jahr die Fahrbahn verschmälert und Parkplätze reduziert – «zugunsten von mehr Bäumen». Die Hardturmstrasse wurde in einen abenteuerlichen Hindernisparcours mit Betonblöcken mitten auf der Fahrbahn umgewandelt, um nicht quartieransässige Autofahrer abzuschrecken, wie die Stadt offen zugibt. Zu den grösseren abgeschlossenen Rückbauprojekten zählen die West- und die Sihlfeldstrasse, die bereits 2012 in einspurige Quartierstrassen mit Tempo 30 umgebaut wurden. Die Pfingstweidstrasse erfuhr einen Spurabbau zugunsten von Velo und Tram. Aktuell gibt der vorläufig gestoppte Versuch einer Halbierung der Anzahl Spuren an der Bellerivestrasse zu reden. Weitere Aufhebungen von MIV-Spuren sind geplant, so am Heim- oder am Triemliplatz.

Dasselbe Bild zeigt sich in den anderen Städten. Bern verbreitert den Velostreifen auf der Lorrainebrücke und baut den Inselplatz zugunsten von Velo- und öffentlichem Verkehr um. Wie das Beispiel von Luzern zeigt, gibt es in den Städten auch immer mehr sogenannte Begegnungszonen (in Luzern sind es bereits 19). In Basel gilt seit 2015 ein Verkehrskonzept Innenstadt mit Fussgänger- und Begegnungszonen. Die Zufahrt mit Autos und Lieferwagen ist nur noch zu bestimmten Zeiten gestattet. Die Anzahl von Begegnungszonen hat sich in Basel seit 2012 von 54 auf 108 glatt verdoppelt.

Abbau Tausender Parkplätze

An den Kragen geht es auch den öffentlichen Parkplätzen. Die unterschwellige Botschaft dabei lautet: «Autofahrer unerwünscht. Geht zu Fuss oder benützt das Tram.» In der Stadt Bern gibt es insgesamt rund 102 200 Parkplätze, wovon sich rund 16 200 im öffentlichen Raum befinden. Von diesen wiederum wurden in den vergangenen zehn Jahren 1211 Parkplätze aufgehoben (1145 waren es alleine in den letzten fünf Jahren). In der Stadt Zürich stehen heute rund 2900 öffentlich zugängliche Parkplätze weniger zur Verfügung als noch vor ­einem Jahrzehnt. Eine Trendumkehr ist nicht in Sicht, im Gegenteil, die happigsten Eingriffe werden erst noch folgen. Im Rahmen ihrer Klima- und Energiestrategie will etwa die Stadt Luzern 50 Prozent der Parkplätze auf öffentlicher Strassenfläche abbauen.

Im Zeichen der Klimapolitik kommen in Zukunft noch viel weiter reichende Einschränkungen auf die Autofahrer zu. Dabei haben sich die grösseren Städte unabhängig vom nationalen Klimaschutzgesetz einschneidende Ziele auferlegt. Basel-Stadt will bis 2050 «vollständig auf emissionsarme, klima- und ressourcenschonende Verkehrsmittel und Fortbewegungsarten umstellen». Zudem soll der private Motorfahrzeugverkehr auch bei anhaltendem Wachstum von Bevölkerung und Wirtschaft nicht zunehmen. Die Treibhausgasemissionen müssen bis 2037 auf «netto null» sinken. Voraussichtlich im November wird das Basler Stimmvolk ausserdem über die beiden Stadtklima-Initiativen entscheiden, die dem Autoverkehr «im grösseren Umfang Strassenflächen entziehen möchten – zugunsten von mehr Platz für Fussgängerinnen und Fussgänger, Velofahrende, den öffentlichen Verkehr und mehr Stadtgrün», wie Daniel Hofer, Co-Leiter Kommunikation des Bau- und Verkehrsdepartements des Kantons Basel-Stadt, ausführt. Auch die Stadt Luzern will gemäss ihrer Mobilitätsstrategie den «Modalsplit zugunsten von ÖV, Velo- und Fussverkehr» verändern, wie Markus Birrer vom Tiefbauamt betont.

Automobilisten droht Zwang

Woher der Wind weht, zeigen die Aussagen von Kay Axhausen, der an der ETH Zürich die Forschungsgruppe für Verkehr leitet und unter anderem die Stadt Zürich beim Experiment Spurabbau Bellerivestrasse berät. «Die Klimawandel zwingt uns, Städte grundlegend neu zu denken», meinte er gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Der Grundsatz müsse lauten: «Weniger Autos, mehr ÖV, Velos und häufiger zu Fuss gehen». Dass die Strassen – nicht nur in den Städten – so verstopft sind, weil die Bevölkerung durch die Zuwanderung stark zunimmt, weiss auch Axhausen. Doch ein entsprechender Ausbau der Strasseninfrastruktur kommt für ihn nicht in Frage. Implizit redet er sogar von Zwangsmassnahmen gegenüber Automobilisten: «Ein freiwilliger Umstieg vom Auto auf mehr ÖV wird kaum funktionieren (…).» Ihn selbst wird der mögliche Zwang nicht treffen: Nach Angaben des «Tages-Anzeigers» besitzt der Professor, der nahe an seinem Arbeitsort an der ETH im noblen Kreis 7 wohnt, kein Auto. Ein Schuft, wer auf die Idee kommt, dass hier ein Vegetarier den Fleischessern (alias Autofahrern) Vorschriften macht.

Kay Axhausen leitet an der ETH Zürich die Forschungsgruppe für Verkehr.

Für die Autofahrer wird es in den Städten tatsächlich immer ungemütlicher, und die gröbsten Eingriffe stehen erst noch bevor. Wäre es da, diese Frage drängt sich auf, nicht angebracht und gerecht, dass etwa die gehätschelten Velofahrer, die auf Kosten der Automobilisten ständig mehr Raum bekommen, dafür zur Kasse gebeten werden? Davon wollen die Städte nichts wissen. «­Eine allfällige Einführung von Verkehrsabgaben für Velos und Fussgänger liegt nicht in der Kompetenz der Stadt», heisst es aus Zürich. «In der Stadt Bern werden keine solchen Gebühren diskutiert», meldet die Bundesstadt. Auch Luzern plant keine verursachergerechte Besteuerung des Langsamverkehrs. Dasselbe gilt für Basel, explizit aus politischen Motiven: «Wir möchten im Kanton das Velofahren, das ÖV-Fahren und das Zu-Fuss-Gehen fördern – und nicht mit Gebühren unattraktiv machen», heisst es dazu. 

1 Kommentar

  1. Eine absolute Frechheit gegenüber den Autofahrern. Es passt zur heutigen Kultur der Politiker, die im Herbst wieder gewählt werden wollen. Nur der Bürger wählt diese Volksvertreter.
    Ihr Artikel passt zur den Nachrichten von gestern, wo zwei Autofahrer, die bei unabhängigen Verkehrsunfällen mit Velofahrern, die bei Stürzen offenbar bei Disputen verletzt wurden, im Anschluss verhaftet!!! wurden. So die Meldungen, die verifiziert werden müssten. Ob und wie die Velofahrer die Autofahrer provoziert haben, ist nicht bekannt. Die Nachrichten wurden so verfasst, dass die Autofahrer die Bösen und die Velofahrer die Opfer seien. Soweit sind wir ja schon.

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