Gerne durchstöbern wir das Angebot der bekannten Auktionshäuser. Wenn uns etwas besonders gut gefällt, präsentieren wir es hier als «Pick of the Week». Heute ist es ein ganz besonderer Mercedes 190 E 2.3-16, gefunden bei RM Sotheby’s.
- 21 Stück modifiziert
- Der Beginn der Senna-Legende
- Zwei Fahrzeuge haben «überlebt»
Er hatte das eine oder andere Problem, der Mercedes 190 E 2.3-16. Sein grösstes hiess: BMW M3. Dazu war der in Kooperation mit Cosworth gebaute 2.3-Liter-16-Ventil-Langhuber kein Ausbund an Standfestigkeit, ganz im Gegensatz zu sonst von Mercedes-Benz Gewohntem. Auch ärgerlich, dass das Triebwerk trotz der nominell soliden Leistung wenig stark wirkte. In einem Test wurde ihm ein Ansprechverhalten «wie ein komatöser Eunuche» attestiert.
Weiter beim Fahrwerk: das war zwar insgesamt vernünftig abgestimmt, in letzter Konsequenz aber vielleicht doch eine Spur zu sicherheitsbetont. An der Bremse liess sich ebenfalls wenig Gutes feststellen, so auch an der Lenkung – allein das riesige Lenkrad, bei dem man sich eher als Kutscher denn als Sportfahrer fühlte. Selbst das Getrag-Sportgetriebe liess Raum für Verbesserungen, hakelig, mit zu langen Wegen und vor allem durch die viel zu lange Hinterachsübersetzung derart an Spritzigkeit beraubt, dass sie sich wirklich ein paar Gedanken in Stuttgart machen mussten, sollte die 16V-Geschichte nicht zu einem totalen Rohrkrepierer werden.
Schon zur Präsentation schaute man etwas kritisch oder gar lächelnd: Mercedes hatte die tolle Idee, im Vorfeld des Formel-1-Rennens auf dem Nürburgring 1984 neun noch lebende Formel-1-Weltmeister sowie aktuelle Piloten auf speziell präparierten 190 E 2.3-16 gegeneinander antreten zu lassen. Ein Ignorant, wer sich da nicht an die Procar-M1-Serie von BMW erinnerte, die einige Jahre vorher im genau gleichen Stil für Furore gesorgt hatte. «Billige Kopie» waren noch die freundlichsten Worte, die damals für den Mercedes-Auftritt gewählt wurden.
Wie auch immer: Mercedes nahm 21 der neuen 190 E 2.3-16 vom Band, liess sie von Gerhard Lepler von Mercedes-Benz Sport-Technik mit einer neuen Auspffanlage, einem sportlicher abgestimmten Fahrwerk, besseren Bremsen, einer kürzeren Hinterachse, einem Überroll-Käfig, zwei Recaro-Sportsitzen und breiteren Pirelli-Reifen aufrüsten. Man darf davon ausgehen, dass auch die Motoren noch etwas präpariert wurden, doch offiziell wusste davon niemand.
Alain Prost holte sich für dieses «Race of Champions» die Pole-Position. Im Rennen selber wurde er auf dem frisch eröffneten Grand-Prix-Kurs zuerst einmal unsanft von Elio de Angelis angerempelt. In der dritten Runde wurde Prost dann von einem ganz jungen Fahrer zuerst von der Strecke und dann auch gleich von der Spitze verdrängt: Ayrton Senna. Der lieferte sich für den Rest des Rennens ein hartes Rennen mit Niki Lauda, siegte – ein neuer Star war geboren.
19 von den «Nürburgring»-Benzen wurden zurückgebaut, das Senna-Auto kam ins Museum – und der Lauda-Mercedes wurde an Boss-Besitzer Jochen Holy verkauft. Mit allen Insignien und Verbesserungen. 2018 kam das Fahrzeug, mit Unterschrift von Lauda, in die «Iseli Collection», die am 15. September von RM Sotheby’s in St. Moritz versteigert wird. Für die ganze Sammlung gilt: no reserve. Zur Ehrrettung dieser bösen, kleinen Mercedes muss aber unbedingt noch geschrieben werden: Als Evo II waren sie dann grossartig.
In der monatlich erscheinenden Klassik-Beilage der AUTOMOBIL REVUE finden Sie immer schöne Old- und Youngtimer. Abos gibt es: hier. Unter «Pick of the Week» präsentieren wir gerne günstige und vor allem spannende Automobile, die wir auf Auktions-Vorschauen entdecken – eine Liste der schon vorgestellten Fahrzeuge finden Sie hier.