Wenn Kinder vor Erstaunen stehen bleiben, Männer anerkennend nicken und Frauen den Kopf verdrehen, dann sitzen Sie bestimmt nicht in einer B-Klasse von Mercedes-Benz. Einem Auto, das Emotionen und Leidenschaft seinen Markenbrüdern überlässt und unauffällig bleibt.
Längst steht fest, das ab 2026 die Sterne der A- und B-Klasse verglühen. Die Stuttgarter lassen dem beschlossenen «Entry Luxury»-Konzept Taten folgen und reduzieren die Anzahl ihrer Kompakten. Ebenfalls enden wird damit auch der stetige Wunsch des Herstellers, mit der B-Klasse eine jüngere Käuferschicht zu gewinnen. Auch wenn die letzte B-Klasse vom Band läuft, wird sie das Image des Rentnerfahrzeuges nicht loswerden. Dass die grössten Konkurrenten – Active Sports Tourer von BMW und Golf Sportsvan von VW – nicht wesentlich mehr Erfolg hatten, ist da nur ein kleiner Trost. Diese Kompaktvans oder MPV (Multi Purpose Vehicles) zeichnen sich durch erhöhte Sitzposition, geräumigen Innenraum und flexible Sitzkonfiguration aus. Ein hervorragendes Allwetterjäckli eben. Praktisch, technisch hochwertig – und unsexy.
Zum Test steht ein Mercedes-Benz B250E mit seinem finalen Facelift vor dem Redaktionsgebäude. Von aussen betrachtet, sind die Änderungen auf facelifttypisch umgestaltete Front- und Heckpartien sowie die neuen und serienmässigen LED-Scheinwerfer und Rückleuchten beschränkt. In seinem AMG-Kleid und mit den 18 Zoll grossen Felgen der Performanceabteilung zeigt er sich von seiner sportlich-dynamisch Seite, ganz im Gegensatz zu den angestaubten Vorgängermodellen.
Die Besonderheit des Testfahrzeugs verbirgt sich unter der Haube des ferrariroten Mercedes. Dort werkelt ein Renault. Dessen 163 PS werden von einem 109-PS-Elektromotor unterstützt, die laut Werk für rund 70 elektrische Kilometer gut sein sollen. Das morgendliche Pendeln zur Arbeit könnte demnach ohne thermischen Antrieb erfolgen, sofern man nicht schneller als 140 km/h fährt, was in der Schweiz gut funktioniert.
Viel Platz, alles sauber und aufgeräumt
Im Fahrzeuginneren fällt der Blick sofort auf das Mbux-Infotainment. Zwei 10.25-Zoll-Bildschirme verbinden sich zu einem 63 Zentimeter breiten Panel, welches zwei Drittel des Armaturenbretts einnimmt. Die Bedienung des Fahrerbildschirms erfolgt über Sensortasten am Lenkrad. Diese stammen aus den teureren Baureihen, die Bedienung kann aber mit leicht feuchten Händen zu einer kniffligen Angelegenheit werden. Über den Bildschirm in der Fahrzeugmitte können Navigation, Medien, Telefon oder Fahrzeugeinstellungen gesteuert werden, was aber auch über das Lenkrad oder mittels Sprachebefehlen gelingt. In der aktuellen Version ist die Eingabeeinheit auf der Mittelkonsole weggefallen, was dem Innenraum einen sauberen und aufgeräumten Eindruck verleiht.
Hinten gibt es auch für zwei gross gewachsene Personen sehr viel Platz mit ordentlich Beinfreiheit. Zu dritt wird es kuschelig, man sollte sich schon etwas näher kennen. Die Variabilität und das Raumgefühl gehören sicher zu den Hauptgründen für die Kaufentscheidung. Ob an zwei Kindersitze (die auch immer grösser werden), das Bike oder den Spontaneinkauf im Möbelhaus – der B250E passt sich wunderbar an.
In SUV muss über einen breiten Schweller geklettert werden, in Sportwagen wird es gelegentlich vertrackt bis peinlich. Die kommode Einstiegshöhe der B-Klasse ist auf der richtigen Höhe, ohne grossen Übertritt und einfach herrlich bequem.Türe zu, Knopf drücken und los. Der B250E fährt so unkompliziert wie unaufgeregt. Wir plaudern erstaunlich oft mit Frau Mercedes, welche nun sogar Fahrzeugfunktionen erklären kann und nach einem zukünftigen Update auch als Reiseführer mit Informationen und Tipps zu Sehenswürdigkeiten entlang der Reiseroute aufwarten soll. Gefedert wird markentypisch komfortabel, und Fahrbahnunebenheiten werden gut gedämpft in den Innenraum weitergegeben. Die Sitze bauen anschliessend noch die restlichen Schwingungen ab. Deshalb fühlt man sich in dem Auto gut aufgehoben.
Sportlichkeit hat ihre Grenzen
Längsdynamisch bietet der B250E gute Werte. Die Beschleunigung von Stadt- auf Landstrassentempo wird in akzeptablen 2.3 Sekunden erledigt, der Spurt von 0 auf 100 km/h in 8.6 Sekunden. Aber auch nur, wenn der B250E muss. Obwohl er Sports Tourer heisst, erträgt er nur wenig Sport. In Kurven suchen Insassen wie die Reifen der Vorderachse nach griffigem Halt. Die beiden Antriebe und das Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe lassen es bei flotter Fahrt an Harmonie in der Zusammenarbeit missen. Mal bleibt die Drehzahl in unerklärlichen Höhen, mal bummelt sie so niedrig vor sich hin, dass Verbrenner und Insassen gespannt auf die Unterstützung des E-Motors warten. Wenn dieser dann mitmacht, tut er es häufig so übermotiviert, dass der Vortrieb mit quietschenden Reifen und eingreifender Überwachungselektronik einhergeht. Im Innenraum brummt es unangenehm, Fahrer und Passagiere ruckeln zusammen mit dem Getriebe durch dessen Gänge und wanken seitenhaltlos umher. Deshalb beendet man den Exkurs der flotten Art lieber schnell, dann wechseln sich Verbrenner und Elektromotor mit sanften Übergängen ab, und das Fahren wird wieder zur komfortablen Beiläufigkeit.
An der Zapfsäule wird dies sehr wohlwollend aufgenommen, und mit einem Durchschnittsverbrauch von 4.7 l/100 km kann man zufrieden sein. Doch der dafür notwendige hohe Anteil an elektrischem Fahren setzt regelmässiges externes Laden der Batterie voraus. Die Batterie füllt sich an der AC-Säule mit 11 kW, am DC-Lader mit 22 kW. Fährt die B-Klasse allein mit dem konventionellen Verbrenner, verbraucht er 7.9 Liter Benzin auf 100 Kilometer, was ein Plus von fast 70 Prozent ist.
Beim Thema Sicherheit ist der B250E ein Mercedes. Im Vergleich zum Vorgänger spürbar verbessert sind die Fahrassistenzsysteme, die feiner abgestimmt arbeiten und auf der Autobahn weniger hektisch das Tempo anpassen. Auch die Geschwindigkeitsreduktionen wegen fehlerhafter Schildererkennung wie beim Vorgänger traten nicht mehr auf. Muss der Notbremsassistent eingreifen, verzögert das Fahrzeug bei maximalem Bremsdruck innerhalb von 38.1 Metern (nass) von Tempo 100 in den Stand. Sollte das nicht reichen, werden die Sicherheitsgurte festgezurrt, Fenster und Schiebedach geschlossen, und die Lautsprecher erzeugen ein Rauschen, das das Gehör vor lauten Geräuschen durch Crash oder Airbagentfaltung schützen soll. Ausprobiert haben wir es nicht.
Im Test überzeugte der B250E mit Technik und Platzangebot als unaufgeregter Reisebegleiter. Konzerntypisch ist die Aufpreispolitik, denn serienmässig bekommt man Rückfahrkamera, Sitzheizung und Navi. Alles, was sonst noch gefällt, kostet extra. So steigerte sich der Preis des Testfahrzeugs von 56 500 Franken um rund 30 Prozent.
Wir werden die B-Klasse irgendwie vermissen, wenn sie ab 2026 wirklich in Rente geht. Doch vielleicht ist es wie mit der Mode und Frisuren: Trends kommen oft wieder.
Testergebnis
Gesamtnote 75/100
Antrieb
Keine Rakete, aber verhungert auch nicht beim Überholen. Im Alltag effizienter Mix aus Elektromotor und Verbrenner. Aber wenn die Batterie leer ist, mutiert der kleine Benziner zum Trinker.
Fahrwerk
Komfortables Fahren beherrscht er sehr gut, bei sportlicher Gangart haben Fahrer wie Fahrzeug wenig Spass.
Innenraum
Viel Platz vorne, hinten und im Kofferraum. Hohe Variabilität mit bequemen Sitzen. Das Infotainment überzeugt mit lernfähiger Spracheingabe oder Navigation mit Livekamera und grafischen Einblendungen.
Sicherheit
Sehr viel Mercedes-Know-how steckt in der passiven Sicherheit des Fahrzeugs. Zusätzlich glänzt der Stern mit ausgereiften Fahrassistenzsysteme und kurzem Bremsweg.
Budget
Hoher Einstiegspreis für das Auto mit dem hohen Einstieg. Wer mehr will, bekommt es, muss das Portemonnaie entsprechend aufmachen.
Fazit
Alle, die keinen Kombi, SUV oder Van, aber nicht auf deren Vorteile verzichten wollen, werden mit der B-Klasse glücklich. Er ist mit seiner hohen Vielseitigkeit ein Auto, das seinen Besitzer in allen Lebenslagen unterstützet. Jung wie Alt.
Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.