Wir hatten kürzlich den Range Rover P530 im Test, ein ganz edles Gefährt. Ausser dass er gross, schwer und teuer ist, hatten wir nur eine Kritik: das viel zu weiche Fahrwerk. Das passt so gar nicht zum 530 PS starken V8, der das 2.7-Tonnen-SUV in 4.6 Sekunden auf 100 km/h beschleunigt. Jetzt testen wir den BMW X7, der gar nicht so anders ist als der Range. Ähnliche Dimensionen, ähnlicher Preis und – fast der gleiche Motor. Die Briten setzen für die leistungsstärkste Variante des Range Rover nämlich auch auf einen 4.4-Liter-Biturbo aus dem Hause BMW, der auch im X7 M60i zum Einsatz kommt – beziehungsweise kam. Naheliegend also, dass im Test das Augenmerk auch darauf liegt, ob die Bayern das Fahrwerk besser an die Motorisierung anpassen konnten als die Briten. Bereits 2018, als BMW den X7 präsentierte, war klar, dass er das neue Flaggschiff werden würde, das primär für den amerikanischen und den chinesischen Markt gebaut wurde. So erklärt sich auch die Motorenpalette, die fast komplett auf eine Elektrifizierung verzichtet. Bei der Lancierung gab es noch nicht einmal einen Mildhybrid. Nach rund drei Jahren brachte BMW im vergangenen Sommer ein Facelift für den X7, das sich mit dem neuen Gesicht der Oberklasse präsentiert. Wie auch im 7er gibt es die zweigeteilten Scheinwerfer und einen neuen Kühlergrill.
Was auf den ersten Blick nach einem kleinen Facelift aussieht, ist in Wahrheit aber eine tiefgreifende Überarbeitung mit neuem Interieur, neuen Assistenzsystemen und neuen Motoren, anders als beim 7er verzichtet man aber weiterhin auf eine vollelektrische Variante. Dafür gibt es eine neue Generation des V8-Biturbo, der N63 wird abgelöst durch den S68. Auf den ersten Blick unterscheiden sich die beiden Aggregate nur im Detail. Hubraum, Bohrung und Hub sind identisch, ebenso Leistung und Drehmoment. Die beiden Twinscroll-Turbolader sind im heissen V zwischen den Zylinderbänken angeordnet. Neu ist der Mildhybrid. Ein im Getriebe angeordneter Elektromotor trägt 9 kW (12 PS) zusätzliche Leistung und 200 Nm Drehmoment bei. Ausserdem wird er vom Start-Stopp-System als Anlasser verwendet. Die Nockenwellenverstellung ist im S68 erstmals elektrisch betätigt und nicht wie bisher hydraulisch, die Kurbelwelle ist komplett neu, die Turbolader wurden überarbeitet. Um den Elektromotor aufzunehmen gibt es ausserdem eine neue Achtstufen-Automatik.
Fahrfreude in allen Lagen
Der neu entwickelte Motor ist beeindruckend. Auf der Autobahn dreht er laufruhig und tieftourig. Nur ein dumpfes, dezentes Grummeln erinnert an den 4.4-Liter-V8 unter der Haube. Anders als beispielsweise Audi in seinen grossen Motoren verzichtet BMW auf eine Zylinderabschaltung. Auf der Autobahn beträgt der Verbrauch gemäss Messungen der AUTOMOBIL REVUE 12.0 l/100 km. In der Stadt sorgt der Mildhybrid für ein sanfteres Ansprechen der Stopp-Start-Automatik und somit für eine deutliche Komfortsteigerung und eine leichte Verbrauchssenkung. Im Schnitt kommt der X7 M60i auf der AR-Normrunde auf relativ hohe 11.5 l/100 km, deutlich besser aber als die Werksangabe von 12.1 l/100 km. Alle Trümpfe ausspielen aber kann der Antrieb dann, wenn der Verbrauch keine Rolle mehr spielt – sondern nur noch die Fahrleistungen. Aus dem Stand sprintet der 530-PS-Koloss in 4.7 Sekunden auf Tempo 100. An der Hinterachse zeigen sich leichte Traktionsprobleme, sobald das Drehmoment an alle vier Räder geht, sprintet das grosse SUV aber unaufhaltsam los. Bei Überholvorgängen sorgt der Elektromotor für ein direktes Ansprechen. Begleitet wird jede Beschleunigungsorgie von einem archaischen Fauchen und einem kurzen Schiessen beim Gangwechsel. Ist das nötig? Natürlich nicht, es passt aber zum M in der Modellbezeichnung.
Freude am Fahren wird aber nicht nur über den Motor definiert. Bei einem Auto, das leer bereits 2.6 Tonnen wiegt und beladen bis zu 3.3, trennt ein gutes Fahrwerk die Spreu vom Weizen. Und hier beweist BMW, dass M auch für Fahrwerkskompetenz steht. Im Komfort-Modus ist der X7 äusserst weich abgestimmt, bietet fast unerwartet hohen Komfort, ohne jedoch mit unangenehmen Karosseriebewegungen auf Beschleunigungen zu reagieren. Wem das zu weich ist, der kann das adaptive Fahrwerk auf Sport stellen, wo weich zum Fremdwort wird. Unebenheiten der Strasse werden direkt durchgestellt, aber bei sportlicher Gangart, auch auf Landstrassen, hält das Auto Kurs. Die Lenkung ist präzise und überraschend direkt. Die hecklastige Abstimmung des Antriebs verursacht beim Beschleunigen eine Tendenz zum Untersteuern, unterstützt wird dieses Gefühl durch die serienmässige Hinterachslenkung, die den X7 trotz 3.11 Meter Radstand dynamisch durch die Kurven führt. Auch das Manövrieren in der Stadt wird dadurch erleichtert.
Reichlich Technologie an Bord
Übrigens: Wer gar nicht selber Ein- und Ausparkieren mag, kann sich auch beim X7 auf die Elektronik verlassen. Der Parkassistent kann das Auto nicht nur selber parkieren, sondern lernt jeweils auch gleich den Pfad des Einparkvorgangs, sodass das Auto selbständig wieder ausparkieren kann. Auch sonst sind die Assistenzsysteme, wie von BMW gewohnt, auf höchstem Niveau. Der Spurassistent beherrscht auch Spurwechsel auf der Autobahn und kann im Stau selbständig eine Rettungsgasse bilden. Der Tempomat passt die Geschwindigkeit an den Strassenverlauf an, in den Einstellungen kann festgelegt werden, wie sportlich die Kurvengeschwindigkeit sein darf. Die Frontkamera erkennt Rotlichter und Kein-Vortritt-Schilder und warnt bei Unaufmerksamkeit.
Das mit dem Facelift neu gestaltete Interieur steht dem X7 gut. Der gewölbte Bildschirm ist dem Fahrer zugeneigt. Das System mit den verschiedenen Apps mag ungewohnt sein, lässt sich aber gut bedienen. Und sonst gibt es noch immer die ausgereifte Sprachbedienung. Dank viel Kofferraum und viel Platz im Innenraum ist der X7 M60i ein perfektes Familienauto für gutbetuchte und sportliche Väter – oder Mütter natürlich. Bis zu 2120 Liter fasst der Kofferraum, hinter der dritten Sitzreihe sind es immer noch 300 Liter. Bei der Konfiguration mit sechs Plätzen stehen in der zweiten Reihe zwei feudale Einzelsitze. Der Einstieg in die dritte Reihe gelingt mühelos, das Raumgefühl ist auch dort einwandfrei, wenn auch zur Messlatte in dieser Disziplin, dem Tesla Model X, noch ein kleines Stück Komfort fehlt.
Günstig ist der Spass aber nicht. Unser Testwagen bringt es inklusive reichlich Optionen auf rund 196 500 Franken, der Einstiegspreis für den X7 M60i liegt bei 158 300 Franken. Als Einstiegsmodell bietet BMW den X7 auch als 40i für 122 900 Franken mit Reihen-Sechszylinder und 280 kW (381 PS) an. Der sprintet in 5.8 Sekunden auf Tempo 100, ist also auch nicht wirklich zartbesaitet. Wirklich günstig aber auch nicht.
Testergebnis
Gesamtnote 81.5/100
Antrieb
Der neue 4.4-Liter-V8 des BMW X7 M60i überzeugt mit viel Leistung, viel Drehmoment und viel Charakter. Mit einem Verbrauch von 11.5 l/100 km auf der Normrunde ist der Motor nicht gerade sparsam.
Fahrwerk
Das adaptive Fahrwerk sorgt für ein gutes Fahrgefühl in allen Situationen, von komfortabel bis direkt und sportlich. Die Hinterachslenkung hilft beim Rangieren in der Stadt.
Innenraum
Viel Platz und viel Komfort bietet der Innenraum, möglich sind fünf, sechs oder sieben Plätze. Die Verarbeitung gibt keinen Anlass zu Kritik.
Sicherheit
Kaum ein Hersteller hat eine derart umfangreiche Palette an Sicherheitssystemen, vom Kollissionsassistenten, der auch Querverkehr erkennt, bis zum Totwinkelwarner beim Öffnen der Türen im Stand.
Budget
Mindestens 158 300 Franken kostet der BMW X7 M60i. Der Einstiegspreis liegt damit etwas tiefer als bei der direkten Konkurrenz, mit Optionen kommt man aber auch wieder auf – teure – rund 200 000 Franken.
Fazit
Der BMW X7 macht sehr vieles richtig, vom Motor über das Fahrwerk bis zur Verarbeitung. Die Kritkpunkte sind offensichtlich: Das Auto ist gross und teuer. Dafür entscheidet man sich aber bewusst in diesem Segment. Also bleibt als Minuspunkt noch der hohe Verbrauch, um den man – mangels Hybridantrieb in der Motorenpalette – nicht herumkommt.
Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.