Mercedes schaut mit der Vision One-Eleven in die Zukunft. Dabei kann auch ein Blick zurück nicht schaden.
- Vision eines E-Sportwagens
- Retro-Zitate von C111
- Neue E-Technik
Ein sportlicher Zweisitzer mit Flügeltüren, Orangelackierung und schwarzen Kontrastakzenten? Mercedes-Kenner werden jetzt wohl an das 1970 vorgestellte Experimentalfahrzeug C 111 denken, das sich auch 50 Jahre nach seiner Premiere mit einer modern wirkenden Aura umgibt. Der Flügeltürer, der nie in Serie gebaut wurde, zählt zum Ikonen-Fundus der Marke Mercedes, auf die heutige Designer des Autobauers gerne zurückgreifen, um zwischen grosser Tradition und einer sich stark wandelnden Zukunft Brücken zu schlagen. Wie das konkret aussehen kann, zeigt der nun offiziell im US-Designzentrum «IDC Carlsbad» enthüllte Vision One-Eleven.
Der One-Eleven ist kein Retro-Romantiker. Vielmehr verkörpert er die Idee eines Elektro-Sportwagens einer etwas ferneren Zukunft, der lediglich mit historischen Zitaten aufgepeppt wurde. «Unser vollelektrisches Vision Showcar ist die moderne Interpretation des zu seiner Zeit avantgardistischen C 111», sagte der bei der Enthüllung des Konzepts in ein farblich passendes T-Shirt gekleidete Chef-Designer Gordon Wagner.
Die Farbe Orange ist der augenfälligste Verweis auf den C 111, wobei im Fall des One-Eleven die kupferfarbene Note und ein Changier-Effekt zugleich auf Elektrozukunft einstimmen sollen. Auch aerodynamische Feinarbeit an der skulptural wirkenden und lediglich 1,17 Meter flachen One-Bow-Karosserie sowie diverse Schwarzakzente sind als historische Zitate gedacht. Scheinwerfer und Rückleuchten im klassischen Format gibt es keine. Stattdessen sind in Front und Heck grosse Displays mit grober Pixel-Rasterung eingelassen, die auf Wunsch schriftliche Informationen animiert anzeigen oder das Rundleuchten-Design des C 111 zitieren können. Auf die Klappscheinwerfer des C 111 wurde ebenso wie auf seitlich in der Front eingelassene Blinker verzichtet. Wiederum modern interpretiert haben die Designer die nach oben öffnenden Flügeltüren, die im Gegensatz zum historischen Vorbild auf sichtbare mechanische Entriegelungselemente verzichten. Ein variabler Heckflügel, mit Lichttechnik aufgepeppte Aeroelemente oder filigrane Leichtmetall-Riesenräder mit hinten 22 Zoll grossen 325er-Pirellis verleihen der Visions-Flunder einen futuristisch-dynamischen Touch.
Diesen bietet auch der vornehmlich in Weiss gehaltene sowie mit orange- und silberfarbenen Elementen aufgepeppte und zugleich minimalistisch eingerichtete Innenraum. Die maximal zwei Insassen werden hier von Sportsitzen mit Vier-Punkt-Gurten mit silberfarbenen Lederbezügen im 70er-Jahre-SciFi-Stil empfangen. Einzig komplexes Feature innen ist das rechteckige Lenkrad mit Funktionstasten und Touch-Elementen. Flankiert wird es von einem zum Fahrer geneigten, kompakten Touchscreen. Über das gesamte Armaturenbrett erstreckt sich zudem ein Display in der Art der Leuchtbänder aussen, dass seine vielseitigen Informationen entsprechend grobpixelig darstellt.
Der Innenraum könnte sich für seine Insassen optisch auch ganz anders präsentieren, wie Mercedes mit einer parallel vorgestellten Sitzkiste demonstriert, die man mit einer «Magic Leap 2 Augmented Reality»-Brille auf dem Kopf entert. Hier spielt der Stuttgarter Autobauer mit den vielen Möglichkeiten der dreidimensionalen AR-Welt, die ins Blickfeld des Trägers faszinierend realistisch wirkende Bedien- und Anzeigeelemente ins Fahrzeuginnere und viele andere Objekte und Hinweise auch ausserhalb des Fahrzeugs projizieren kann. Das Entwicklungsprojekt sei Teil einer umfassenderen Vision, die auf eine erweiterte Realität abzielt, sagt Mercedes.
Ebenfalls virtuell, dafür aber sogar seriennah, ist der Antrieb des Vision Eleven One, der ein neues Batteriekonzept mit flüssigkeitsgekühlten Rundzellen und neuer Zellchemie mit Axialflussmotoren kombiniert. Zwei Motoren an der Hinterachse sind hier angedacht, die vom 2009 gegründeten und 2021 von Mercedes gekauften Startup Yasa kommen. Bislang produziert Yasa kompakte und performante Motoren für Hybridantriebe wie sie etwa Ferrari im SF90 verbaut. In Berlin will Mercedes mit seiner englischen Motorschmiede künftig Axialfluss-Aggregate in Grossserie für sportliche Modelle produzieren.
Der Hauptunterschied zwischen einem Axialfluss- und einem Radialflussmotor liegt in der Richtung, in der das Magnetfeld erzeugt wird. Bei einem Axialflussmotor verläuft das Magnetfeld parallel zur Achse des Rotors, während es bei einem Radialflussmotor senkrecht zur Achse des Rotors verläuft. Dies wiederum erlaubt unterschiedliche Bauformen. Axialflussmotoren lassen sich in der Regel scheibenförmig und zudem bei gleicher Leistung deutlich kompakter und leichter als Radialflussmotoren bauen, was sie unter anderem für Anwendungen in Sportfahrzeugen interessant macht. (SP-X/AR)
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