Ghackets mit Hörnli

Dies passt auf den Dacia Jogger Hybrid perfekt, zumindest in der Anwendung. Die Technik ist alles andere als einfach gestrickt.

Was, schon wieder der Jogger? Nun, ja, wir haben uns diesmal die Hybridversion vorgenommen. Wie beim Budgetmeister aus Rumänien üblich steckt unter dem Blech die Technik des Mutterhauses Renault. Im Falle der Hybridversion des Jogger ist es jener ingeniöse Antrieb, der uns schon im Renault Clio zum Staunen brachte. Im Falle des Jogger heisst das: der gleiche 1.6-Liter-Vierzylinder mit integriertem Elektromotor und insgesamt 104 kW (140 PS) wie bei Renault. Die Batterie hat eine Kapazität von 1.2 kW, der Jogger ist ein Vollhybrid, den man nicht zu laden braucht. Dies bringt ehrliche, in der realen Welt ermittelte Verbrauchswerte und Reichweiten, die jenen eines Diesels ähneln. Zudem ist der E-Motor stets dann bereit, wenn er besonders Sinn macht, etwa beim Anfahren oder beim Segeln auf der Autobahn. Dank der B-Stellung des Wählhebels des Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebes steht bei freier Batteriekapazität ein signifikantes Bremsmoment zur Verfügung. Damit lässt sich die zusätzliche E-Technik tatsächlich bei beiden Beschleunigungsarten – negativ wie positiv – sinnvoll einsetzen. Bergab bei voller Batterie koppelt sich allerdings mangels freier Kapazität zum Elektronen-Speichern der Verbrennungsmotor zu – im reinen Schiebebetrieb und in einem entsprechend niedrigen Gang. Auch daran hat Dacia gedacht. Respektive Renault.

Etwas Blech – etwas Lack?

Die Türen schliessen zwar mit einer ernüchternden Leichtigkeit und etwas Scheppern, hat man aber im Auto einmal Platz genommen, lullen einen die gut konturierten Sitze sofort ein. Für Langbeiner dürfte das Lenkrad etwas näher heranzuholen sein, die Sitzposition ist aber gut, der manuell verstellbare Sitz hat einen grossen Verstellbereich. Die Armauflagen hüben wie drüben, also in den Türen wie auf der Mittelablage, sind aber gnadenlos hart und erinnern daran, dass dies nicht die Luxuslounge sein kann. Die Bedienung ist mit der des reinen Verbrenner-Joggers identisch. Einzig beim Starten des Motors – besser: des Antriebs – passiert hier zunächst nicht viel. Der E-Motor schiebt den Hybrid stets alleine und damit geräuschlos aus der Parklücke. Ist die Batterie einigermassen geladen, dann bleibt dies auch noch eine überraschend lange Weile so. Wer etwas schlaftrunken frühmorgens Richtung Autobahn aufbricht, wird regelrecht vom startenden Benzinmotor wachgerufen, sobald der Innerortsbereich zu Ende und Beschleunigung gefragt ist. Im englischen Sprachgebrauch gibt es dazu den treffenden Ausdruck «it bursts into life». Zwar bricht nichts, aber die Vehemenz, mit der der Motor gelegentlich loslegt, bricht das buchstäbliche Schweigen des Elektroflüsterers. Daraus, was dem Dacia beim Beschleunigen richtig Dampf macht, macht der Hybrid-Jogger kein Hehl. Der Vierzylinder unseres Testwagens erlaubte sich sogar einige wenige Dröhnmomente bei mittleren Drehzahlen und unter Last. Danach aber, auf der avisierten Flughöhe respektive Geschwindigkeit angekommen, herrscht wieder Ruhe. 

Tempoänderungen vollzieht der Dacia übrigens mit souveräner Leichtigkeit, der Elektromotor leistet hier das, was er besonders gut kann: Drehmoment in jeder Lebenslage abzuliefern. Das freut besonders beim heute allzu oft verbreiteten Lastwagen-Hüpfen im dichten Autobahnverkehr: Wer nicht ständig auf linken Spur bleiben will, nach dem Zurückwechseln auf die rechte Spur allerdings bald wieder auf einen Camion auffährt und darauf mangels Spurtkraft nicht in eine enge Lücke auf der Überholspur ziehen kann, droht zu verhungern. Im Dacia verhungert aber niemand. Ja, es gibt sogar Picknicktischchen für die Mittelbänkler, zwar nicht in Burr-Walnussholz, sondern Dacia-like in Plastik, aber immerhin.

Fahrspass erlaubt

Erstaunlich für ein Auto, das um die 600 Kilogramm Nutzlast aufnimmt, ist der Federungskomfort. In der Regel sind solche Autos der einfacheren Sorte eher straff abgestimmt, damit sie genügend viel Bürde auf sich nehmen können, ohne gleich in die Knie zu gehen. Nicht so der Jogger Hybrid. Er rollt sanft dahin und vermittelt echte Reisequalität, eine erstaunliche Erkenntnis angesichts der zunächst vermuteten Funktion als preisgünstiger Familientransporter. Der Jogger ist denn von seinem Charakter her ganz klar ein PW und kein Hochdachkombi mit Nutzfahrzeug-Hintergrund. Und dank seiner grundehrlichen Art, wenig Showallüren und des Verzichts auf Nürburgring-Rekordfahrten und dergleichen rollt er auf Reifen daher, die man beim ersten Blick auf die Felgen auch als solche erkennen kann. Da gibt es nicht nur diesen Hauch von Gummi in Form gnadenlos hart abrollender Niederquerschnittreifen, sondern wunderbar die ersten Strassenunebenheiten abfangende, richtige Pneus. Auch beim stärksten Jogger ist das Fahrwerk, mit MacPherson-Vorderachse und Verbundlenkerachse hinten nichts Exotisches, seinen Aufgaben gewachsen. Gut passt dazu die Lenkung, die einem darüber berichtet, was gerade alles passiert an der Vorderhand. In ganz seltenen Momenten verliert beim harten Anfahren ein Rad kurz etwas die Adhäsion, ansonsten gibt es von keinen Auffälligkeiten zu berichten. 

Eine Art Platz

Der Jogger gilt als Siebenplätzer mit drei Sitzreihen. Etwas präziser ausgedrückt ist es ein 5+½+½-Sitzer. Die hinterste Sitzbank ist tatsächlich höchstens für Knirpse zu empfehlen. Die Youngster dürfen zuhinterst ihr eigenes Ausstellfenster geniessen, was so simpel wie effizient ist. Ebenso erfreulich: Durch den Hybridantrieb wird der Innenraum nicht kompromittiert. Dass im recht kompakten Jogger bei Vollbesetzung eine Dachbox selbst für die Lunchtäschli in Betracht gezogen werden sollte, ist leicht erklärbar. Als Plus steht dem dafür die moderate Verkehrsfläche gegenüber.

Doch wenden wir uns am Ende nochmals der Besonderheit, dem Hybridantrieb zu. Gewiss kostet der Aufwand seinen Preis und bringt ein ordentliches Mass an Komplikation, was schon der Blick unter die Haube beweist. Andererseits verlangt der Antrieb keinerlei Kompromisse beim Gebrauch. Die guten Eigenschaften wie den Durchzug aus dem Stand bringt er bestens zur Geltung. Und dank seiner Leistung und Elastizität verblüffte der Dacia Jogger Hybrid manch einen Mitautomobilisten, der diese Dynamik vom Auto einer Billigmarke womöglich nicht erwartet hätte.

Was bleibt, ist noch die Antwort auf die Frage nach dem zweiten Vorteil der Hybridisierung, dem Verbrauch. Sie ist recht einfach: Noch vor einigen Jahren wäre diese Version des Jogger ein schlichter Diesel gewesen. Vermutlich ein ordentlich laufernder, angemessen kultivierter Antrieb. Nun hat der Hybrid die Aufgaben des Sparers bei unverminderter oder gar höherer Leistung übernommen. Und dieser punktet – öfter als vermutet – mit etwas, das auch Luxusmarken mit Kühlerfigur kaum besser schaffen: geräuschlos zu fahren!

Testergebnis

Gesamtnote 81.5/100

Antrieb

Von Renault in raffiniertester Art ausgeklügelt, steckt der Hybridantrieb voller Überraschungen. Es macht Lust, ihn zu fordern, er schafft aber auch das tiefenentspannte Dahingleiten – der beste Antrieb des Jogger.

Fahrwerk

Das komfortbetonte Fahrwerk ist eine der grössten Überraschungen im Hybrid-Jogger. Technisch unaufgeregt, schafft es die Spanne zwischen Leer und Vollbeladen in Perfektion.

Innenraum

Zweckmässig, aber nicht lustlos. Der Jogger wirkt auch im Detail mit Sorgfalt konzipiert und ausgeführt. Die Materialwahl zeugt vom Wissen um den Anwendungszweck als Multifunktionsautomobil. 

Sicherheit

Alles, was das Bordleben beruhigt und die Reise sicher macht, ist dabei, einen Assistenten zum Händchenhalten vermisst man kaum.

Budget

Ein etwas teurerer Dacia, aber ein gutes Auto mit einem hervorragenden Preis-Leitungs-Verhältnis. Sparen kann zeitgemäss und sogar cool sein.

Fazit 

Ungern wieder zurückgegeben, ist der Dacia fast ein Freund geworden: Hilfreich und bescheiden, angenehm im Umgang und stets bereit, mehr zu geben, wenn danach gefragt wird. Er ist offen für eine grössere Runde an Mitfahrern, was ihn im Fall der Fälle besser dastehen lässt als den heissesten Sportwagen. Und er bleibt immer am Boden der Tatsachen, ohne Tricks und Kniffe – ein Transportmittel für alle, die selber bezahlen.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

1 Kommentar

  1. Danke für diesen Testbericht, der endlich ein Auto so beschreibt, dass man es versteht und auch den Sinn und Zweck des Autos als Transportmittel für den Alltag klar macht. Ganz besonders hat mich der allerletzte Satz in der Schluss-Zusammenfassung angesprochen: „ein Transportmittel für alle, die selber bezahlen.“

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