Es ist Montag, wir feiern Jubiläen. Heute mit dem Rekord von Opel, der vor 70 Jahren präsentiert worden war.
- Gebaut von 1953 bis 1986
- Rund 10 Millionen Exemplare produziert
- Ein erster Kombinationskraftwagen
Rund zehn Millionen Käufer können nicht irren: Der von 1953 bis 1986 in acht Generationen gebaute Opel Rekord begeisterte die Massen. Eine Erfolgsstory aus Wirtschaftswunderzeiten und ein Kapitel deutscher Alltagskultur, das sich so nicht wiederholen wird. Schon das Messedebüt des ersten Opel Rekord – anfangs mit Namenszusatz Olympia – im Frühling 1953 war ein Ereignis nationaler Bedeutung, wie Bundeskanzler Konrad Adenauer durch seine Anwesenheit klarstellte. Ebenso wie der VW Käfer verfolgte der Olympia die Mission, die Republik auf die Räder zu stellen. Ansonsten konnte das Duo kaum unterschiedlicher sein: Der Wolfsburger war eine Vorkriegskonstruktion zum Kleinwagenpreis, der Rüsselsheimer eine hochmoderne Ponton-Limousine im amerikanischen Dreamcar-Style für die kaufkräftige Mittelschicht.
Gemeinsam dominierten die Modelle den westdeutschen Markt. In den 1960ern reüssierte der Rekord sogar als meistproduzierte 1,7-Liter-Limousine der Welt, ehe er Opel 1972 kurzzeitig auf die Pole Position in den deutschen Zulassungscharts katapultierte. Echte Konkurrenz kannte der Rekord anfangs kaum: Der Rüsselsheimer brachte vor 70 Jahren Freizeitkombi und Schnell-Lieferwagen in Fahrt, feierte das Cabriolet als Lifestyle-Symbol, und er stand für legendär-robuste Technik (Slogan: «Opel der Zuverlässige»). Trotzdem alterte der Rekord rascher als jeder VW oder Volvo: Opel gehörte zu General Motors und wechselte deshalb die Karosseriemode nach US-Vorbild im Express-Tempo.
So spendierte Opel seinem Volumenmodell bis Ende der 1950er alljährlich neue Kleider. Zumindest an Kühlergrill, Stossstangen, Leuchten und Chrom-Ornamenten sollte sich Europas meistverkaufte Mittelklasse klar vom Vorgängerjahrgang differenzieren. Tatsächlich schien dieses Mittel psychologischen Drucks auf die Konsumenten, jeweils das neuste Modell zu fahren, anfangs zu funktionieren, wie die Absatzzahlen und das bald gigantische Gebrauchtwagenangebot noch relativ junger Opel Rekord zeigte. Galten doch damals nur Autos in aktueller Couture als Statussymbole. Ganz im Gegensatz dazu war der direkte Vorgänger des ersten Opel Rekord, der 1935 lancierte Olympia, mit nur kleinen Auffrischungen bis 1953 im Programm belassen worden. Der neue Rekord (den Beinnamen Olympia bewahrte er, weil die Namensrechte für «Rekord» vorläufig bei der Firma Adler lagen) adaptierte zwar dessen 45 PS leistenden 1,5-Liter-Grauguss-Vierzylinder, wies aber ansonsten den Weg in die Zukunft: Mit Leichtbau (920 Kilo Leergewicht), niedrigem Benzinverbrauch (rund 8,0 Liter) und geradezu sensationell grossem Raumangebot speziell gegenüber dem kleinen Wolfsburger Volksauto, das übrigens als Export-Modell gerade einmal 1000 Franken billiger war.
Der Opel konnte die fünfköpfige Familie inklusive sieben Koffern und Taschen für die Fahrt an die Ostsee oder nach Bella Italia verladen – und wenn die grosse Campingausrüstung samt Schlauchboot ebenfalls dabei sein sollte, sperrte der schicke Kombi «Caravan» seine grosse Klappe auf. So viel Platz hinter einem chromglitzernden Dollar-Grin-Kühlergrill gab es sonst nirgendwo, und wenn, dann war der Kombi-Laderaum bis zu 50 Prozent teurer, wie ein Blick in Borgward- oder Peugeot-Preislisten zeigt. Eine bequeme, verstellbare Vordersitzbank nach amerikanischem Vorbild war bei Opel ebenfalls innovativer Standard. Und wer bei der Fahrt über Alpenpässe das verbreitete Problem kochenden Kühlwassers und die prompt folgende Schadenfreude der Käfer-Community fürchtete, konnte im Rekord aufatmen: Die Rüsselsheimer hatten ihr Massenmobil schon vor Serienstart Grossglockner-getestet.
Für eine wissenschaftliche Expedition ins 5200 Meter hohe extreme Terrain der südamerikanischen Hochanden wählte die Universität Heidelberg deshalb 1954 keinen Jeep oder Land Rover, sondern einen handelsüblichen Opel Caravan. Und ein 1956er Olympia Rekord ist sogar bis heute Objekt eines Langzeitversuchs in Berlin, denn dort lässt ein Spezialist für Fahrzeugtechnik seinem Opel schon seit 1977 keine optische Pflege mehr zukommen, repariert nur technische Defekte. Ergebnis: Der Rekord läuft und läuft trotzdem.
«Wohlstand für alle», dieses von Wirtschaftswunder-Minister Ludwig Erhard ausgerufene Ziel symbolisierte der Opel Olympia Rekord, der übrigens ab 1954 auch ohne Lametta-Glanz als spartanischer Opel Olympia zu geringfügig niedrigeren Preisen angeboten wurde. Gefragt war aber letztlich doch der Hauch Luxus und weite Welt, wie ihn allein der Rekord in vollem Ornat zeigte, dessen Kühlergesicht stets dem Stil der Flaggschiff-Limousine Opel Kapitän folgte. Zur Eröffnung von Deutschlands erster Fussgängerzone, der Kasseler Treppenstrasse, reisten die Gäste deshalb 1953 nicht nur im Mercedes oder Opel Kapitän an, sondern auch im brandneuen Rekord. Ein Symbol des Aufbruchs, das die automobile Hauptrolle in vielen Heimat- und Musikfilmen übernahm. Mit dem Rekord wurde Opel zum Erfinder der populären Mittelklasse. Bis in die 1960er Jahre hinein hielt der erschwingliche Opel Rekord hinter dem VW Käfer seine Stellung als meistverkauftes Automobil in Deutschland. Möglich machte dies auch eine von Beginn einzigartige Vielfalt an Karosserieformen.
Neue Rekord-Generationen wurden von der Öffentlichkeit mit mehr Spannung erwartet als heute die Aufstellung der Fussballnationalmannschaft vor WM-Spielen. Dies zeigte sich etwa im Spätsommer 1957, als der Olympia Rekord P1 mit amerikanischer Panoramaverglasung einen Volksauflauf vor den Opel-Händlern verursachte. Kein Wunder, dass Opel die neue Designlinie auch auf den Kapitän des Jahrgangs 1958 übertragen wollte – und einen Flop lancierte. So schnelllebig waren jene Jahre. Neue Konkurrenz gab es 1960. Gegen den stromlinienförmigen Ford 17 M konnte sich der betont nüchterne, gleichzeitig eingeführte Rekord P2 nur schwer wehren. Erst der 1963 vorgestellte Rekord A im Stil des Chevrolet Corvair fuhr wieder zu ganz grosser Form auf, jetzt sogar mit repräsentativem Sechszylinder in der Spitzenversion. Der Rekord B «tanzte» ab 1965 nur einen Sommer, dann folgte schon der Rekord C, der im schwungvollen Coke-Bottle-Design auch in Belgien, der Schweiz, in Südafrika und in Südamerika als Ranger oder Chevrolet vom Band lief. Später als Rekord D (1972) in zeitlos eleganten Konturen sogar im Iran als Chevrolet Royale oder in Korea als Shinjin Record.
In höhere Sphären zog es dagegen den Commodore, die 1967 eingeführte Luxusversion des Rekord mit leistungsstarken Sechszylindern. 1972 machte der Rekord D die Marke mit dem Blitz noch einmal zum grössten deutschen Automobilhersteller, und vier Jahre später gelang es Opel, mit 921’696 Fahrzeugen einen neuen Jahres-Produktionsrekord aufzustellen. Der Rekord E debütierte 1977 und blieb trotz inzwischen fast zahlloser Konkurrenten lange die erfolgreichste Vierzylinder-Limousine. Als der Rekord im August 1986 dem Opel Omega Platz machte, war die Trauer gross. Verabschiedete sich doch ein automobiles Wahrzeichen der Nachkriegsjahre, nur drei Jahre vor der deutschen Wiedervereinigung. (SP-X/AR)
In der monatlich erscheinenden Klassik-Beilage der AUTOMOBIL REVUE finden Sie immer schöne Old- und Youngtimer. Abos gibt es: hier. Ansonsten entsteht hier eine Reihe mit den Jubiläen von 2023, da haben wir eine Liste mit diesen schönen Geburtstag-Stories erstellt: hier.
Der Modellname Olympia wurde erst 1965 aufgegeben. Er war aber seit 1957 nur noch auf dem Armaturenbrett angebracht .
Der Rekord A ähnelte eher dem damaligen Chevi 2. Wie ein kleiner Bruder des Corvair sah Der damalige NSU 1000 aus.